Hochsauerland. Postkarten tot? Nein! Es gibt Millionen Gründe für den analogen Urlaubsgruß. Warum sie im Sauerland trenden und welche Motive unschlagbar sind.
„Das Wetter ist gut, das Essen auch. Wir haben schon viele Touren unternommen. Viele Grüße aus den Bergen von Heinz und Helga!“ Solche oder ähnliche Postkarten kennen wir alle. Vorne ein idyllisches Panorama mit schneebedeckten Bergspitzen oder palmenumsäumten Stränden und auf der Rückseite die persönlichen Grüße. Aber Frage: Sind Ansichtskarten überhaupt noch „in“? Antwort: Ja!
„Im vergangenen Jahr waren es rund 95 Millionen Postkarten, die die Deutsche Post insgesamt befördert hat. In den Monaten Juni bis August werden traditionell die meisten Karten versendet, vor allem innerhalb Deutschlands. Denn: Urlaubszeit ist Postkartenzeit“, berichtet Rainer Ernzer, Pressesprecher der DHL Group, auf Nachfrage unserer Zeitung. Ob und wie viele Karten aus dem Sauerland verschickt werden, kann er nicht beziffern. Nur so viel: „Während der Sommermonate kommen die meisten Postkarten aus den Top-Urlaubsländern der Deutschen. Und das waren 2023 in der Reihenfolge Italien, Österreich, Spanien, Frankreich sowie die Niederlande. 2021 waren es noch rund 116,5 Millionen Postkarten.“ Tendenz sinkend.
Große Konkurrenz durch Smartphone
„Leider sehen wir bei der Postkarte einen vergleichbaren Trend wie beim Brief. Hier gehen die Volumina seit Jahren aufgrund der digitalen Konkurrenz von E-Mail, WhatsApp & Co. immer mehr zurück. Wir rechnen auch in den nächsten Jahren mit einer Abnahme“, so Ernzer. Hinzu kommt, dass die Post ganz aktuell schon wieder eine Porto-Erhöhung in Aussicht gestellt hat. Ab 2025 soll das Porto für die Postkarte auch bei 95 Cent liegen.
Schade. Natürlich lässt sich auf Postkarten inhaltlich nicht wirklich viel erzählen. Aber allein der Umstand, eine Ansichtskarte zu kaufen, eine Briefmarke zu besorgen, die Adresse herauszusuchen und die Karte zu beschreiben, setzt mehr Liebe, Initiative und Aufwand voraus, als eine noch so nett gemeinte, schnöde WhatsApp-Nachricht.
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Die Erfahrungen im Umgang mit Karten sind sehr unterschiedlich. „Bei uns gibt es Briloner Postkarten mit Briefmarken. Wir verkaufen die Karten auf Kommission der Buchhandlung Podszun und in der Zeit, als es das Geschäft hier noch gab, auch auf Kommission von der Schatzkiste. Nach deren Wiedereröffnung werden wir dies auch fortsetzen“, sagt Rüdiger Strenger, Geschäftsführer der Tourismus Brilon Olsberg GmbH. Die Nachfrage sei in den letzten Jahren wieder deutlich angestiegen. Hierfür gibt es seiner Ansicht nach zwei mögliche Gründe: „Zum einen haben wir deutlich mehr Urlaubsgäste als früher, zum zweiten könnte das Interesse an Postkarten wieder gestiegen sein.“
Das sieht auch Winfried Dickel, u.a. Vorsitzender des Heimatbundes „Semper Idem“ und Vorsitzender im Stiftungsvorstand Briloner Eisenberg und Gewerke, so. Im Museum „Haus Hövener“ mit seiner zentralen Lage unmittelbar am Markt ist die Nachfrage nach Postkarten so gestiegen, dass das Museum erst jetzt den Druck eigener neuer Postkarten mit hübschen Fotomotiven aus der Stadt in Auftrag gegeben hat. Historische Karten mit Ansichten von Brilon anno dazumal gibt es schon länger. Zeitlos hoch im Kurs stehen auch die lustigen Eselmotive mit dem heimlichen Briloner Wappentier. Aber auch ganz normale Ansichtskarten seien gefragt. Auf die neuen Karten drucke man bewusst keinen Schriftzug wie „Gruß aus Brilon“. Dickel. „Manche wollen die Karte einfach auch nur als Bild und zur Erinnerung verwenden und sich vielleicht auf den Schrank stellen.“
Einen klaren Trend hin zur Ansichtskarte hat auch Andrea Hunold, Mitarbeiterin in der Tourist-Info Medebach, ausgemacht. „Vor einigen Jahren war die Nachfrage noch rückläufig. Aber jetzt merkt man, dass viele wieder Wert auf Karten legen. Wir verkaufen sie für 60 Cent das Stück und natürlich gibt’s bei uns auch die Briefmarken dazu.“ Kunden würden oft am Counter stehen und in Gedanken durchzählen, wer alles eine Karte bekommen solle und entsprechend kaufen. Sie selbst freue sich auch, wenn sie von Freunden oder Bekannten eine Postkarte aus dem Urlaub erhalte und schicke auch welche zurück.
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Stefan Scharfenbaum, der seine „Schatzkiste“ aktuell nur in Willingen betreibt, unterscheidet zwischen Postkarten und Ansichtskarten. „Die klassischen Fotokarten verkaufen wir gar nicht mehr, weil die Nachfrage nachgelassen hat. Die Ansichtskarten-Kunden kaufen auch nur die Karte plus Briefmarke und nichts Weiteres. Viel besser gehen hingegen die Postkarten mit flotten Sprüchen drauf. Davon habe ich heute allein zwischen 25 und 30 Stück verkauft“, sagt der Briloner. Und wer eine Postkarte kaufe, interessiere sich außerdem auch noch für hochwertiges Spielzeug, Spiele oder Kuscheltiere.
Postkarten-Liebe trotz Instagram-Star
Und wie sieht es in Winterberg aus? Laut einer aktuellen Analyse des Reiseportals Travelcircus gehört die Tourismusmetropole zu den Top 5 der meistfotografierten Kleinstädte. Winterberg hat sich im Instagram-Kleinstädte-Ranking 2023 unter 1.049 untersuchten Städten auf Platz zwei behauptet. Werden da noch Postkarten verschickt? „Bei uns in der Tourist-Information sind Postkarten weiterhin beliebt. Eine sinkende Nachfrage nach Postkarten ist nicht zu erkennen. Da wir regelmäßig neue Karten mit abwechslungsreichen Motiven entwerfen, finden auch die Stammgäste Winterbergs immer wieder neue Varianten vor. Bei den Kindern sind vor allem die Postkarten mit unserem Maskottchen ,Waldi‘ sehr beliebt“, so Tim Hunold, zuständig für die Produktentwicklung in der Ferienwelt Winterberg/Hallenberg.
Damit hätten wir das auch geklärt: Bleibt noch der Gruß: „Das Wetter ist neblig, aber es gibt kein schlechtes Wetter, sondern nur schlechte Kleidung. Herzliche Grüße aus der Redaktion, habe leider gerade keine Postkarte zur Hand!“
Die Postkarten können in unserer Tourist-Information zu unseren Öffnungszeiten erworben werden