Balve/Menden. Wer durch eine Diagnose oder eine Lebenskrise an seine Grenzen gerät, findet oft in Selbsthilfegruppen Halt. So entstehen die Gruppen.
Ina Rath und Tina Stahlschmidt arbeiten für Der Paritätische NRW, Selbsthilfe-Kontaktstelle Märkischer Kreis. Die beiden sind Expertinnen zu allen Fragen rund um Selbsthilfegruppen.
Was genau verstehen Sie unter Selbsthilfe?
Ina Rath und Tina Stahlschmidt: In Selbsthilfegruppen finden sich Menschen zusammen, die die gleiche Krankheit haben oder sich in einer ähnlichen Lebenskrise oder herausfordernden sozialen Lebenssituation befinden. In regelmäßigen Treffen tauschen sie sich aus, geben Informationen, Erfahrungen und Wissen weiter, unterstützen und motivieren sich untereinander.
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Die gesundheitsbezogene Selbsthilfe hat sich in Deutschland zur vierten Säule des Gesundheitswesens etabliert. Sie unterstützt mit ihren Angeboten und Aktivitäten die professionellen Angebote des Gesundheitswesens, schließt Versorgungslücken und ist ein wichtiger Bestandteil der deutschen Gesundheitslandschaft.
Was macht die Selbsthilfekontaktstelle?
Wir, die Selbsthilfe-Kontaktstelle Märkischer Kreis, sind eine professionelle Beratungsstelle für alle Menschen, die eine Selbsthilfegruppe suchen oder eine Selbsthilfegruppe gründen wollen. Außerdem unterstützen wir bestehende Selbsthilfegruppen im Kreis bei ihrer Arbeit. Alle Menschen, die sich für Selbsthilfe interessieren, können sich an uns wenden. Unser Angebot ist kostenlos und unabhängig. Wir behandeln alle Anfragen und Anliegen vertraulich und beraten auf Wunsch auch anonym.
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Die Selbsthilfekontaktstelle unterstützt bestehende Selbsthilfegruppen, hilft bei der Gründung neuer Gruppen und bei der Antragstellung auf finanzielle Förderungen. Außerdem gibt die SHK der Selbsthilfe eine Stimme in Gremien und Netzwerken, organisiert Veranstaltungen und Schulungen für sowie mit der Selbsthilfe.
Wie läuft es ab, wenn jemand eine Selbsthilfegruppe gründen möchte?
Was beim Gründen einer Selbsthilfegruppe zu beachten ist:
- vom Gruppenthema betroffen sein (selbst oder als Angehörige/r)
- über Verantwortungsbewusstsein, Zuverlässigkeit und Strukturiertheit verfügen
- verschwiegen sein
- regelmäßig Zeit haben, an den Treffen teilzunehmen
- Grenzen setzen können
- in der Lage sein, Aufgaben abgeben zu können
- wissen, dass es um einen Austausch von Erfahrungswissen auf Augenhöhe geht
Es gibt drei Möglichkeiten. Im ersten Fall wendet sich jemand an uns, der eine Selbsthilfegruppe zu einem bestimmten Thema sucht. Wir schauen dann, ob es eine Gruppe gibt, in die wir vermitteln können. Ist dies nicht der Fall, überlegen wir gemeinsam mit der interessierten Person, ob eine neue Gruppe gegründet werden soll. Ist dies der Fall, suchen wir nach weiteren interessierten Menschen und nutzen hierfür neben unserem Netzwerk auch zum Beispiel Pressemitteilungen oder die Veröffentlichung auf unserer Homepage und in unserem Newsletter.
Die Menschen, die an der Gruppe teilnehmen möchten, melden sich bei uns, wir sammeln diese, stimmen ein Datum für ein Gründungstreffen ab, suchen einen passenden Raum und begleiten die Gründungsphase der Gruppe. Die Person, die den Gründungswunsch hatte, muss nicht zwingend Verantwortung für die Gruppe übernehmen, aber die Gruppe muss es tun. Danach sind wir weiterhin ansprechbar für die Gruppe.
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Im zweiten Fall kommt jemand direkt mit einem konkreten Gründungswunsch auf uns zu. Oft will diese Person Verantwortung übernehmen und hat konkrete Vorstellungen, wie es laufen soll. Wir unterstützen, wenn es nötig ist und bieten das gleiche Vorgehen wie im ersten Fall an.
Im dritten Fall hat die Gruppe sich alleine gegründet oder wurde von einer anderen Organisation (zum Beispiel Bundes- oder Landesverband) unterstützt. Wir müssen bei keiner Gründung dabei sein, sind aber gerne behilflich.
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Gibt es Unterstützung bei der Organisation (wie findet man den passenden Raum? Wie findet man Mitglieder?)?
Ja, wir unterstützen auch in diesem Fall. Wir haben ein gutes Netzwerk im Märkischen Kreis und bieten Personen auch einen Schutzraum, wenn sie nicht in der Öffentlichkeit stehen wollen. Wir sind dann als Kontaktstelle angegeben.
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Wie viele Selbsthilfegruppen gibt es in Menden und wie viele in Balve? Und wie viele im Märkischen Kreis?
In Menden und Balve gibt es nach unserem Wissen 15 Selbsthilfegruppen. Keine Selbsthilfegruppe ist gezwungen, sich bei uns zu melden, wir freuen uns aber darüber und können nur so in alle Gruppen vermitteln. Im Märkischen Kreis sind uns über 150 Selbsthilfegruppen bekannt.
Gibt es finanzielle Förderungen? Was muss da beachtet werden?
Für die Basisarbeit einer Selbsthilfegruppe, nämlich den Erfahrungsaustausch von Betroffenen, reicht es, sich als loser Zusammenschluss zu treffen und in der Regel werden keine Finanzen benötigt.
Ja, es gibt finanzielle Förderungen für Selbsthilfegruppen über zum Beispiel die Krankenkassen, den Kreis und auch einige Städte fördern die ansässige Selbsthilfegruppe. Gesundheitsbezogene Selbsthilfegruppen können bei den gesetzlichen Krankenkassen eine Pauschalförderung beantragen, beispielsweise für die Mietkosten des Gruppenraums. Es gibt auch die Möglichkeit, eine so genannte Projektförderung bei der Krankenkasse zu beantragen, zum Beispiel für besondere Aktivitäten mit eindeutigem Gesundheitsbezug.
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Darüber hinaus gibt es aber auch weitere Förderungen, die zum Beispiel bei bestimmten Erkrankungsbildern ausgeschüttet werden. In der Regel ist jede Förderung an bestimmte Richtlinien geknüpft, die individuell sind, wie zum Beispiel der Ort, wo die Gruppe ansässig ist, die Gruppengröße, das Thema der Selbsthilfegruppe etc.. Oftmals sind auch Fristen zu beachten, bis wann eine Förderung beantragt werden muss. Gerne informieren wir über Details.
Zu welchen Bereichen gibt es die meisten Selbsthilfegruppen in Menden und in Balve?
Demenz, pflegende Angehörige, Sucht und psychische Erkrankungen (Depressionen) sind am meisten Vertreten. Es gibt aber auch Themen wie: Osteoporose, Polyarthritis und Hautkrebs.
Gibt es Themen, bei denen aus Ihrer Sicht eine Selbsthilfegruppe keinen Sinn macht?
Nein, jedes Thema hat seine Berechtigung, aber es gibt Themen, die der Paritätische nicht unterstützt.