Hochsauerlandkreis. In Deutschland ist die Zahl der tödlichen Verkehrsunfällen auf Landstraßen besonders hoch. Das gilt auch für den HSK. Was sie so gefährlich macht
Sabine Flottmann wohnt in Oberschledorn an einer Landstraße. Tagsüber geht es mit dem Verkehr. Wenn sie nach 20 Uhr mit ihrem Hund rausgeht, oder noch später, rasen die Autos mit 80 oder 100 km/h an ihr vorbei durch das Dorf. „Vor allem wenn es dunkel wird, hasse ich es.“ Landstraßen sind gefährlich. Auf deutschen Landstraßen sterben im Schnitt jeden Tag vier Menschen. Die Wege sind mit Abstand die tödlichsten Verkehrswege, mehr als die Hälfte der Getöteten im Straßenverkehr kommt durch Unfälle auf Landstraßen ums Leben. Im Hochsauerlandkreis waren es 2023 rund 36 Prozent. Die Polizei versucht, gegen die Gefahr vorzugehen. Doch warum sind die Landstraßen eigentlich so gefährlich?
11 tödliche Unfälle im HSK: Vier davon auf Landstraßen
Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat hat 2020 eine Studie herausgegeben, in der es heißt, dass 58,6 Prozent aller Verkehrstoten auf Landstraßen ums Leben kommen. Pressesprecher Gillian Daude von der Polizei im Hochsauerlandkreis sagt nach Rücksprache mit der regionalen Direktion Verkehr: „Die hier dargelegten Fakten sind grundsätzlich immer noch zutreffend.“ Fast 50 Prozent der Befragten in der Studie geben an, dass sie mindestens einmal in eine kritische Situation mit dem Gegenverkehr gekommen seien. Ein Viertel hatte bereits mindestens einen Unfall auf einer Landstraße. Die HSK-Verkehrsunfallstatistik 2023 spricht von 11 tödlichen Unfällen im Straßenverkehr. Vier davon ereigneten sich auf Landstraßen, darunter zweimal auf der L549 in Marsberg, auf der L519 sowie auf der L686, beide liegen bei Sundern.
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Besonders gefährlich sind Überholvorgänge auf HSK-Landstraßen
Besonders gefährlich: Überholvorgänge. Das liegt vor allem an überhöhten Geschwindigkeiten und der fehlenden Trennung vom Gegenverkehr. Laut Studie erfolge ein hoher Anteil der tödlichen Überholunfälle aufgrund von eingeschränkter Sichtweite. Knapp die Hälfte der Unfälle während Überholvorgängen passierte 2020 in Deutschland auf Landstraßen. Vor allem PKW-Fahrende würden den Vorgang oft falsch einschätzen, aber auch Motorräder sind oft beteiligt.
Vorfahrtregelung missachtet: Unfall in Sundern endete tödlich
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Dennoch ist die Unfallursache Nummer eins auf Landstraßen erhöhte Geschwindigkeit, gefolgt von nicht beachteten Vorfahrtregelungen. So geschehen bei einem tödlichen Unfall 2023 in Sundern. Ein 90-jähriger Pkw-Fahrer war mit seinem Auto an der Einmündung der K5 aus Richtung Amecke nach links in die L686 in Fahrtrichtung Sundern eingebogen. Dabei missachtete er die Vorfahrt eines LKW-Fahrers, der auf der L686 Richtung Sundern-Seidfeld unterwegs war. Die beiden Fahrzeuge stießen zusammen, der PKW-Fahrer erlitt tödliche Verletzungen.
Unfälle im Gegenverkehr: In Marsberg endete er tödlich
Ein weiterer tödlicher Unfall ereignete sich 2023 auf der L549 bei Marsberg. Ein 39-jähriger Mann fuhr in seinem Wagen von Marsberg in Richtung Essentho. In einer Rechtskurve kam er nach links von seinem Fahrstreifen ab und prallte dort mit einem entgegenkommenden 66-jährigen Motorradfahrer zusammen. Dieser erlag 11 Tage später seinen schweren Verletzungen. Ein Beispiel das zeigt, wie oft Unfälle im Gegenverkehr auf Landstraßen stattfinden. Auf derselben Straße kam im selben Jahr ein 67-jähriger Motorradfahrer ums Leben, er war in einer Gruppe unterwegs, kam in einer scharfen Linkskurve von der Fahrbahn ab und prallte gegen eine Schutzplanke.
Nicht genug Sicherheitsabstand kann gefährlich werden
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Auch ungenügender Sicherheitsabstand sorgt oft für schwere Unfälle auf Landstraßen. 126 Menschen verunglückten 2020 deutschlandweit außerorts tödlich, weil sie nicht genug Abstand gehalten hatten. Nur 2,2 Prozent aller Unfälle deutschlandweit waren Situationen, in denen ein Auto gegen einen Baum prallte. 15 Prozent dieser Unfälle aber endeten tödlich. Eine erschreckende Bilanz.
Polizeipressesprecher im HSK über die Gefahr auf Landstraßen
Daude betont, dass die Studie auch über die Unfallsituation im Hochsauerlandkreis ein gutes Bild abgebe. „Die Kreispolizeibehörde Hochsauerlandkreis führt eine Auflistung der Unfallhäufungsstellen, aus welcher sich aber grundsätzlich keine Aussage zur Gefährlichkeit der einzelnen Straßen ergeben“, räumt er indes ein. „Denn gefährlich ist nicht die Strecke an sich.“ Gefährlich ist laut Polizei im Sauerland das Befahren mit nicht den Straßen- bzw. Wetterverhältnissen angepasster Geschwindigkeit, die Missachtung bestehender Verkehrsregelungen sowie die Fehleinschätzung von Verkehrssituationen - „und das auf allen Straßen.“
Aufgabe der Polizei: Prävention
Ständige Aufgabe der Kreispolizeibehörde Hochsauerlandkreis ist es, die Unfalllage auszuwerten und mit den Straßenverkehrsbehörden des Kreises, der Städte und Gemeinden des Kreises sowie den Straßenbaulastträgern die Unfalllage zu erörtern und gemeinsam Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit zu treffen. Aus polizeilicher Sicht sind zudem noch die repressiven Maßnahmen der Verkehrsüberwachung sowie die präventive Verkehrssicherheitsarbeit anzuführen, die die Landstraßen in der Region sicherer machen sollen.
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1477 Tote in den letzten 50 Jahren im Verkehr im HSK
In der Verkehrsunfallstatistik des HSK 2023 heißt es: „Seit 1975 verloren 1477 Menschen ihr Leben auf unseren Straßen. Jeder Tote zeigt uns, wie wichtig die Verkehrsunfallbekämpfung der Polizei ist! Deshalb ist die neue Fachstrategie Verkehr in Nordrhein-Westfalen auch an dem übergeordneten Leitziel der Vision Zero ausgerichtet.“ Ziel sei es, die Zahl der Verkehrstoten bis 2030 um 40 Prozent zu reduzieren. 2023 war die Zahl der Verkehrstoten noch um 4 Prozent gestiegen. „Es bedarf daher weitergehender Anstrengungen, um die Anzahl der Getöteten und Schwerverletzten im Straßenverkehr nachhaltig und wirkungsvoll zu reduzieren.“
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