Hagen. Zwei Fraktionen haben sich für die Fällung der Roteiche am Hengsteysee in Hagen ausgesprochen. Allerdings gibt es offenbar noch eine Alternative.
Wie ist es jetzt endgültig bestellt um einen der populärsten Bäume auf dem Gebiet der Stadt Hagen? Schlecht, wenn man an die politischen Diskussionen der letzten Tage denkt, in denen sich eine Mehrheit - wenn auch mit Bedauern - für ein Abholzen der zwar vorgeschädigten, aber standsicheren Roteiche am Hengsteysee ausgesprochen hat. Final entschieden ist noch nichts. Und wenn man auf Recherchen von Antje Selter, Vorsitzende des Naturschutzbeirats, blickt, gibt es durchaus Hoffnung.
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Vier Lösungen stehen noch im Raum.
1. Die Umfahrung
Die Roteiche bleibt erhalten. Der Ruhrtalradweg, der an dieser Stelle verläuft, macht künftig über das Gelände des Kanuclubs einen Bogen um jenen Baum, für dessen Erhalt sich so viele Hagener starkgemacht haben. Der Haken: Diese Maßnahme ist teuer. Richtig teuer. Mehr als 200.000 Euro sind fällig, um den Baum, von dem niemand genau sagen kann, wie viel Lebenszeit ihm noch bleibt, auf diese Weise zu erhalten. Flächen müssen erworben werden, eine Mauer müsste versetzt, das Wurzelwerk des Baumes aufwändig gesichert werden.
Dieses Geld müsste zwar nicht komplett aus der Hagener Stadtkasse, für die der Kämmerer gerade eine Ausgabensperre verhängt hat, kommen. Trotzdem bleiben es öffentliche, also Steuergelder, die in die Rettung fließen würden. Wörtlich heißt es in einer Vorlage, in der die Verwaltung diese Lösung beschreibt, mit Blick auf Einsparungen an anderer Stelle: „Es ergibt sich durch die Verrechnung der Zusatzkosten lediglich eine Kostensteigerung von 99.066,20 Euro.“
Lediglich die Grünen, die eigentlich Lösung 2 favorisieren, könnten sich auch mit dieser Lösung anfreunden. CDU und SPD, die gemeinsam eine Mehrheit im Rat haben, lehnen mit Verweis auf die hohen Kosten dankend ab. Paul Kahrau (Bündnis 90/Die Grünen) sagt hingegen: „Wir sollten dem Willen der Bürger folgen und den Baum erhalten.“
2. Erhalt des Status quo
Alles bleibt (fast), wie es ist. Dieser Vorschlag ist - bei aller Bescheidenheit - in einer Konferenz der Stadtredaktion Hagen entstanden und in einem Kommentar öffentlich geworden. Dahinter steckt folgende Idee: Der Radweg wird von beiden Seiten bis zur Roteiche ausgebaut. Auf Schildern werden dann die Radfahrer gebeten abzusteigen, zu schieben und für einen kurzen Moment innezuhalten, weil an dieser Stelle die Natur Vorfahrt hat. Das wäre auf der langen Strecke zwischen Winterberg und Duisburg einzigartig und ein Alleinstellungsmerkmal, mit dem Hagen sogar werben könnte.
Der Naturschutzbeirat, ein Gremium, das beraten, aber nicht entscheiden darf und in dem unter anderem Vertreter von Umweltverbänden zusammenkommen, hat sich diese Idee in seiner Empfehlung zu eigen gemacht. Nahezu alle Fraktionen im Umweltausschuss fanden den Vorschlag gut, haben sich aber letztlich dagegen ausgesprochen. Denn zuvor hatte Umweltdezernent André Erpenbach erklärt, dass in diesem Fall der Wegfall sämtlicher Fördermittel für den Ausbau des Radwegs drohe.
Dem aber, so haben Gespräche von Antje Selter mit der Bezirksregierung ergeben, ist offenbar nicht so: „Nach allem, was ich bisher aus der Verwaltung der Stadt gehört habe, war ich wirklich verwundert - aber in einem Telefonat hat der Fördergeber mir erklärt, dass der Zuschuss lediglich neu berechnet werden müsste, da ja ein kleiner Teil des Radwegs bei dieser Variante nicht ausgebaut würde. Von einem Wegfall der kompletten Förderung kann also nicht die Rede sein.“ Auch unsere Zeitung weiß aus sicherer Quelle, dass die komplette Summe (immerhin rund 1,5 Millionen Euro) keineswegs pauschal infrage gestellt wird. Eine offizielle Antwort auf diese Frage konnte die Pressestelle der Bezirksregierung innerhalb von zwei Tagen nicht geben. Man prüfe den Sachverhalt.
3. Die Trennung der Wege
Lösung drei ist gar nicht (mehr) diskutiert worden. Antje Selter bringt sie nach dem Telefonat mit der Bezirksregierung ins Spiel: „Man kann Rad und Fußweg vor dem Kanuklub trennen und die Radfahrer über die Seestraße führen. Beide Wege laufen dann hinter dem Hengsteybad wieder zusammen. Die Roteiche und auch die ja verbleibende Engstelle vor dem Steg des Kanuclubs werden so weiträumig umfahren.“
Diese Lösung, die den Baum erhalten würde, sei auch von der Bezirksregierung immer favorisiert worden, letztlich aber an der Sturheit der Stadt Hagen gescheitert. Das versichert Selter nach ihren Recherchen. Es gibt einen Haken: Radfahrer würden - so sie nicht absteigen und ein längeres Stück schieben - auch am neu geschaffenen Beachclub vorbeigeführt. Eine Alternative: Noch vor dem Bad (aus Richtung Norden kommend) werden die Radfahrer über einen Stich der Seestraße zurück zum See geführt. Bei dieser Variante müssten sie relativ scharf um die Ecke abbiegen.
Für diese Version müsste, so Selter, der Antrag auf Förderung lediglich abgeändert werden. Der Verlust von Geldern, so versichert sie, drohe nicht.
4. Die Fällung der Roteiche
Sowohl CDU als auch SPD haben sich - schweren Herzens - im Umweltausschuss für diese Variante ausgesprochen. Allerdings - zumindest wenn man den Recherchen von Antje Selter folgt - ohne genaue Kenntnis aller Alternativen und der Auswirkungen. Denn Umweltdezernent André Erpenbach, Jurist von Haus aus, hatte ja (siehe oben) eindringlich vor dem Verlust der kompletten Förderung gewarnt.
Entsprechend hatten sich die Sprecher am Dienstag positioniert: „Was die Bezirksregierung entscheidet, ist nur schwer nachvollziehbar“, hatte Werner König da erklärt, sich letztlich aber für eine Fällung ausgesprochen. Das unter der Bedingung, dass durch Neupflanzungen ein Ausgleich geschaffen werde, der den Verlust des Baumes um das Doppelte überkompensiere.
Diese Variante favorisierte auch die CDU: „Wir haben ja den Willen, den Baum zu erhalten“, so Jörg Klepper, „aber die Mittel, die für die Rettung eines einzigen Baumes aufgewendet werden sollen, sind deutlich zu hoch.“ Letztlich schaffe man mit dem Ausbau des Ruhrtalradwegs ein attraktives touristisches Angebot. Eine Förderung dürfe man daher nicht aufs Spiel setzen.
Der Rat muss entscheiden
Erstmals öffentlich gemacht hat die neuen Erkenntnisse Christa Stiller-Ludwig (Mitglied im Naturschutzbeirat und einst in Diensten der Stadtverwaltung Hagen) im Bauausschuss am Donnerstagabend. „Wir haben die Ausführungen mit einem gewissen Erstaunen zur Kenntnis genommen“, sagt Klepper, Vorsitzender des Ausschusses auf WP-Anfrage. „Wir haben die Verwaltung aufgefordert, jetzt endlich bis zur Ratssitzung Klarheit zu schaffen. Wir brauchen eine verlässliche Basis, auf der wir dann entscheiden können.“
Denn: Wie genau es mit der Roteiche weitergeht - diese Entscheidung muss letztlich der Rat der Stadt Hagen treffen. Er tagt am Donnerstag, 19. September, ab 15 Uhr. Die Sitzung ist öffentlich.