Hagen. Sechs Mitglieder im Naturschutzbeirat Hagen treten zurück. Sie fühlen sich ausgebootet. Das sind die Hintergründe.
Paukenschlag im Rathaus Hagen: Sechs Mitglieder des Naturschutzbeirates, darunter der gesamte Vorstand, sowie zwei stellvertretende Mitglieder, gaben am späten Dienstagnachmittag in der Sitzung des Gremiums ihren Rücktritt bekannt. Die ehrenamtlichen Naturschützer beklagen die Geringschätzung von Umwelt- und Klimathemen bei der Stadtspitze und Politik, fehlende Transparenz und einen teilweise rüden Umgangston.
„Ich habe mich wirklich reingekniet und für den Naturschutz gekämpft“, so Antje Selter, die dem Gremium seit gut einem Jahr vorsitzt: „Aber unter diesen Voraussetzungen ist eine Mitarbeit sinnlos. Und meine Freizeit ist mir zu schade, als dass ich mich noch unter Druck setzen und gängeln lassen muss.“
Kahlschlag am Hohenhof bringt Fass zum Überlaufen
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Neben Frau Selter treten auch ihre beiden Stellvertreter Dr. Christian Hülsbusch und Bernd Boeker sowie der ehemalige Vorsitzende Wilhelm Bögemann, Timothy Drain und Joachim Freier zurück. Unstimmigkeiten zwischen Stadtverwaltung und Naturschützern gab es nach Auskunft von Frau Selter schon lange, das Fass zum Überlaufen brachte jedoch der Kahlschlag am Hohenhof.
Während einer Begehung des Geländes sei dem Naturschutzbeirat versichert worden, es werde „hier und da“ ein Baum gefällt, so Frau Selter. Nachdem das ganze Desaster bekannt geworden sei, habe sie sich hinters Licht geführt gefühlt, so Antje Selter. Zudem habe die Begehung am gleichen Tag wie die Ratssitzung, in der über die Fällungen abgestimmt worden sei, stattgefunden – möglicherweise in der Absicht, dem Naturschutzbeirat jede Protestmöglichkeit gegen den Kahlschlag zu nehmen. Dennoch habe sie weiter recherchiert und herausgefunden, dass 76 statt der von Baudezernent Keune angekündigten 28 Bäume umgehauen worden seien. „Die Natur besitzt bei der Stadtspitze keine Wertschätzung.“
Per Facebook informiert
Auch über die Fällungen am Weißenstein in Hohenlimburg sei der Naturschutzbeirat nicht informiert worden, berichtet Antje Selter: „Davon habe ich bei Facebook erfahren.“ Die Untere Naturschutzbehörde, die zum Umweltamt gehört, lasse die Naturschützer am langen Arm verhungern: „Wenn wir bei einem Thema nachfragen, kriegen wir einfach keine Antwort.“
Zerrüttet aber ist nach Aussage von Beiratsmitgliedern vor allem das Verhältnis zu Baudezernent Henning Keune. Dieser habe den Naturschutzbeirat, der eine beratende Funktion hat und selbst nicht entscheiden kann, nach rund 30 Jahren aus der Beratungsfolge zahlreicher Sachthemen eliminiert, so Bögemann, der zehn Jahre lang das Gremium führte: „Somit war eine Ära der Beteiligung zu Ende.“
Nicht zur Marionette der Politik
Der aus Villingen/Schwenningen gekommene Dezernent kenne Kritik nicht, sei sachlichen und kritischen Argumenten ohnehin nicht zugänglich und habe das „Machtvakuum“ in der Umweltbehörde als deren kommissarischer Leiter genutzt, einen unbequemen „Gegner“ beiseite zu schieben. „Sicherlich wohlwollend von diesem Oberbürgermeister, aber auch von einigen Genossen unterstützt, die insbesondere bei Bebauungsfragen die Auffassungen des Naturschutzbeirates nicht gern gehört haben“, so Bögemann. „Ich habe nicht vor, mich zur Marionette der Hagener Politik und Verwaltung machen zu lassen.“
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„Was hier passiert ist, ist sehr schade“, erklärte Thomas Köhler, Leiter des Fachbereichs Umwelt der Stadt Hagen noch in der Sitzung. „Auch die Umweltverwaltung würde sich gelegentlich mehr Gehör wünschen.“ Köhler hob die Bedeutung der ehrenamtlichen Unterstützung für ihn und seine Mitarbeiter hervor. „Wir als Umweltamt haben das Gremium so begleitet, wie wir es können. Von daher freue ich mich, dass die Geschäftsstelle von der Kritik ausgenommen ist.“
Stadt steht vor Scherbenhaufen
Nun, so Köhler, stehe man vor einem Scherbenhaufen, den man kitten müsse. Er kündigte an: „Wir werden nicht davon ablassen, für den Umweltschutz zu kämpfen. Ich hoffe, dass viele dabei bleiben und dass das Gremium wieder arbeitsfähig wird.“
Baudezernent Henning Keune hat auf eine Angebot dieser Zeitung zur Stellungnahme nicht direkt reagiert. Stattdessen erklärt Stadtsprecherin Clara Treude: „Die Funktion und die Aufgaben des Naturschutzbeirates sind gesetzlich geregelt und können nicht durch den Leiter der Umweltbehörde bzw. den zuständigen Dezernenten verändert werden.“
Und weiter: „Der Naturschutzbeirat ist ein Fachgremium, welche vor allen wichtigen Entscheidungen und Maßnahmen der Unteren Naturschutzbehörde zu hören und rechtzeitig zu unterrichten ist. Was die Einbindung des Naturschutzbeirates in den politischen Beratungsgang bei städtischen Maßnahmen mit Umwelt- bzw. Naturschutzrelevanz anbelangt, ist zu berücksichtigen, dass der Naturschutzbeirat weder ein Ausschuss noch ein Unterausschuss oder eine Kommission im Sinne der Geschäftsordnung des Rates ist.“