Hochsauerlandkreis/Brilon. Pilze sammeln ist ein riskantes Hobby: Alexandra Linnemann aus Brilon wandert für ihr Hobby stundenlang durch den Wald. Was sie antreibt.

Im Sauerland kündigt sich der Herbst an. Schon bald leuchten die Blätter an den Bäumen in Rot, Gelb und Orange. Die frische Luft ist angenehm kühl, während die Sonne mild scheint. Die perfekte Jahreszeit, um durch den Wald zu streifen und Pilze zu sammeln, die sich dort verstecken.

Die Hobby-Sammlerin

Alexandra Linnemann
Pilzesammlerin aus Leidenschaft. Alexandra Linnemann im Wald bei der Identifikation eines Pilzes. © Alexandra Linnemann | Alexandra Linnemann

Alexandra Linnemann (34) ist Hobby-Pilzesammlerin. „Das kam so ein bisschen durch meine Eltern und Großeltern“, erzählt sie. Sie kommt aus dem Osten von Leipzig und da war sowas üblich. Mit fünf Jahren ist sie schon mitgegangen zum Sammeln von Pfifferlingen und Steinpilzen. Je älter sie wurde, desto größer wurde ihr Interesse. Schließlich ist ihr dann aufgefallen, dass es da Wissenslücken bei ihren Eltern und Großeltern gab. Die kannten viele Pilze nicht und haben immer nur die gesammelt, die sie kannten.

Linnemann hat sich dann vieles selbst beigebracht. Sie hat gegoogelt, Pilzgruppen auf Facebook gefunden. Wenn sie mal nicht wusste was für ein Pilz vor sich war, dann hat sie ein Bild davon gepostet und prompt Antwort erhalten. Sie hat ihr Hobby immer weiter vertieft und auch ein vierzehntägiges Pilzseminar gebucht. Inzwischen könne sie 250 bis 300 Arten bestimmen.

Vorsicht vor Champignons

Anfängern rät sie bei geeigneten Anfängerpilzgattungen zu starten und lieber einmal zu viel als zu wenig nachzufragen. Zu Anfängergattungen würden Leistlinge, wie zum Beispiel Pfifferlinge gehören oder auch Röhrlinge, wie Steinpilze. In diesen Gattungen gebe es keine tödlichen Pilze, sondern höchstens welche, die Magen-Darm-Beschwerden verursachen könnten.

„„Mein Papa ist so einer, der geht in den Wald und freut sich über jeden Pilz, den er sieht““

Alexandra Linnemann
Hobbysammlerin

Eine Warnung spricht sie vor dem Sammeln der beliebten Champignons aus, denn bei diesen bestehe eine starke Verwechslungsgefahr. Ein grüner Knollenblätterpilz im jungen Stadium sehe Champignons zum Verwechseln ähnlich und sei dabei tödlich giftig. Bei einigen Pilzen gebe es nur ein oder zwei kleine Unterscheidungsmerkmale, die den Unterschied zwischen einem essbaren und einem tödlich-giftigen Pilz zeigen. Generell rät sie zu Achtsamkeit bei Pilzen. „Mein Papa ist so einer, der geht in den Wald und freut sich über jeden Pilz, den er sieht“, erzählt Linnemann. Wenn er dann mit seinem Korb zu ihr komme, sei er immer traurig, wenn das meiste davon weggeschmissen wird.

Die meisten Pilzvergiftungen seien nämlich nicht auf giftige Pilze zurückzuführen, sondern auf Speisepilze, die eine schlechte Qualität haben und den Magen verderben. Zu alte Pilze, solche die schon schimmelig sind und mehr. Sie rät daher zum Fingerdruck-Test. Dabei drückt man mit dem Zeigefinger auf den Pilz. Gibt er nicht nach und bleibt fest, dann ist er gut. Gibt er nach und ist weich, dann kann er auf den Magen schlagen.

„Pilze müssen atmen können“

Ansonsten rät sie Anfängern gutes Schuhwerk mitzunehmen. Auch bei der Kleidung sei aufzupassen, am besten an den Beinen dicht kleiden. Vor Zecken müsse man sich im Wald immer Hüten. Als Geheimtipp rät sie zur Verwendung von Kümmelkernöl oder Kokosöl - den Geruch würden Zecken nicht mögen.

Beim Pilze sammeln sei zudem darauf zu achten, dass man nicht in Naturschutzgebieten sammelt oder Pilze von der roten Liste – da gibt es Verbote. Ebenso dürfe man nicht mehr als ein bis eineinhalb Kilo Pilze am Tag sammeln. Beim Sammeln selbst rät Linnemann dazu, die Pilze herauszudrehen, statt sie abzuschneiden. Der Steinpilz zum Beispiel habe einen langen Stiel, der in die Erde reicht – den würde man sonst vergeuden. Ein weiterer Vorteil sei, dass man so nicht aus Versehen wichtige Erkennungsmerkmale wegschneidet.

Zum Transport der Pilze sollte man ein offenes geflochtenes Holzkörbchen nehmen. Auf keinen Fall Plastiktüten oder Ähnliches. „Die Pilze müssen atmen können“, sagt Linnemann. Pilze haben eine hohe Eiweißzersetzung und würden sonst schnell schlecht werden – die Folge: eine unechte Pilzvergiftung durch Vergammelung. Die offenen Körbe würden außerdem zulassen, dass der Pilz noch ein letztes Mal seine Sporen verteilen kann.

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Der Pilz-Profi

„Es ist gut möglichst viel vom Pilz im Wald zurückzulassen“, sagt auch Horst Winkler (65), ein von der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGfM) anerkannter Pilzcoach. Daher rät er den Pilz am besten noch im Wald zu waschen. Aus den Pilzresten könnten so schließlich neue Pilze entstehen.

Auch bei Winkler hat das Interesse an Pilzen schon in der Kindheit angefangen. „Wir waren halt viel draußen“, sagt er. Er und die anderen Kinder haben immer Brombeeren und Heidelbeeren gesammelt – und halt die klassischen Speisepilze. „Es gab immer jemanden in der Familie, der sich auskannte“, so Winkler.

Später im Leben hat er das Thema dann für sich wiederentdeckt und sich intensiver damit beschäftigt. Erst dadurch ist ihm klar geworden, wie groß das Ganze eigentlich ist. Wie viele Pilze und Besonderheiten es gibt. Wenn man mit Winkler redet, spürt man die Begeisterung.

Horst Winkler
Horst Winkler, von der Deutschen Gesellschaft für Mykologie anerkannter Pilzcoach. © Horst Winkler | Horst Winkler

Berufung aus Leidenschaft

Als Pilzcoach ist es sein Anliegen das Thema den Menschen näher zu bringen. Dazu veranstaltet er Pilztouren. Zu Beginn davon klärt er die Menschen auch über die vielseitigen und bedeutenden Rollen auf, die Pilze in unserem Ökosystem und auch für uns einnehmen. So führt er weiter aus, dass wir ohne Pilze zum Beispiel keine Antibiotika wie Penicillin entdeckt hätten.

Auf seinen Touren geht es immer erstmal gemeinsam los. Zusammen Pilze kennenlernen und entdecken ist das Motto. Sobald die Grundlagen gelegt sind, teilt man sich auf und trifft sich am Ende wieder, um die gesammelten Pilze noch einmal gemeinsam zu betrachten. Er will den Leuten die Berührungsängste nehmen, es sei auch wichtig zu wissen, dass es keine bei Kontakt giftigen Pilze gebe.

„Ein Foto kann nicht abbilden, was ein Pilz für Gefahren birgt.“

Horst Winkler
Pilzcoach

Für Anfänger hat Winkler klare Ratschläge: „Bei Anfängerpilzen bleiben und niemals Dinge sammeln, die man nicht kennt.“ Pilze, die man essen willen müssen klar und eindeutig als Speisepilze identifiziert werden. Am besten man hole sich Rat, wenn man unsicher ist. Dafür gibt es Pilzsachverständige, die man über die Webseite der DGfM finden kann.

„Was im Supermarkt ist, würden wir meist nicht sammeln“

Zusätzlich warnt Winkler vor Pilzgruppen im Internet und Pilzerkennungsapps: „Wichtige Erkennungsmerkmale wie Haptik und Geruch kann man da nicht feststellen.“ Pilzbestimmung per Bild sei verboten und nur ein Pilzsachverständiger kann Körbe gesichert freigeben. Von alten Volksweisheiten hält er nicht viel. Es gebe kein sicheres Zeichen, dass auf einen giftigen Pilz hindeute. Schneckenfraß oder sich verfärbende Zwiebeln geben keinen Aufschluss über die Genießbarkeit. „Man muss Merkmal für Merkmal abgleichen, es muss eindeutig sein“, erklärt Winkler. Nur dann könne man einen Pilz sicher verzehren.

Pilze sollten niemals roh gegessen werden und immer gut gegart sein. Wie auch Linnemann warnt er vor Pilzvergiftungen durch unsachgemäßen Transport und Lagerung. Die Pilze sollten auch schnell verarbeitet werden. Es handle sich um ein empfindliches Lebensmittel. „Was im Supermarkt ist, würden wir meist nicht sammeln“, führt er aus. „Frische beim Pilz ist das Beste für den Geschmack und das Wohlbefinden.“

Wer mehr erfahren will kann auf einer der Pilzwanderungen von Horst Winkler mitkommen. Auch in Brilon-Wald bietet er diese an. Die genauen Termine kann man auf seiner Webseite herausfinden.