Menden. Verzweifelte Eltern, viel Unmut: Über Wochen war die Betreuung der Kinder in der Mendener Kita stark eingeschränkt. Jetzt kommt die Wende.

Der Fachkräftemangel ist ein Problem, das auch vor Kindergärten keinen Halt macht. Doch wenn die Kinderbetreuung nicht rund läuft und Eltern zuhause bleiben müssen, kann das auch wirtschaftliche Folgen für andere Betriebe haben oder Existenzängste auslösen. „Bei uns hat sich unter anderem eine verzweifelte Mutter gemeldet“, sagt Daniel Büttinghaus. Er ist Vorsitzender des Jugendamtselternbeirats der Stadt Menden. Die Frau habe Angst, ihren Job zu verlieren, weil sie aufgrund von fehlender Kinderbetreuung auf der Arbeit bereits negativ aufgefallen sei. Die Eltern einer Mendener Kita sind sauer.

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Eltern beklagen massiv eingeschränkte Betreuungszeiten und überlastetes Personal

Konkret geht es um die Kita Paul-Gerhardt in Menden. Eltern hatten sich bei der Westfalenpost gemeldet, da es seit mehreren Wochen vermehrt Probleme gegeben habe. „Seit Monaten kommen Eltern auf mich zu“, sagt auch Daniel Büttinghaus. Kinder müssten bereits mittags abgeholt werden oder würden erst gar nicht betreut. „Ein Vater hat mir erzählt, dass sein Kind in diesem Jahr erst fünf- bis sechsmal da war. Das Essen mussten sie aber trotzdem zahlen. Das kann man gar nicht mehr erklären“, sagt der Jugendamtselternbeirats-Vorsitzende. „Das Personal geht am Stock. Mittlerweile wird schon Zeitarbeitspersonal eingesetzt.“ Der Träger sei trotz diverser Hilferufe der Eltern nicht tätig geworden, verbessert habe sich die Situation monatelang nicht. Die Eltern sind verzweifelt und wütend.

Wir verstehen die Unzufriedenheit der Eltern. Es wird jetzt besser.
Tim Haacke, Pressesprecher Ev. Kirchenkreis Iserlohn

Auf Nachfrage verweist die stellvertretende Kitaleitung Jessica Leonard auf die Pressestelle des Kitaträgers - den Evangelischen Kirchenkreis Iserlohn. Der zuständige Pressesprecher, Tim Haacke, räumt ein, dass dem Kirchenkreis das Problem „vielleicht zu spät bewusst geworden“ sei. Es scheint, als habe man den Unmut der Eltern erst wirklich wahrgenommen, als Eltern sich an die Presse gewandt hatten. „Die Kita läuft jetzt wieder im Regelbetrieb“, sagt Tim Haacke. Und auch einen Brief an die Eltern habe man verfasst, um die Probleme zu erläutern. Der Brief liegt der Redaktion vor. Darin beschreibt Carsten Schmidt, neuer Geschäftsführer des Trägerverbundes für Ev. Tageseinrichtungen für Kinder im Ev. Kirchenkreis Iserlohn, unter anderem, dass ein Ampelsystem fortan für mehr Transparenz sorgen soll. Von grün bis rot sollen damit die Einschränkungen für Erziehungsberechtigte verdeutlicht werden.

Fachkräfte per Zeitarbeitsfirma

Die Notbetreuung über den längeren Zeitraum sei nötig geworden, weil es parallel zwei unbesetzte Stellen in der Kita gegeben habe und weiteres Personal erkrankt sei, sagt Tim Haacke. „Das war eine Ausnahmesituation“, sagt er, die man versucht habe, schnell zu lösen - auch mit Zeitarbeitspersonal. „Wir verstehen die Unzufriedenheit der Eltern. Es wird jetzt besser.“ Doch insgesamt habe der Kirchenkreis grundsätzlich Probleme, Personal für die Kindergärten zu gewinnen. Vier Kindergärten betreibt der Träger in Menden, im gesamten Bereichsgebiet sind es insgesamt 23. Das Problem Fachkräftemangel hätten aber alle Träger.

Ziel in der Kita Paul-Gerhardt sei es laut Carsten Schmidt, „weiterhin ausreichend Personal vorzuhalten“ und einen „ungestörten Kitaalltag“ umzusetzen. Man sei auf der Suche nach Personal und versuche, Abhilfe durch Personal aus anderen Einrichtungen zu schaffen. Mit Blick auf die Personalfirmen schreibt Carsten Schmidt, dass pädagogische Fachkräfte an Einrichtungen ausgeliehen würden. Man habe damit erste Erfahrungen gemacht, doch „leider steht auch hier nur eine begrenzte Anzahl an Fachkräften zur Verfügung“. Sollte es erneut zur Notbetreuung kommen, wolle man die Eltern frühzeitig informieren.

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Personelle Veränderungen sofort dem Landesjugendamt melden

Jede personelle Veränderung (Neueinstellung, Veränderung der Arbeitszeit oder der Funktion, Ausscheiden) muss umgehend an das Landesjugendamt gemeldet werden. Das erklärt Nadine Huckschlag auf Nachfrage. Sie ist als Teamleiterin Tagesbetreuung im Rathaus aktiv und hat alle Kitas im Stadtgebiet im Blick. Zwar betreibe die Stadt Menden ein eigenes Jugendamt, doch dieses werde über solche Änderungen lediglich vom Landesjugendamt in Kenntnis gesetzt. „An die Mindesbesetzung müssen sich aber alle Träger halten“, sagt sie. Über das Kinderbildungsgesetz gebe es klare Vorgaben wie wenige oder wie viele Personen eingesetzt werden können. Auch das Budget sei gedeckelt.

Offenes Konzept

Die Kita Paul-Gerhardt betreut laut Plan 65 Kinder, davon zwölf Kinder unter drei. „Unser Team arbeitet multiprofessionell und setzt sich aus Erzieherinnen und Erziehern, Heilpädagoginnen und Heilpädagogen und einer Kinderkrankenschwester zusammen“, heißt es in der Beschreibung der Kita. Eine Besonderheit der Kita ist das offene Konzept mit Bezugserzieherinnen und Erziehern.
„Die Kinder bewegen sich frei zwischen den verschiedenen, liebevoll gestalteten Funktionsräumen, welche, anhand der beobachteten Interessen und Bedürfnisse, gemeinsam gestaltet werden. Unsere zwölf U3-Kinder werden gemeinsam im Wichtelwald betreut und machen sich von dort auf den Weg in den offenen Bereich- jedes Kind in seinem eigenen Tempo.“

Wenn der entsprechende Personalschlüssel nicht eingehalten werden könne, sei jeder Träger dazu verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um das richtige Betreuungsverhältnis wieder herzustellen. Beispiele für solche Maßnahmen seien Notgruppen, reduzierte Betreuungszeiten oder auch der Wegfall von bestimmten zusätzlichen Angeboten. Jeder Träger definiere für sich, welche Maßnahmen wann greifen. „Das Landesjugendamt ist dann zu informieren.“ Zu kompletten Kita-Schließungen komme es in Menden bisher nur in „absoluten Ausnahmefällen“ an einzelnen Tagen. Eine zeitliche Begrenzung, wie lange solche Einschränkungen in einer Kita erlaubt sind, gebe es nicht. Eben so lange, wie nötig.

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Mehr selbst ausbilden und Personal heranziehen

Generell, sagt Nadine Huckschlag, sei es aktuell landesweit schwierig, Personal für die Kindergärten zu finden und vakante Stellen zu besetzen. „Wir müssen als Träger mehr ausbilden, um gutes Personal heranzuziehen“, sagt die Expertin. Die praxisintegrierte Ausbildung zum Erzieher gebe es immer häufiger. Das sei ein Schritt in die richtige Richtung. „Wir müssen die Attraktivität des Jobs steigern.“ Die vergangene Tarifrunde habe schon Verbesserungen mit sich gebracht. So haben Erzieherinnen und Erzieher zwei zusätzliche Regenerationstage pro Jahr. „Ein Konkurrenzdenken gibt es nicht“, betont Nadine Huckschlag mit Blick auf den umkämpften Arbeitsmarkt. „Wir brauchen jede Einrichtung in Menden.“

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