Brilon. Die Kanzlerfrage sorgt für Unruhe in der SPD-Basis: Im Sauerland mehren sich Stimmen für Pistorius – doch nicht alle ziehen mit.
Die SPD gleicht in diesen Tagen einem Orchester, das auf der Bühne steht, bereit für die nächste Sinfonie, doch noch herrscht Uneinigkeit darüber, wer den Taktstock führen soll. In den Ortsvereinen des Altkreises Brilon brodelt es – die Frage, wer die Partei in den Bundestagswahlkampf führen soll, treibt die Mitglieder um: Kanzler Olaf Scholz oder Verteidigungsminister Boris Pistorius? Während bisher keine klare Antwort gefunden wurde und jeder seine eigene Melodie spielt, wird die Diskussion zunehmend schärfer. Aus Brilon kommt eine gewichtige Stimme in die bundesweite Debatte. Dirk Wiese, Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der HSK-SPD, hat sich eingeschaltet – und sich indirekt für Boris Pistorius positioniert.
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Bei vielen Parteimitgliedern stößt Wiese damit vermutlich auf offene Ohren. Aus einigen Ortsverbänden der Republik heißt es sogar, sie würden sich weigern, im Wahlkampf das Konterfei von Olaf Scholz zu plakatieren. Gleichzeitig gibt es einige Stimmen, die vor den Risiken eines Kandidatenwechsels warnen. Grund genug, sich einmal bei der SPD-Basis im Altkreis Brilon zu erkundigen
Klare Vorstellungen in Medebach-Hallenberg
Manfred Liebig, Ortsvereinsvorsitzender in Medebach-Hallenberg, hat klare Vorstellungen, wie die Dinge laufen sollten. „Es sollte schnellstens geklärt werden, wie das weitere Vorgehen ist, sodass bis zum Bundesparteitag die Richtung feststeht“, sagt er mit einem Ton, der Dringlichkeit ausstrahlt. Liebig hält Scholz weiterhin für den richtigen Kandidaten – wenn auch mehr aus Respekt vor dem Amt als aus Überzeugung. Doch sein Nachsatz verrät eine Spur von Skepsis: „Das Gremium entscheidet, und da ist vieles möglich.
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SPD Winterberg lobt Pistorius
Ein paar Kilometer weiter, in Winterberg, ist die Stimmung anders. Torben Firley, dortiger Ortsverbandsvorsitzender, hält mit seiner Kritik nicht hinterm Berg. Scholz sei zu eng mit der gescheiterten Ampel verknüpft, die Schuld trage vor allem die FDP, sagt er. „Diese Partei ist nicht mehr regierungsfähig“, so Firley, der sich persönlich für Boris Pistorius starkmacht. Sein Lob für den Verteidigungsminister klingt fast schon wie eine Wahlempfehlung: „Ich schätze ihn sehr.“ Doch auch Firley gibt sich staatsmännisch, wenn er betont, dass die Entscheidung in den Parteigremien getroffen werden müsse.
SPD Olsberg hält sich zurück
Ferdi Wiegelmann, Vorsitzender in Olsberg, möchte nicht im Namen seiner Parteimitglieder sprechen: „Es gibt unterschiedliche Positionen, das wäre unredlich“. Zur aktuellen Debatte hat er aber eine grundsätzliche Meinung: „Diese Hängepartie tut uns nicht gut“. Entscheiden müsse am Ende aber die Parteigremien, so Wiegelmann.
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Briloner SPD steht hinter Wiese
Hubertus Weber, Fraktionsvorsitzender der SPD in Brilon, stellt sich deutlich hinter den Vorschlag von Dirk Wiese: „Wir als SPD in Brilon stehen hinter Dirk Wiese“, betonte Weber und machte gleichzeitig seinem Unmut über die aktuelle Parteiführung Luft. „Die Menschen sprechen uns an und sagen: ‚Mit Olaf Scholz geht es nicht.‘ Auch mir fehlt die Fantasie, wie es am Ende besser werden soll, wenn dieselben Personen wieder aufgestellt werden sollen. Das gilt übrigens auch für die beiden anderen Parteivorsitzenden.“ Trotz seiner Kritik findet Weber auch lobende Worte für Scholz: „Ich halte ihm zumindest zugute, dass er immer auf der Suche nach Kompromissen war.“ Dennoch müsse die SPD über neue Wege und eine klare Zielsetzung nachdenken. „Unser Ziel muss es sein, nach der Bundestagswahl eine stabile Regierung der politischen Mitte zu bilden“, so Weber. Gleichzeitig fordert er eine ambitionierte Perspektive für die Partei: „Die SPD muss es schaffen, die 20-Prozent-Marke, besser noch 22 oder 23 Prozent zu erreichen“. Das werde schwer genug, so Weber abschließend.
Vorsitzender aus Marsberg wünscht sich schnelle Entscheidung
Ralf Walfort, Vorsitzender der SPD in Marsberg, gibt sich neutral. Er wünscht sich eine zeitnahe und eindeutige Entscheidung, vermeidet aber, Position für einen der Kandidaten zu beziehen. „Beide haben Argumente auf ihrer Seite“, sagt Walfort. Innerhalb seines Ortsvereins werde die Diskussion kontrovers gesehen: Einige begrüßen die offene Debatte als Ausdruck demokratischer Kultur, andere warnen vor der Gefahr, dass die SPD kurz vor der Wahl uneinig wirkt. Grundsätzlich unterstütze er, fügt er an, jedoch die Position seines Vorsitzenden Dirk Wiese.
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Entscheidung wird kommen
Möglicherweise sieht die Sache heute Abend (22. November) schon wieder ganz anders aus. Dann will sich die SPD-Parteiführung auf einen Vorschlag für die Kanzlerkandidatur einigen. Ersten Berichten zufolge sei es „sehr, sehr sicher, dass Olaf Scholz Kanzlerkandidat wird“. Ob es Scholz am Ende aber schafft, den Dirigentenstab wieder fest in seine eigene Hand zu nehmen, das wird sich am Ende des Wahlkampfs zeigen.