Bösperde. Die Mendenerin Denise Rademacher ist Zwillingsmama, alleinerziehend, selbstständig. Dann erkrankt sie an Krebs. So kämpft die Power-Frau.
Als sie den Knubbel in ihrer Brust spürt, weiß Denise Rademacher, dass sie Krebs hat. „Ich war mir irgendwie total sicher“, erinnert sich die Mendenerin. Trotz aller Beruhigungen anderer, dass es bestimmt nur eine Zyste sei. Vier Tage später erfährt die 39-Jährige, dass sie mit ihrem Gefühl richtig gelegen hat. Und damit beginnt für die Inhaberin des Bösperder Friseursalons „Haarkunst Denise“ eine kräftezehrende und extrem herausfordernde Zeit.
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Es ist an einem Abend im August des vergangenen Jahres, kurz vor dem Einschlafen, als Denise Rademacher beim Liegen auf der Seite spürt, dass in ihrer Brust etwas ist, das dort definitiv nicht hingehört. Und dann geht es Schlag auf Schlag: Die Gynäkologin, die sie am nächsten Tag aufsucht, überweist sie ans Brustzentrum in Schwerte. Dort wird mittels einer Stanzbiopsie ein Stück des Knotens, den sie gespürt hat, untersucht.
Tränenreiche Zeit zwischen dem Verdacht und der Diagnose
An die Zeit zwischen dem ersten Verdacht und der Gewissheit, tatsächlich an Krebs erkrankt zu sein, erinnert sich Denise Rademacher mit den Worten: „Sehr tränenreich.“ Vier Tage, nachdem sie den Knubbel gespürt hat, bekommt sie am 5. August in einem Arztgespräch die Gewissheit: „Krebs. Sehr bösartig. Sehr schnell wachsend.“ Ein 2,6 Zentimeter großer Tumor.
Doch so schlimm die Diagnose auch ist, so optimistisch blickt Denise Rademacher von Anfang an in die Zukunft. Denn wenige Tage später steht fest: In ihrem Körper haben sich keine Metastasen gebildet, auch die entnommenen Lymphknoten sind unauffällig. Darüber hinaus sei ihr Krebs „sehr gut therapierbar, weil er besonders effektiv auf die Chemotherapie anspricht“.
Port unter dem rechten Schlüsselbein
Unter dem rechten Schlüsselbein wird ihr ein Port gesetzt – also ein dauerhafter Zugang von außen zu einer Vene –, über den sie die Chemotherapie und auch viele Medikamente bekommt. Für Denise Rademacher beginnt ein monatelanger Alltag, in dem sie sich wie fremdbestimmt fühlt: „Es wird einem gesagt, was man machen muss, wann welche Termine sind. Wie eine Marionette.“
Eine Alternative gibt es nicht: „Ich habe gefragt, was passiert, wenn ich das nicht mache“, sagt Denise Rademacher. „Der Tumor wäre gewachsen und ich wäre hops gegangen.“
Denise Rademachers Mutter springt ein und hilft
So stark Denise Rademacher im Alltag ist, so sehr macht ihr zu schaffen, dass ihre Zwillinge ihren schweren Weg hautnah mitbekommen. Oft viel mehr, als es ihr lieb ist. Das Wort Krebs nimmt sie ihren Kindern gegenüber erst mal nicht in den Mund, will die beiden schützen. Während der Akut-Therapie springt Denise Rademachers Mutter ein, kümmert sich liebevoll um die Kinder: „Ein mega-dickes Danke“, sagt Denise Rademacher mit Blick auf sie. Und auch im Salon packt die gelernte Friseurin mit an, vertritt ihre Tochter.
Der letzte Tag ohne körperliche Beeinträchtigungen, an den sich Denise Rademacher erinnert, ist die Einschulung ihrer Zwillinge im vergangenen Sommer. An dem Tag weiß sie zwar bereits, dass sie an Krebs erkrankt ist, doch die Behandlungen haben noch nicht begonnen: „Das war der letzte Tag, an dem ich mich schön gefühlt habe.“
Die langen Haare fallen aus
Mit der Behandlung nimmt Denise Rademacher aufgrund der Hormone, die sie nehmen muss, etwas zu. Und ihre langen Haare fallen aus. Während der ersten Chemo-Termine trägt sie eine Kühlhaube, die den Haarverlust verhindern kann – bei ihr klappt das leider nicht. „Ich mochte meine Haare irgendwann nicht mehr bürsten“, erzählt die 39-Jährige. Jedes Mal stecken mehrere große Haarbüschel in der Bürste.
Schließlich fährt Denise Rademacher mit ihren beiden Kindern in ihren Friseursalon, lässt sie zuerst mit der Schere schnippeln, dann zum Rasierer greifen. „Mama, ich weiß doch, dass du Krebs hast“, sagt ihr Sohn im Salon zu ihr. Am Abend spricht sie mit ihren Zwillingen: „Da wusste ich zum Glück, dass der Tumor durch die Chemo schon viel kleiner geworden war.“
Die gekauften Perücken trägt Denise Rademacher nicht
Die beiden Perücken, die sie sich kauft, trägt Denise Rademacher die ganzen Monate nicht: „Ich fühle mich damit wie mit einer Verkleidung.“ Statt dessen schützt sie mit einer Mütze oder einem Turban ihren Kopf – vor Kälte und vor neugierigen Blicken: „Ich hätte mich sonst unwohl gefühlt. Und außerdem ist es ohne Haare einfach ziemlich kalt am Kopf.“
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Schlimmer als alle äußerlichen Veränderungen ist der schier unerträgliche Verlust ihrer Energie. Die Frau, die sonst durch ihren Friseursalon wirbelt, seit vielen Jahren allererziehende Mutter ist, die Selbstständigkeit problemlos wuppt, liegt im Bett und macht gar nichts. Kann vor lauter Kraftlosigkeit an vielen Tagen nicht mal telefonieren oder lesen. Wenn sie sich morgens auf die Bettkante setzt, weiß sie, wie der Tag wird. Ist das Aufstehen überhaupt möglich? Dann geht Denise Rademacher Kilometer um Kilometer spazieren. Und an den schlimmen Tagen bleibt sie einfach nur im Bett.
Alle drei Wochen zur Chemo-Therapie
Alle drei Wochen muss sie zur Chemo-Therapie: „Immer donnerstags. Und ab sonntags ging es mir dann schlecht, für ungefähr zehn Tage. Und danach kam dann eine gute Woche, in der ich auch aufstehen konnte.“ Und danach geht es wieder von vorne los. „Ich hatte damals Suizidgedanken“, sagt Denise Rademacher. „Es ging mir so schlecht, ich hatte Schmerzen, konnte mich kaum bewegen.“ Das Leben sei ihr zu der Zeit als nicht mehr lebenswert erschienen. Dank ihrer Familie, ihrem Partner und enger Freunde übersteht sie die Zeit.
Anfang Dezember des vergangenen Jahres bekommt Denise Rademacher die letzte Chemo-Dosis. Eigentlich hätte danach die Bestrahlung beginnen sollen. „Das muss ich aber nicht machen, weil ich mich entschlossen habe, beide Brüste abzugeben“, sagt Denise Rademacher. Zu groß ist die Angst, dass sich auch in der anderen Seite ein Tumor entwickeln könnte. Im Januar wird die Mendenerin operiert, während des Eingriffs wird auch der Wiederaufbau vorgenommen.
Antikörpertherapie seit Mitte März
Seit Mitte März bekommt Denise Rademacher für ein Jahr eine Antikörpertherapie. Hinzu kommen weitere starke Medikamente, die dafür sorgen, dass die 39-Jährige nun in den Wechseljahren ist. „Ich hatte einen östrogen-positiven Tumor, deshalb bekomme ich Medikamente, die mich quasi künstlich in die Wechseljahre versetzen“, erklärt Denise Rademacher.
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Seit einigen Wochen wachsen die Haare wieder – auch wenn es wohl noch einige Zeit dauern wird, bis sie wieder richtig lang wie früher sind: „Bestellt habe ich mir lange Locken“, lacht Denise Rademacher. Auch die Wimpern und die Augenbrauen kommen ganz zart wieder. Mittlerweile hat sie Turban und Mütze abgelegt, zeigt ihre Kurzhaarfrisur.
Ehrgeiz und Disziplin
Denise Rademacher fühlt sich fitter, kräftiger, hat wieder mit dem Sport angefangen. Mit Ehrgeiz und Disziplin kämpft sie sich zu einstiger Stärke zurück. „Ich bin dankbar, dass ich lebe“, sagt die Mendenerin. „Ohne mein gutes Netzwerk hätte ich das nicht geschafft.“
In der ersten Zeit nach der Diagnose stand für sie die übermächtige Frage nach dem Warum im Mittelpunkt: „Warum habe ich Krebs bekommen? Ich habe mich doch gesund ernährt, jeden Tag Sport gemacht“, sagt Denise Rademacher. „Damit hätte ich nie gerechnet.“ Die Frage ist im Laufe der Zeit einem Annehmen gewichen, „das war das Schwierigste für mich“.
Regelmäßige Vorsorge
Denise Rademacher wünscht sich, dass alle Frauen regelmäßig zur Vorsorge gehen. Zwar hat sie selbst den Knubbel entdeckt, der sich als Tumor entpuppte. Doch der regelmäßige Besuch bei einer Gynäkologin oder einem Gynäkologen bringe zusätzliche Sicherheit.
Ihren Salon hat Denise Rademacher während ihrer Erkrankung geöffnet gelassen. Ohne ihr Team und ihre Familie wäre das nicht möglich gewesen, sagt die 39-Jährige dankbar. Und fügt noch hinzu: „Ich freue mich darauf, wenn ich wieder ganz im Salon sein kann.“
Brief aus Sicht des Tumors
In der Reha schreibt sie einen Brief aus Sicht des Tumors an sich selbst. Quintessenz: Sie überdenkt alles, stellt vieles auf den Prüfstand. Denise Rademacher tritt beruflich kürzer, will zum Beispiel – so sehr sie ihren Beruf auch liebt – samstags nicht mehr arbeiten: „Das Wochenende gehört meinen Kindern“, sagt die alleinerziehende Mutter. Und jede Woche ein paar Stunden nur für sich, plant sie. „Einfach mal nichts machen.“
Das Leben steht auf Pause
Zwillingsmama, alleinerziehend, selbstständig. Eigentlich hatte Denise Rademacher für all das, was sie in den vergangenen Monaten stemmen musste, überhaupt keine Zeit. Doch die Diagnose zwingt sie, sich Zeit zu nehmen. Das Leben steht auf Pause. Auch wenn es spirituell klinge, sei sie davon überzeugt, dass alles im Leben seinen Sinn habe, sagt Denise Rademacher nachdenklich. „Und ich habe verstanden, was ich lernen sollte.“ Sie wolle sich künftig Auszeiten nehmen, für sich selbst und ihre Kinder: „Ich darf mich zurücklehnen. Die Welt dreht sich weiter – auch wenn ich nicht im Hamsterrad bin.“