Hallenberg. Blick in die geheime Welt: Unter dem Pseudonym Richard P. Löwenstein schreibt er für Menschen aus ganz Deutschland: Biografien oder Uniarbeiten.

Die Abgabefrist für die Bachelorarbeit rückt immer näher, doch die Seiten bleiben leer. Die Motivation schwindet, die Verzweiflung wächst. Was tun, wenn man einfach keine Lust mehr hat, die Arbeit zu schreiben? Wenn jeder Versuch die Seiten zu füllen vergebens ist. Manche Leute engagieren einen Ghostwriter. Aber ist das wirklich so unkompliziert? Worauf sollte man achten? Welche Risiken und Folgen drohen, wenn der Ghostwriter nicht nur aushilft, sondern die ganze Arbeit übernimmt? Und wie viel kostet sowas eigentlich? Wir haben uns auf die Suche nach Antworten begeben.

„Ich würde niemals etwas annehmen, wo ich nicht hinter stehe oder keine Ahnung habe.“

Richard P. Löwenstein
Ghostwriter

Wer im Sauerland Antworten auf diese Fragen finden möchte, kann im Stadtgebiet Hallenbergs fündig werden. Der Ghostwriter Richard P. Löwenstein (63) ist ein Mensch, dem man seine Liebe für die Sprache anmerkt. Er spricht in einfachen Worten, aber beschreibt damit die Dinge, als ob er ein Gemälde malt. Nach eigenen Angaben arbeite er als Hochschuldozent und eben als Ghostwriter. Wie es dazu kam? „Zufall“, so Löwenstein. Bekannte hätten gefragt, ob er aushelfen könne bei wissenschaftlichen Arbeiten, weil er sich damit auskenne. Er übernehme aber nicht die Arbeit für seine Auftraggeber, denn „die müssen ihre Hausaufgaben schon gemacht haben“, sagt Löwenstein. Er gebe ihnen lediglich Lösungsvorschläge für vorhandene Probleme. Aktuell helfe er einer jungen Frau aus, deren Masterarbeit etwa 270 Seiten umfasse. Das sei mehr als doppelt so lang, wie erlaubt ist, für solch eine Arbeit. Er helfe ihr jetzt, das Werk sinnvoll zu kürzen und zu strukturieren.

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Ein wichtiger Faktor im Bereich Ghostwriting bei wissenschaftlichen Arbeiten sei, wie die Auftraggeber mit den Erzeugnissen der Ghostwriter umgingen. Einen Ghostwriter zu beauftragen ist an sich vollkommen legal – auch bei wissenschaftlichen Arbeiten. Wie weit die Hilfe des Ghostwriters geht, ist jedoch mitunter problematisch. Christian Klett, Pressesprecher der Fachhochschule Südwestfalen, empfiehlt vorher Sicherheit zu schaffen. Grundsätzlich sei es in Ordnung sich Hilfe zu holen. Es ist vollkommen normal, dass beispielsweise Freunde Arbeiten Korrekturlesen. Jedoch sollte sich mit der jeweiligen Prüfungsordnung vertraut gemacht werden. Es sei besser bei betreuenden Dozenten nachzufragen was genau erlaubt ist und was nicht. 

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Christian Klett warnt zudem, dass bei Bachelor- und Masterarbeiten Eidesstattliche Erklärungen unterschrieben werden müssen, mit denen versichert wird, dass die Arbeiten selbst verfasst wurden. Sollte der Beitragsanteil des Ghostwriters größer sein als erlaubt oder die Arbeit gar ganz von ihm verfasst worden sein, dann würde dies als Täuschungsversuch gewertet werden. Die Folgen wären ein Durchfallen durch die Prüfung und der Verlust eines Antrittsversuchs.

Ghostwriter aus dem Sauerland: Biografien, Krimis und Romane

Täuschungsversuch ja oder nein: Was darf ein Ghostwirter und was nicht?
Täuschungsversuch ja oder nein: Was darf ein Ghostwirter und was nicht? © WAZ FotoPool | Stephan Eickershoff

Das Schreiben wissenschaftlicher Arbeiten fällt Richard P. Löwenstein leicht. Am meisten Spaß hat er jedoch an Fiktion. Krimis, vor allem Wirtschaftskrimis, sind seine Leidenschaft. Er schreibe dabei unter dem Vorsatz „Show don’t tell“, wie er sagt. „Es war ein schöner Sommertag. Was heißt das denn?“ Seine Auftraggeber geben ihm das Thema und den Stil vor, er kümmere sich um das Schreiben. Die Idee, so sagt er, gehöre weiter dem Auftraggeber. „Wie wenn ich in einen Blumenladen gehe. Ich lasse mir den Strauß zusammenstellen, weil ich es selbst nicht kann.“

Knifflig hingegen sei es eine Biografie zu schreiben. Dazu müsse er zunächst mehrere Stunden mit seinem Auftraggeber sprechen. Die Leute erzählen ihm eine Geschichte, die ist oft länger her und andere Menschen kommen darin vor. Er müsse sich dann fragen: „Was haben die gefühlt und gesehen? Wie war das?“ Es handele sich schließlich nicht um Fiktion, sondern Geschichte. Gelebte Wirklichkeit. Leuten etwas anzudichten wäre nicht korrekt, daher sei Sorgfalt gefragt.

Ghostwriter aus dem Sauerland: Grenzen und Urheberrecht

Aufträge erhält Richard P. Löwenherz zumeist über Mundpropaganda. Oft aus Deutschland, seinen Webauftritt gebe es erst seit knapp sechs Wochen. „Der wurde mir aufdrängt“, so Löwenstein. Er sei jedoch wählerisch bei den Aufträgen und sagt er würde „niemals etwas annehmen, wo ich nicht hinter stehe oder keine Ahnung habe“. Von Physik zum Beispiel habe er keine Ahnung und könne daher auch nicht bei einer wissenschaftlichen Arbeit helfen – außer was die Struktur betrifft. Auch wenn Aufträge „zu politisch“ seien oder der „falschen politischen Couleur“ angehören, würde er sie ablehnen. Für „ganz rechts außen“ stelle er seine sprachlichen Talente nicht zur Verfügung.

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Wenn er sich jedoch dazu entscheiden sollte einen Auftrag anzunehmen, dann würde zunächst ein Vertrag aufgesetzt. Da er sich selbst lediglich als Hilfesteller ansehen würde, werde darin festgehalten, dass das Urheberrecht beim Auftraggeber verweile. Er übernehme schließlich nicht die komplette Arbeit, sondern helfe nur aus. Die Grundidee und die Vorarbeit würden seine Auftraggeber leisten und somit auch die Urheberschaft innehalten. In dieser Hinsicht unterscheidet er sich von anderen Ghostwritern.

Ghostwriter aus dem Sauerland: Der Preis für die Arbeit

Der Preis für seine Arbeit variiert, je nach Aufgabenstellung. Für eine Bachelor- oder Masterarbeit verlangt er 50 bis 70 Euro pro Seite. Bei einem Umfang von 40 Seiten wäre das ein Preis von 2.000 bis 2.800 Euro. Bücher, egal ob es sich um Biografien oder Romane handelt, würde er mit einem Pauschalpreis vereinbaren - je nach Aufwand bezüglich der Literatur und anderer Quellen. Die Preise reichen da von 1.000 bis 7.000 Euro. Einfache Reden oder Manuskripte schreibe er für 30 bis 50 Euro pro Seite. Im Internet gebe es „natürlich auch Discountanbieter“, so Löwenstein. Von diesen rate er aber ab.

Zu modernen Hilfestellern wie ChatGPT hat Löwenstein eine zwiespältige Ansicht. ChatGPT sei eine gute Stütze und könne bei der Strukturierung von Texten helfen, aber dafür sei die „Zitierung desaströs“, so Löwenstein. Textbausteine werden kopiert und nicht richtig mit Quellen angegeben. Informationen müssten am Ende nachgeprüft werden. Eine „händische Auswertung“ sei eben unerlässlich.

Ghostwriter aus dem Sauerland: Weltenbummler mit Heimweh

Was verschlägt einen Menschen, der überall arbeiten könnte, ins Sauerland? Seit drei Jahren lebt er nun hier. Seine Lebensgeschichte, wie er sie beschreibt, könnte selbst ein Roman sein. Geboren in Altena, aufgewachsen am Sorpesee, Schule in Arnsberg. So weit, so normal. Er sei zur Bundeswehr gegangen und Kryptologe bei der EloKa (Elektronische Kampftruppe) in der Burgwald-Kaserne in Frankenberg (Eder) geworden. Weiter habe es ihn in die USA verschlagen, wo er 20 Jahre gelebt habe. Dort sei er an der California Coast University in Ökonomie promoviert, denn „Wirtschaft hat mich schon immer interessiert“, so Löwenstein. Viele Reisen habe er unternommen, über Jahre sei er immer wieder in Asien als Road Scholar unterwegs gewesen – in Sri Lanka und Indien.

Zwischenzeitlich habe er über eine Millionen Vielfliegermeilen angesammelt. „Irgendwo hat man die Bodenhaftung verloren, die Tuchfühlung mit der Heimat blieb auf der Strecke“, sagt Löwenstein. Also habe er sich entschieden in die alte Heimat zurückzukehren – ins Sauerland. Das Stadtgebiet Hallenberg habe er nicht zufällig gewählt. Er habe noch viele alte Bekannte aus seiner Bundeswehrzeit in der Umgebung. Wo könnte man besser wieder Wurzeln schlagen?

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