Marsberg. Sylwia Schüren aus Marsberg hat sich einen Traum erfüllt und „Sylwi´s Bierhaus“ eröffnet. Dabei musste sie gegen viele Widerstände ankämpfen.

Wenn Sylwia Schüren sich in ihrem Reich umschaut, ihr Blick über die funkelnden Gläser und Messingoberflächen in dem schummrigen Schankraum gleitet, kann sie stolz sein. Sie hat es geschafft, allen Hindernissen zum Trotz. Sie hat sich den Traum von einer eigenen Kneipe erfüllt. Das Eröffnungswochenende von „Sylwi´s Bierhaus“ am Burghofcenter in Marsberg liegt nun schon knapp anderthalb Monate zurück. So richtig fassen kann Sylwia Schüren es aber trotzdem noch nicht: „Ich sehe immer noch das Schild an der Tür mit meinem Namen drauf und denke überrascht: ‚Hey, das ist deins!‘“

Hinter Sylwia Schüren liegt ein langer Weg

Im Marsberger Stadtgebiet ist die junge Frau kein unbekanntes Gesicht: Seit ihrer Kindheit lebt sie hier, ist hier aufgewachsen und zur Schule gegangen. Sie arbeitete viele Jahre lang für ein örtliches Taxiunternehmen, dann als Aushilfe in verschiedenen Gastronomien. Schließlich gründete sie ihr eigenes Nagelstudio in Obermarsberg und betrieb es so lange, wie die Pandemie es zu ließ. Doch 2022 wurde das Leben der 41-Jährigen durch mehrere Schicksalsschläge in ihrer Familie erschüttert: „Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Ich wollte etwas verändern.“ Sie trennte sich von ihrem Mann, zog in eine eigene Wohnung. Als klar war, dass sie das Nagelstudio nicht mehr weiterführen konnte, meldete sie sich beim Jobcenter: „Dann habe ich nach etwas neuem gesucht.“ Der Impuls, der sie schließlich auf ihren Weg brachte, sei dann von ihrem Partner gekommen: „Er hat sich mit mir hingesetzt und mich ganz direkt gefragt: ‚Sylwia, was willst du wirklich machen?‘“ Da habe sie nicht lange überlegen müssen, um mit absoluter Sicherheit zu sagen: „Ich will eine Kneipe eröffnen.“

Sylwia Schüren ist stolz: Mit
Sylwia Schüren ist stolz: Mit "Sylwi`s Bierhaus" hat sich die Marsbergerin den Traum von der eigenen Kneipe verwirklicht. © WP | Rebekka Siebers

Doch der Weg zu ihrem Traumjob als Wirtin war nicht leicht für Sylwia Schüren. Als junge Frau, geschweige denn als alleinerziehende Mutter mit vier Kindern, die den Schritt in die Selbstständigkeit wagen will, habe sich die 41-Jährige oft nicht ernst genommen gefühlt. „Schon bei der Besichtigung der Ladenräume, für die es noch einen anderen Interessenten gab, hat der Hausmeister zu mir gesagt: ‚Das klappt eh nicht, die werden den anderen nehmen.‘ Noch bevor ich mich vorstellen konnte.“ Doch sie bekam die Zusage - und stand direkt vor dem nächsten Problem. Wegen der Lage des Lokals im Obergeschoss eines Einkaufszentrums qualifizierte sich die geplante Kneipe nicht für die Förderprogramme der Stadt Marsberg. Auch die Antragstellung auf Förderung beim Kreis HSK erwies sich als Geduldsprobe. Lange Zeit habe sie keine Rückmeldung zu ihrem Gründungskonzept bekommen, während die Uhr für den Mietvertrag tickte.

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Sylwia Schüren ist stolz: Mit
Sylwia Schüren aus Marsberg steht stolz hinter der Theke ihrer eigenen Kneipe. © WP | Rebekka Siebers

Keine Chance auf Förderung vom Hochsauerlandkreis

Als die Frist für den Mietvertrag zu verstreichen drohte, unterschrieb sie auf gut Glück - ohne Gewissheit über finanzielle Unterstützung durch den Bezirk. Dann sei die Einladung zum Gespräch beim Kreis gekommen: „Dort wurde mir sofort signalisiert: ‚Das wird nichts.‘“, erzählt Sylwia Schüren. Keine finanzielle Förderung, kein Einstiegsgeld. Stattdessen habe man sie unverblümt gefragt: „Sie sind doch Mutter. Wenn Sie arbeiten, was machen Sie dann mit Ihren Kindern?“ Da war es wieder, das Stigma. Sylwia Schüren schüttelt ungläubig den Kopf, als sie an diesen Moment zurückdenkt: „Ich bin mir sicher, dass einem Mann in meiner Position diese Frage nicht gestellt worden wäre. Da wird dann einfach davon ausgegangen, dass sich die Mutter schon um die Kinder kümmert.“ Dabei sei die Betreuung der Kinder an den vier Tagen in der Woche, an denen das Bierhaus geöffnet ist, das geringste Problem. Ihre älteste Tochter sei volljährig und längst ausgezogen, die anderen drei Kinder im Alter zwischen 17 und 8 Jahren seien während der Öffnungstage bei ihrem Vater. Auch die Großeltern würden mithelfen: „Ich habe sehr starken Rückhalt und Unterstützung durch meine Familie.“

Aufwendig renoviert: mit viel Liebe zum Detail hat Wirtin Sylwia Schüren ihrem neuen Lokal
Mit viel Liebe zum Detail hat Wirtin Sylwia Schüren ihrem neuen Lokal „Sylwi´s Bierhaus“ in Marsberg einen neuen Glanz verliehen. © WP | Rebekka Siebers

Die Tage, die auf diesen niederschmetternden Termin beim Kreis folgten, seien schwierig und voller Selbstzweifel gewesen, erinnert sich die Marsbergerin: „Mit all den behördlichen Hürden und dem Risiko war dann die Frage: Wagst du es oder wagst du es nicht?“ Doch ihre Familie und ihr Freundeskreis habe an sie geglaubt, sie immer wieder bestärkt und ermutigt. Vor allem ihr Stiefvater gab ihr Selbstvertrauen: „Er sagte zu mir: ‚Du schaffst das.‘“ Also zog sie es durch, investierte auf eigene Faust und renovierte das Lokal mithilfe ihrer Familie aufwendig von Hand. Und am 31. August war es so weit: der Tag der großen Eröffnung. Dass so viele Gäste kommen und sie an den ersten Wochenenden oft bis fünf Uhr morgens hinter der Theke stehen würde, hat Sylwia Schüren jedoch nicht geahnt: „Es lief so gut an, darauf waren wir nicht vorbereitet.“ Der Anfang sei hart, die ersten Abende seien trotz der Hilfe ihrer ältesten Tochter und einiger Aushilfen kaum zu stemmen gewesen, erzählt die Wirtin. „Alles war voll, wir waren maßlos überfordert.“ Doch das Team habe sich schnell eingespielt, jedes Wochenende laufe ein bisschen runder als das davor: „Wir haben das gut gemeistert.“

„„Ich wurde gefragt: ‚Hast du keine Angst?‘ - ‚Und ob ich Angst habe!‘ Hinter mir liegen viele schlaflose Nächte.““

Sylwia Schüren, Betreiberin von „Sylwi´s Bierhaus“

Positives Feedback: Bierhaus ergänzt Marsbergs Nachtleben

Auf den ersten Monat im Bierhaus blickt Sylwia Schüren schon positiv zurück. „Wir bekommen sehr viel tolles Feedback, die Leute sind froh über das Angebot.“ Sylwi´s Bierhaus sei ein Ort, wo die Marsberger hingehen können, wenn andere Lokale schließen. Es ist ein wichtiger Zugewinn für das Marsberger Nachtleben. Mit ihrem Angebot an verschiedenen Fassbieren der Graf Stolberg´schen Brauerei Westheim, einer Auswahl an Weinen, Cocktails, Heißgetränken und auch ein paar Snacks treffe sie den Geschmack vieler Leute aus Marsberg und der Umgebung, schildert Sylwia Schüren die Reaktionen ihrer Gäste. Aktuell sei das Bierhaus von donnerstags bis sonntags ab 17 Uhr geöffnet, ohne festgelegte Endzeiten. In Zukunft möchte sie noch mehr anbieten: Das Ausrichten von privaten Feiern und geschlossene Gesellschaften stehen auf dem Programm, Events, Mottowochen und Stammtische. Die Wirtin hat noch viele Pläne für ihr Bierhaus.

Mit ihrer Geschichte will Sylwia Schüren auch anderen Frauen Mut machen. Zum Beispiel Mut zur Trennung, zur Unabhängigkeit, sich selbst zu verwirklichen. Solche großen Veränderungen seien zwar nicht leicht, schon gar nicht für sie selbst: „Ich wurde gefragt: ‚Hast du keine Angst?‘ - ‚Und ob ich Angst habe!‘ Hinter mir liegen viele schlaflose Nächte.“ Sie erinnere sich an ihre Angst vor dem Wagnis, die Angst vor dem Scheitern. Der starke Rückhalt in ihrer Familie und die Unterstützung ihrer Freunde hätten jedoch ihr dadurch geholfen, erklärt Sylwia Schüren. Und wenn sie zurückschaue und sehe, wie weit sie schon gekommen ist, dann sei sie stolz: „Dann haben sich all die Mühen gelohnt.“

Aufwendig renoviert: mit viel Liebe zum Detail hat Wirtin Sylwia Schüren ihrem neuen Lokal
Ein neuer Anstrich, polierte Messingakzente, liebevolle Dekoration: Sylwia Schüren hat viel Mühe in das Bierhaus gesteckt. © WP | Rebekka Siebers

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