Hochsauerland. Ein neues Gesetz erleichtert die Einbürgerung in Deutschland – Mehrstaatigkeit ist nun möglich. Die Umsetzung vor Ort wurde aber nicht bedacht.

Es soll einfacher werden, einen deutschen Pass zu bekommen. Ende Juni ist bundesweit das Gesetz zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts in Kraft getreten. Menschen, die in Deutschland arbeiten und gut integriert sind, können dadurch schon nach fünf, statt nach acht Jahren deutsche Staatsangehörige werden. Unter strengen Voraussetzungen ist künftig sogar nach drei Jahren eine Einbürgerung möglich.

Den generellen Wunsch auf Einbürgerung hegen viele ausländische Bürger schon lange. Das zeigen auch die steigenden Antragszahlen im HSK. Eine Störfaktor war bislang die Bedingung, die alte Staatsangehörigkeit dafür aufgeben zu müssen. Das Problem löst das neue Einbürgerungsgesetz durch die Einführung der Mehrstaatigkeit. In Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern erhalten übrigens automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit. Dazu muss lediglich ein Elternteil mehr als fünf Jahre rechtmäßig in Deutschland leben und unbefristet aufenthaltsberechtigt sein.

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Die meisten kamen aus Syrien

Im Jahr 2023 verzeichnete Deutschland mit etwa 200.100 Einbürgerungen die höchste Anzahl seit Beginn der statistischen Erhebungen im Jahr 2000.  Menschen aus 157 unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten erhielten damit einen deutschen Pass. Die Eingebürgerten waren im Durchschnitt 29,3 Jahre alt und somit deutlich jünger als die Gesamtbevölkerung (44,6 Jahre). Der Frauenanteil an den Eingebürgerten war mit 45 % geringer als in der Gesamtbevölkerung (50 %).

2023 wurden landesweit 51.187 Männer und Frauen in NRW eingebürgert; die meisten (22 720) kamen aus Syrien, 4012 aus dem Irak und 1921 aus der Türkei.

Wie stellt sich die Situation im HSK dar?

Erst vergangene Woche gab es im Kreishaus eigens einen Termin für eine Veranstaltung, an deren Ende ausländische Mitbürger/innen stolz die Urkunde mit dem Bundesadler in der Hand hielten, die sie offiziell zu deutschen Staatsbürgern mit allen Rechten und Pflichten macht.

Wie viele Menschen im HSK machen seit der Neuregelung von dieser Möglichkeit Gebrauch?

„Da die Voraussetzungen für die Einbürgerung nach drei Jahren relativ hoch sind, waren bislang nur wenige Nachfragen nach dieser Möglichkeit zu verzeichnen. Für die Möglichkeit einer jetzt neuen, regulären Einbürgerung nach fünf Jahren steigen seit dem Inkrafttreten dieser Regelung die Anzahl der Nachfragen allerdings deutlich an“, erklärt Kreissprecher Martin Reuther. Vor der Einbürgerung steht ein sogenanntes Beratungsgespräch; erst danach kann der eigentliche Antrag abgegeben werden. Waren es von Januar bis Juli 2023 noch 375 solcher Termine, so waren es im selben Zeitraum 2024 schon 645 - also fast doppelt so viele.

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Welche strengen Voraussetzungen sind das, die eine Einbürgerung nach drei Jahren möglich machen?

„Dafür müssen sogenannte besondere Integrationsleistungen vorliegen. Dazu gehören insbesondere gute schulische, berufsqualifizierende oder berufliche Leistungen sowie besonderes bürgerschaftliches Engagement“, erklärt Reuther.  Zudem müssen deutsche Sprachkenntnisse auf dem Niveau C1 vorliegen und der Lebensunterhalt muss vollständig eigenständig gesichert sein.

Sind die Behörden überhaupt darauf vorbereitet, dass es möglicherweise eine vermehrte Anfrage nach der Einbürgerung gibt?

Der Staat hat ein Gesetz verabschiedet, die Umsetzung vor Ort aber nicht wirklich ausreichend bedacht. Denn personell werden die Behörden für diese Aufgaben nicht aufgerüstet. Bestehendes Personal muss sich nach der Decke strecken. Das führt dazu, dass schon jetzt vor 2025 keine Termine für Beratungsgespräche mehr frei sind. Der Kreis erklärt, dass bei der hiesigen Einbürgerungsbehörde durch „organisatorische Veränderungen und die Optimierung von Prozessabläufen“ versucht werde, die erhöhte Anzahl an Nachfragen in einem „angemessenen zeitlichen Rahmen“ zu beantworten. Bewerber für eine Einbürgerung müssen sich allerdings darauf einstellen, dass das Verfahren einen Zeitraum von mehreren Monaten in Anspruch nehmen wird. Zu einer konkreten durchschnittlichen Bearbeitungsdauer liegen beim Kreis keine Kennzahlen vor. Die Dauer des Verfahrens werde beeinflusst durch den Zeitpunkt der Vorlage und den Umfang der Prüfung der erforderlichen Unterlagen, sowie den Zeitpunkt der Rückmeldung von weiteren im Einbürgerungsverfahren zu beteiligenden Behörden, so der HSK.

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Welche häufigen Herausforderungen begegnen Antragstellende während des Einbürgerungsprozesses?

Die Beschaffung von Nachweisen über die Identität aus dem Heimatland gestalte sich oft recht kompliziert und langwierig, erklärt Reuther. Zudem stelle der Erwerb und der Nachweis der erforderlichen deutschen Sprachkenntnisse viele Antragsteller/innen vor Probleme.

Gibt es bestimmte Berufsgruppen oder demografische Gruppen, die häufiger eingebürgert werden? Wenn ja, woran liegt das?

„Bei den beruflichen Gruppen ist auffällig, dass viele ausländische Ärzte schnell eingebürgert werden möchten. Hier stellen im Regelfall die erforderlichen deutschen Sprachkenntnisse keine Hürde dar“, sagt Reuther. Bezüglich der demografischen Gruppen sei aktuell festzustellen, dass sich viele ältere türkische Staatsangehörige, die zumeist bereits über Jahrzehnte im Bundesgebiet leben, nunmehr nach einer Einbürgerung erkundigen. Diese Entwicklung hänge damit zusammen, dass nach dem jetzt gelten Staatsangehörigkeitsrecht eine Einbürgerung fortan generell unter der Hinnahme von Mehrstaatigkeit möglich ist.