Schwelm. Finanzkrise: Schwelm plant mit Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen. Die FDP spricht von Vertuschung und droht mit rechtlichen Schritten.

Es war nicht weniger als eine richtungsweisende Ratssitzung, in der Schwelm sich am Donnerstagabend auf den Weg in eine schwer abwägbare Zukunft gemacht hat. Die Politik hat den Finanzplan der Stadt für dieses und das kommende Jahr mehrheitlich beschlossen. Etwas mehr als zwölf Millionen Euro Minus schlagen dabei für 2024 zu Buche. Im Jahr 2025 sind es mehr als 15,5 Millionen Euro, die unter dem Strich fehlen.

Ebenfalls beschlossen ist nun, wie die Stadt Schwelm in den kommenden zehn Jahren sparen möchte, um finanziell wieder auf einen grünen Zweig zu kommen. Das sogenannte Haushaltssicherungskonzept sieht unter anderem die Erhöhung der Grundsteuern A und B ab 2026, der Gewerbesteuer ab 2031, aber auch weiterer Steuern und verschiedener Gebühren vor - zum Teil auch schon für dieses Jahr. Gleichzeitig möchte die Stadt ab 2025 sukzessive Personal abbauen, eine von mehreren Sparmaßnahmen.

Die Schwelmer Politik reagiert auf der einen Seite mit Verständnis für die prekäre Lage der Stadt und spart dabei auch nicht an Kritik gegenüber der Landes- und der Bundesregierung, die aus Sicht einzelner Fraktionen die Kommunen zusätzlich belasten und im Stich lassen. Kritik gibt es aber auch an der Stadt Schwelm selbst. Hier schießt vor allem die FDP scharf gegen die Verwaltung und kündigt sogar rechtliche Schritte an.

Rede von schwierigen Bedingungen

Thorsten Kirschner, SPD
Thorsten Kirschner, SPD © Partei | Partei

Thorsten Kirschner eröffnete als Vorsitzender der SPD-Fraktion am Donnerstagabend den Reigen der Haushaltsreden. „Besonders bitter ist, dass das Land Nordrhein-Westfalen die von der früheren schwarz-gelben Landesregierung eingerichteten Bilanzierungshilfen für Corona und Ukrainiekrieg ersatzlos gestrichen hat, ohne für die kommunalen Haushalte eine sinnvolle Alternative zu schaffen“, so Kirschner. Er sprach von einer strukturellen Unterfinanzierung der Gemeinden, die immer Aufgaben schultern müssten. „Der Doppehaushalt 2024/2025 darf zurecht als Haushalt der gemeinsamen Kraftanstrengung bezeichnet werden“, fuhr der SPD-Fraktionschef fort. „Auf uns alle werden in den kommenden Jahren leider unausweichliche Mehrbelastungen zukommen.“ Gleichzeitig sieht Kirschner in den Plänen der Stadt aber auch einen Haushalt der Stabilität und Planbarkeit - dank notwendiger Investitionen - sowie einen Haushalt der Seriösität. „Das bedeutet für uns, die Zukunft nicht schönzurechnen“, betonte Kirschner. Vielmehr sollten Belastungen eingeplant und so gut es geht abgewendet werden, womit er auch auf Steuererhöhungen blickt.

Michael Müller, CDU
Michael Müller, CDU © Partei | Partei

Michael Müller, Vorsitzender der CDU-Fraktion, kam ebenfalls auf die schwierigen Rahmenbedingungen für die Kommunen zu sprechen. „Die Altschulden-Hilfe kam nicht wie erwartet zustande“, sagte er. Das neue Angebot sei nur ein Silberstreif am Horizont. Dabei machte er auch die Migrationspolitik zum Thema und betonte gleichzeitig: „Wir nehmen unsere humantäre Verantwortung ernst.“ Die Stadt Schwelm hat sich laut Müller nun viele Sparverpflichtungen auferlegt, die auch auf Skepsis stießen. „Hoffen wir, dass die Ampel das Ruder ‘rumreißt und bessere Bedingungen schafft“, so der CDU-Fraktionschef. Trotzdem müsse Schwelm über alternative Finanzierungen sprechen und auch Bauvorhaben diskutieren.

Marcel Gießwein, Grüne
Marcel Gießwein, Grüne © Partei | Partei

Marcel Gießwein, Fraktionsvorsitzender der Grünen, sprach von einem Sparhaushalt, der bei allen Zumutungen dennoch, da wo möglich, einigermaßen ausgewogen sei. „Der geplante Stellenabbau geschieht mit Augenmaß und nur nach vorhandenen Möglichkeiten“, so Gießwein. Es sei eine Maßnahme, die die Grünen - wenn auch mit erheblichen Bauchschmerzen - mittragen. Klar sei aber auch, dass erhebliche Einschnitte im Haushalt vorgenommen würden, die für alle Menschen in Schwelm spürbar sein werden. „Das ist nicht schön, aber leider ist es auch unausweichlich“, machte Gießwein klar. Steuererhöhungen der Grund- und Gewerbesteuer gelte es so weit wie möglich zu begrenzen. Auf Gießweins Sicht trägt der Haushalt dank verschiedener Investitionen und Maßnahmen auch eine grüne Handschrift.

FDP sieht Täuschung von Rat und Bürgern

Michael Schwunk, FDP
Michael Schwunk, FDP © Metallarbeitgeber | Metallarbeitgeber

Scharfe Kritik kam von Michael Schwunk, dem Fraktionsvorsitzenden der FDP. „Die Finanzlage dieser Stadt ist desolat. Dieser Haushaltsbeschluss muss mit einem Aufschrei der Jugend und jüngeren Menschen der jüngeren Generation verbunden werden, wie die Zukunftschancen dieser Stadt in Frage gestellt werden“, legte er los. Spätestens zum 31. Dezember 2025 werde das Eigenkapital der Stadt Schwelm aufgebraucht sein. Erst 2034 werde durch massive Gewerbesteuererhöhungen ein ausgeglichener Haushalt erreicht. Bis 2034 werde die Stadt von einer unvorstellbaren Schuldenlast erdrückt.

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Die Zinsen für weitere Kredite stellt die Stadt nach Auffassung der FDP nicht richtig dar. Schwunk bezeichnete das als Täuschung des Rates und der Bürger. „Sagen Sie den Schwelmern die Wahrheit oder teilen Sie die sich aus den notwendigen Investitionen ergebenden Belastungen mit“, wurde Schwunk deutlich. Das sei für die FDP auch ein klares Erfordernis der kommunalen Haushaltsverordnung. „Das werden wir sicher rechtlich überprüfen lassen“, kündigte er an.

Ufuk Ergen, BIZ
Ufuk Ergen, BIZ © Partei | Partei

Auch die Vertreter der kleineren Fraktionen äußerten sich während der Ratssitzung zum Haushalt. So blickte Ufuk Ergen, BIZ-Fraktionsvorsitzender, vor allem auf das städtische Personal und kam auf die Mitarbeitenden-Befragung und die Entwicklung eines Leitbildes zu sprechen. Die Stadt muss aus seiner Sicht als Arbeitgeberin attraktiv sein. „Wir stimmen den geplanten Kürzungen im Personalbereich nicht zu“, sagte Ergen. Den Haushalt deswegen ablehnen wolle die BIZ aber auch nicht, weshalb sich die Fraktion bei der Abstimmung enthalte.

Auch Kürzungen bei Politik entschieden

Der Schwelmer Rat hat in seiner Sitzung am Donnerstag auch über diverse politische Anträge abgestimmt, in denen es auch um Einsparungen aufseiten der Fraktionen geht - beispielsweise die Verkleinerung des Rates oder die Kürzungen der Fraktionszuwendungen. Weitere Anträge - zum Desksharing im neuen Rathaus oder auch dem Haushaltssicherungskonzept - wurden ebenfalls beschieden. Eine ausführliche Berichterstattung hierzu folgt.

Jürgen Kranz, SWG/BfS
Jürgen Kranz, SWG/BfS © WP | Partei

Jürgen Kranz, Vorsitzender der Fraktion SWG/BfS, hält die Haushaltssicherung für unausweichlich. Für ihn hängen die finanziellen Probleme der Stadt Schwelm vor allem mit der Unterfinanzierung durch das Land NRW zusammen. Die aktuellen Bauprojekte in Schwelm sind aus seiner Sicht wichtig. Kranz fragte mit Blick auf Kredite und Zinsen aber auch rethorisch: „Wie viel können wir noch an der Steuerschraube drehen? Wo stehen wir in zehn Jahren, wenn der Haushalt ausgeglichen ist?“ Das Haushaltssicherungskonzept sei mit kritischen Augen im Blick zu halten.

Karsten Müller, Linke
Karsten Müller, Linke © Partei | Partei

Karsten Müller, Vorsitzender der Linken-Fraktion, kündigte an, dass seine Fraktion gegen den Haushalt stimmen werde. „Wir finden uns da zu wenig wieder“, erklärte er. „Was mir fehlt, ist das Gefühl, wirklich mal die Wahrnehmung zu ändern.“ Ein gewisser Bevölkerungsteil werde nicht wahrgenommen.

Bürgermeister spricht von Meilenstein

Mit überwiegender Mehrheit stimmte der Rat am Donnerstag für den Doppelhaushalt 2024/2025 und das damit einhergehende Haushaltssicherungskonzept. FDP- und Linken-Fraktion stimmten wie angekündigt dagegen. Die BIZ-Fraktion enthielt sich der Abstimmung.

„Ich freue mich über die breite Zustimmung für den Doppelhaushalts-Entwurf“, sagte Schwelms Bürgermeister Stephan Langhard anschließend. Für ihn geht es darum, sicherzustellen, dass die Stadt weiter als zuverlässiger Dienstleister der Bürgerinnen und Bürger gesehen wird. „Der Beschluss über den Haushalt ist ein Meilenstein auf dem Weg zur Konsolidierung“, betonte der Bürgermeister.

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