Lennetal. Industriebetriebe im Lennetal wollen künftig klimaneutral produzieren - doch ein Hoffnungsprojekt für Wasserstoff liegt nun auf Eis:

Die Industrie im Lennetal und Hohenlimburg bekommt vorerst keine Pipeline für grünen Wasserstoff. Pläne in diese Richtung hatte ein Konsortium aus großen ansässigen Industrieunternehmen wie der Bilstein Group, C. D. Waelzholz und Thyssenkrupp Hohenlimburg gemeinsam mit Netzbetreibern vor drei Jahren unter dem Projekttitel „ZukunftRuhr“ erdacht. Denn für die Betriebe wäre so eine Wasserstoff-Pipeline ein wichtiger Schritt auf dem Weg hin zur klimaneutralen Produktion. Doch passende Fördertöpfe für Mittelständler, um die Kosten einer solchen Pipeline zu decken, konnten nicht angezapft werden.

„Ein wesentlicher Aspekt war hier eine Förderung nach dem Programm ‚Klimaschutzverträge‘ des Bundes, die durch die Industriekunden aus dem Projektkonsortium beantragt werden konnte“, so Andreas Köster, Sprecher von Versorger Enervie auf Anfrage. „Aufgrund schwieriger Förderbedingungen wurde die Bewerbung um Fördermittel jedoch nicht abschließend durchgeführt.“ Zudem hätten die weiteren, am Konsortium beteiligten Netzbetreiber ihre Planungen zur Umstellung von Transportleitungen auf Wasserstoff neu priorisiert.

Wie geht es weiter?

Ein Ausbau des Wasserstoff-Verteilnetzes in Hagen sei weiterhin perspektivisch möglich und auch sinnvoll, unterstreicht Versorger Enervie auf Anfrage. „Wann hier konkretere Planungen relevant werden, ist auch aufgrund der langen Vorlaufzeiten derartiger Projekte derzeit noch nicht absehbar“, so Sprecher Andreas Köster.

Eine „stand-alone“ Lösung für Hagen hinsichtlich des Aufbaus eines Wasserstoffnetzes könne es nicht geben, vielmehr sei eine intensive Zusammenarbeit und starke Vernetzung auf Ebene der Transport- und Verteilnetzbetreiber unerlässlich. „Daher sind weitere Planungen immer in enger Abstimmung mit weiteren Akteuren, insbesondere Netzbetreibern und Industrieunternehmen, notwendig. Es findet diesbezüglich weiterhin ein sehr enger Austausch mit allen Akteuren in der Region statt.“

Bilstein Group prüft Alternativen

Da in das Lennetal vorerst kein grüner Wasserstoff per Pipeline fließt, stehen die Anrainer vor der Frage, wie der Umbau auf „grüne“ Produktion gelingen kann. Man bedauere sehr, dass die Werke von Bilstein und Hugo Vogelsang absehbar nicht an die bundesweite Wasserstoffpipeline-Infrastruktur angebunden werden, sagt Tina Prinz, Sprecherin Bilstein Group, auf Anfrage. „Eine stabile Planungsgrundlage für die Erreichung der CO₂-Neutralität entfällt hiermit.“

Allerdings prüft das Kaltwalzunternehmen weiterhin Alternativen, um grünen Wasserstoff - alleine oder mit Partnerunternehmen - zu erzeugen. Man führe hierzu vielversprechende Gespräche, so Prinz. „Parallel erfolgt auch die Eruierung alternativer Lösungsansätze, um die deutschen Standorte der Bilstein Group bis 2035 CO₂-neutral betreiben zu können.“

„Die Erzeugungskosten für grünen Wasserstoff sind exorbitant hoch, der wirtschaftliche Einsatz von grünem Wasserstoff in der Industrie heute sehr herausfordernd.“

Tina Prinz,
Sprecherin Bilstein Group

Hohe Kosten

Die in Medienberichten aufgegriffene Entscheidung des Thyssenkrupp-Konzerns, den Stopp des Baus einer auf grünen Wasserstoff ausgelegten Direktreduktionsanlage zu prüfen, sei in diesem Kontext als „deutliches Warnsignal“ zu sehen. „Die Erzeugungskosten für grünen Wasserstoff sind exorbitant hoch, der wirtschaftliche Einsatz von grünem Wasserstoff in der Industrie stand heute sehr herausfordernd.“

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Netzentgelte belasten

Neben technischen Hürden bleibe insbesondere die bereits deutlich angestiegenen und perspektivisch weiter ansteigenden Netznutzungsentgelte, die die Energiekosten massiv erhöhen, ein massiver Störfaktor „sowohl für die Entwicklung der Industrieproduktion in Deutschland insgesamt als auch für die Umstellung industrieller Prozesse auf CO₂-Neutralität.“ Auch hier seien schnelle politische Lösungen gefragt, so Prinz.

Grüner Strom als Alternative?

Das Kaltwalzunternehmen C.D. Waelzholz aus dem Lennetal will bis 2045 klimaneutral produzieren und muss dafür mittelfristig Erdgas durch andere Energieträger ersetzen. Da grüner Wasserstoff eine Option ist, habe man sich im Projekt „ZukunftRuhr“ engagiert, sagt Katrin Grigolo von C.D. Waelzholz auf Anfrage. Die aktuellen Preise seien aber auch ein Grund dafür, dass der Einsatz von Wasserstoff für Unternehmen in der Region selbst bei vorhandener Infrastruktur nicht wirtschaftlich wäre.

„Es fehlt derzeit an Planungssicherheit. Und deshalb müssen wir abwarten, um absehen zu können, ob sich die Investitionen in den notwendigen Netzumbau überhaupt lohnen.“

Kathrin Grigolo,
C.D. Waelzholz

Waelzholz fehlt Planungssicherheit

„Eine Alternative ist der Einsatz von grünem Strom, da hier die variablen Kosten trotz hoher Anfangsinvestitionen bisher deutlich geringer sind“, so Grigolo weiter. „Allerdings ist unklar, ob die Netzstabilität überhaupt ausreicht.“ Es fehle derzeit an Planungssicherheit. „Und deshalb müssen wir abwarten, um absehen zu können, ob sich die Investitionen in den notwendigen Netzumbau überhaupt lohnen. Fakt ist: Das Brückenmedium ist und bleibt Erdgas.“

Das Stammwerk von C.D. Wälzholz im Lennetal. Bis 2045 will das Kaltwalzunternehmen klimaneutral produzieren.
Das Stammwerk von C.D. Wälzholz im Lennetal. Bis 2045 will das Kaltwalzunternehmen klimaneutral produzieren. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Service | Hans Blossey

„Wasserstoff ist für uns eine entscheidende Säule auf dem Weg zur klimaneutralen Produktion und wir bereiten uns intensiv auf den Einsatz von Wasserstoff vor, um diesen unmittelbar nutzen zu können, sobald er (flächendeckend) verfügbar ist.“

Niklas Bruderreck,
Thyssenkrupp Hohenlimburg

Der Mittelband-Spezialist Thyssenkrupp Hohenlimburg setzt trotz Herausforderungen weiter auf grünen Wasserstoff für die Zukunft. Man bereite sich intensiv auf den Einsatz von Wasserstoff vor, um diesen unmittelbar nutzen zu können, sobald er (flächendeckend) verfügbar ist, betont Niklas Bruderreck, Thyssenkrupp Hohenlimburg, auf Anfrage.

„Alle aktuellen und zukünftigen Projekte, die sich mit der Erwärmung von Vormaterial oder auch gewalzten Coils befassen, werden den molekularen Brennstoff Wasserstoff berücksichtigen. Das heißt, alle für die Produktion und Veredelung von Stahl notwendigen Thermoprozessanlagen werden für die Verbrennung von Wasserstoff ertüchtigt.“ Parallel prüfe Thyssenkrupp Hohenlimburg intensiv auch hybride Konzepte, bei denen Strom und Wasserstoff als Energieträger verwendet werden. Doch die eigene Dekarbonisierungsstrategie greife deutlich umfassender, verweist Bruderreck auch auf das Werk in Oege, das mit lokal erzeugtem Strom aus dem Windpark Hohenlimburg beliefert wird.