Balve/Menden. Die Inflation quält vor allem Menschen mit wenig Geld. Die DeCent-Läden spüren steigenden Bedarf. Und nicht nur das.

Mechthild Blöink strahlte. Die Vorsitzende des gemischten Chors „Melodie Mellen“ wusste, dass sie etwas Gutes tat. Sie hatte dem Team des DeCent­-Ladens der Caritas einen symbolischen Scheck über 350 Euro mitgebracht. Wie wichtig die milde Gabe war, ließ sich allein daran erkennen, dass Mechthild Blöink im Pfarrheim St. Blasius von einer großen Gruppe um Thomas Gemke und Helmut Schäfer von den Kirchenvorständen in Balve und Mellen empfangen wurde. Hinter dem fröhlichen Anlass des Treffens steckt ein ernstes Problem: Tafel-ähnliche Läden erhalten immer weniger Lebensmittelspenden und müssen immer mehr zukaufen – bei steigendem Bedarf.

Frischware im DeCent-Laden im Pfarrheim Balve
Frischware im DeCent-Laden im Pfarrheim Balve © WP | jürgen overkott

Gemeindepädagoge Sven Körber will mithelfen

Im Pfarrheim hatte das Team um Caritas-VorsitzendeAngelika Rotermund undLadenleiterin Alice Runte Waren auf Klapptischen aufgebaut. Nur wenige Stunden nach der Übergabe der Geldspende stand eine der beiden dienstäglichen Warenausgaben an bedürftige Menschen an. Im Eingangsbereich des Pfarrheims waren frische Lebensmittel zu haben, hinten Konserven und Backwaren. Wer einen Ausweis für den DeCent-Laden besitzt, wird gratis versorgt.

Alice Runte war guter Dinge. Gerade eben hatte sich Sven Körber verabschiedet. Der evangelische Gemeindepädagoge hatte seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit signalisiert. Wie sie aussehen soll: Darüber wird noch gesprochen. Der Bedarf an Hilfe ist groß.

Melodie Mellen unterstützt DeCent-Laden mit 350-Euro-Spende: Vorsitzende Mechthild Blöink (2. von links) mit Caritas-Team
Melodie Mellen unterstützt DeCent-Laden mit 350-Euro-Spende: Vorsitzende Mechthild Blöink (2. von links) mit Caritas-Team © WP | jürgen overkott

Wir können nicht an einem Tag 100 Tüten packen.“
Alice Runte, DeCent-Laden Balve

„Wir haben aktuell 104 Ausweise vergeben“, erläutert Alice Runte. Das Niveau ist unverändert hoch. Die Zahl der Hilfsbedürftigen – Geflüchtete aus der Ukraine, Asylbewerber und Ruheständler mit Grundsicherung – ist so hoch, dass pro Warenausgabetag lediglich rund 50 Menschen ins Pfarrheim kommen dürfen. „Wir können nicht an einem Tag 100 Tüten packen“, sagt Alice Runte.

Menden, Hermann-Josef Schnell hat mit seinem Menden-Kalender so viel Geld für einen wohltätigen Zweck eingesammelt wie noch nie zuvor: Von der Spende von mehr als 7000 Euro kann SKFM-Geschäftsführerin Marita Hill nun Lebensmittel für den De-Cent-Laden kaufen, die dringend benötigt werden.
Menden, Hermann-Josef Schnell hat mit seinem Menden-Kalender so viel Geld für einen wohltätigen Zweck eingesammelt wie noch nie zuvor: Von der Spende von mehr als 7000 Euro kann SKFM-Geschäftsführerin Marita Hill nun Lebensmittel für den De-Cent-Laden kaufen, die dringend benötigt werden. © WP Menden | Corinna Schutzeichel

Vor Corona war das anders. Damals gab es nur um die 30 Menschen, die auf die Hilfe des DeCent-Ladens angewiesen waren. Kein Wunder, dass es damals noch möglich war, zwei Ausgabe-Termine pro Person anzubieten.

Marita Hill hat einen ähnlichen Trend in Menden beobachtet. Sie ist Geschäftsführerin des Sozialdienstes katholischer Frauen und Männer (SkFM). Der Verein trägt den DeCent-Laden an der Fröndenberger Straße.

Am Ende des Geldes ist noch viel Monat. Viele Leute laufen dann bei uns in der Verwaltung auf und sagen: ,Ich habe kein Geld mehr.‘“
Marita Hill, SkFM Menden

„Die Bürgergeld-Sätze sind angehoben worden. Das entlastet ein bisschen. Aber die Preise für Lebensmittel steigen ja immer noch, vielleicht nicht mehr um zehn Prozent, sondern eher um sechs Prozent“, sagt Marita Hill über die Situation von Menschen mit wenig Geld. „Die Preise sinken nicht – sie steigen nur weniger schnell.“ Für Menschen in finanzieller Not heiße das allzu oft: „Am Ende des Geldes ist noch viel Monat. Viele Leute laufen dann bei uns in der Verwaltung auf und sagen: ,Ich habe kein Geld mehr.‘“ Marita Hill beobachtet immer mehr Hilfe-Rufe aus dieser Bevölkerungsgruppe: „Das nehmen wir wahr.“ Dieser Trend habe im vorigen Jahr begonnen. Bereits in der dritten Januar-Woche seien 500 Lebensmittelausweise ausgestellt worden – so viele wie noch nie. „Eine Mitarbeiterin hat mir gesagt: ,Wo soll das noch hingehen?‘“

Zugleich erlebt Marita Hill, dass Supermärkte weniger Lebensmittel als früher spenden – weil sie weniger Frischware ordern. Dazu komme noch etwas: Verderbliches werde inzwischen kurz vor Ablaufen des Mindesthaltbarkeitsdatums für kleines Geld verscherbelt. „Das gibt es inzwischen bei allen“, sagt Marita Hill.

Claudia Czygan ist Unternehmenssprecherin bei Aldi Nord. Sie beantwortet Presseanfragen zu Nachhaltigkeit. Auf Anfrage der Westfalenpost verweist sie auf ein „intelligentes Bestellsystem“. Es ziele darauf ab, dass weniger Frischware weggeworfen werde. Das Unternehmen leiste „einen aktiven Beitrag zur Vermeidung von Lebensmittelresten“. Dazu gehöre, Produkte aus der Kühltheke kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums stark preisreduziert zu verkaufen. Zudem werde „Brot vom Vortag“ pauschal für 50 Cent angeboten. Aber was passiert mit Ware, die nicht mehr verkauft werden kann?

Claudia Czygan: „Es ist unser Anspruch, dass möglichst keine noch verzehrbaren Lebensmittel in den Abfallbehältern der Verkaufsstellen anfallen.“ Was nicht mehr verkaufs-, wohl aber noch verzehrfähig sei, werde „in der Regel gespendet“. Weitere Einzelheiten nannte die Unternehmenssprecherin nicht.

Die DeCent­-Läden in Balve und Menden nehmen wahr, dass die Spenden-Menge an frischen Lebensmitteln sinkt. Sie reagieren auf die Entwicklung, indem sie vermehrt zukaufen.

Damit Nothelfer nicht selbst in Not geraten, brauchen sie Spenden, vor allem Geld. Manchmal tut’s aber auch eine Sachspende. „Wir haben“, erzählt Thomas Gemke, „Eier aus Ense erhalten. Für die EU-Norm waren sie zu klein.“

Wer spenden oder helfen will: Caritas Balve (02375-910842); SkFM Menden (02373-92870.