Marsberg/Essentho. Nach der Insolvenz beginnt für Ritzenhoff ein neues Kapitel. CEO Carsten Schumacher skizziert die Zukunft des Glasherstellers im Sauerland.
Umstrukturierung, hohe Invesitionen, die Erschließung neuer Märkte - Carsten Schumacher hat große Pläne für die Zukunft der Ritzenhoff GmbH. In seinem Vortrag am 2. September in der Sekundarschule Marsberg stellte der Geschäftsführer die Investitionsvorhaben für das Unternehmen aus Essentho vor, das sich nach einer Insolvenz in Eigenverwaltung nun neu aufstellt und nach vorne blickt.
Neustrukturierung soll Probleme der Vergangenheit lösen
Rund 80 Zuhörer, darunter auch Mitarbeiter und ehemalige Angestellte der Firma Ritzenhoff, lauschten den Ausführungen von Carsten Schumacher gebannt. „Nach einigen sehr herausfordernden Monaten wollen wir nun nach vorne schauen“, eröffnet der CEO seine Präsentation. Der gebürtige Hamburger hat in seiner Karriere als Unternehmensberater schon mehrere Betriebe erfolgreich saniert. Eine Insolvenz, wie die Firma Ritzenhoff sie in den vergangenen Monaten erlebte, sei niemals leicht. Nun gelte es, die Zukunftssicherung des Unternehmens in den Blick zu nehmen: „Eine Insolvenz ist immer der Endpunkt einer längeren Entwicklung. Nun müssen wir die Probleme der Vergangenheit beseitigen, um zukunftsfähig zu werden.“
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„Wiegen, Etikettierung, Versandabwicklung - all das erfolgt in Zukunft automatisch.“
Die Probleme, mit denen Ritzenhoff in der Vergangenheit zu kämpfen hatte, kann der Geschäftsführer genau benennen: Bankschulden in Höhe von über 30 Millionen Euro, ein hoher Lagerbestand von 12 Millionen Gläsern. Die Profitabilität des Unternehmens sei schlecht gewesen, über viele Jahre hinweg habe Investitionsstau geherrscht. „Die Insolvenz in Eigenverwaltung, die in diesem Fall in Rekordzeit durchgezogen wurde, war die Lösung für diese Probleme“, erklärt Schumacher. Durch die Aufteilung in vier Gesellschaften, welche das Unternehmen erworben haben, sei die Firma Ritzenhoff nun frei von Bankschulden, anstelle hoher Lagerbestände gebe es nur noch stille Reserven. Das Geschäftsmodell entwickle sich weiter, die neuen Geschäftsstrukturen in Form von GmbHs würden die internen Strukturen in Zukunft vereinfachen. „Wir sind auf einem guten Weg“, so Carsten Schumacher, „Die Marke Ritzenhoff profitiert von ihrer Strahlkraft.“
Große zweistellige Millionenbeträge werden investiert
Mit der Neustrukturierung werde ein integriertes Geschäftsmodell geschaffen: Produktion, Dekoration und Veredelung sowie Vertieb erfolgen zentralisiert, an einem Ort. Damit das gelingt, sollen große zweistellige Millionenbeträge in das Unternehmen investiert und einzelne Produktlinien angepasst werden, wie der CEO erkärt. Davon profitieren gleich mehrere Unternehmensbereiche: So sei z.B. für den Bereich Veredelung für rund 1,9 Millionen Euro eine neue UV-Druckmaschine bestellt worden, die in Zukunft das Einbrennen mineralischer Farben überflüssig mache. Massive Investitionen gebe es auch im Bereich Logistik: Hier sei für rund 264.000 Euro bereits ein neues autonomes Gabelstaplersystem installiert worden: „Diese Maschinen können 365 Tage im Jahr führerlos durch die Logistik fahren“, betont Carsten Schumacher. Auch die Karton- und Palettenförderung werde für 450.000 Euro automatisiert: „Wiegen, Etikettierung, Versandabwicklung - all das erfolgt in Zukunft automatisch.“ Der Geschäftsführer räumt ein, dass die Automatisierung grundsätzlich Auswirkungen auf manche Arbeitsplätze haben werde. Doch Entlassungen solle es deshalb nicht geben: „Es werden sicherlich Arbeitsplätze entfallen. Aber die betreffenden Mitarbeiter werden weiterqualifiziert und es werden neue Stellen im Unternehmen gefunden.“ Die Firma Ritzenhoff werde in Zukunft stark wachsen, lautet die Prognose des CEO.
„Die fehlenden Fachkräfte sind nach wie vor unsere Achillesferse.“
Mit einer Investition von 260.000 Euro solle auch die Grafik-Abteilung ein neues System erhalten, das die veraltete Technik ablösen werde. Siebenstellige Beträge würden in die Modernisierung der Glashütte investiert, wodurch die Qualität der Produktion erhöht und weniger Ausschuss produziert werden solle. Gleichzeitig gelte es, die Stückkosten zu senken, um wettbewerbsfähig zu bleiben. „Mit den Maschinen, die wir jetzt haben, ist das so nicht machbar“, erklärt Carsten Schumacher. Die Kosten für die Modernisierung der Hütte betrügen mehr als 10 Millionen Euro. Auch der Austausch einer Gas-Wanne gegen eine Elektro-Wanne sei perspektivisch geplant. „Damit werden wir unseren CO2-Ausstoß maßgeblich reduzieren.“ Im Zuge der Neuausrichtung wolle Ritzenhoff seine Produktlinien um Pressglas- und Lifestyleprodukte wie z.B. Whiskey-Gläser erweitern. Das Unternehmen werde wachsen und sich zunehmend auf internationalen Märkten etablieren, erläutert der CEO weiter. Dazu zählen beispielsweise die Märkte von Frankreich, Spanien oder England, aber auch Übersee-Märkte: „Ein Fokus liegt hierbei unter anderem auf dem asiatischen Markt.“ Und auch für andere Geschäftsbereiche stünden Veränderungen bevor, wie z.B. der Ausbau der digitalen Präsenz im Webshop oder die Verlegung des Factory-Outlets aus Westheim nach Essentho.
Ein Fokus auf dem asiatischen Markt
Ein großes Problem sieht Carsten Schumacher weiterhin im Personalmangel: „Die fehlenden Fachkräfte sind nach wie vor unsere Achillesferse.“ Seit der Insolvenz gebe es große Lücken in der Belegschaft: insbesondere Maschinen- und Anlagenführer, aber auch Schlosser, Finanzbuchhalter oder Elektriker werden dringend gesucht. Doch nicht nur die in der Insolvenz notwendig gewordenen Entlassungen hätten den Personalmangel begünstigt. Viele Mitarbeitende hätten das Unternehmen auf eigene Initiative verlassen, nachdem Bonuszahlungen gestrichen worden waren. Diese Reaktionen habe er in seinem Businessplan nicht einkalkuliert, räumt Carsten Schumacher ein: „Diese Rechnung ist nicht aufgegangen.“ Daher sei sein erklärtes Ziel, in Zukunft mit besseren Konditionen mehr Arbeitskräfte zu gewinnen und Ritzenhoff wieder als attraktiven Arbeitgeber im Raum Marsberg zu etablieren.
Mit der Neuausrichtung werde der Firmenstandort Marsberg auf lange Sicht gestärkt. Bis das Unternehmen wieder profitabel ist, wird es jedoch dauern: der Businessplan sehe eine Übergangszeit von knapp zwei Jahren vor, erläutet der CEO: „In diesem Jahr ist die Zeit des Säens, und auch 2025 ist als Übergangsjahr zu werten. Ab 2026 wollen wir aber einen Zustand erreichen, in dem Geld verdient werden kann.“ Die Übergangszeit erfordere von allen Beteiligten viel Kraft und Ausdauer: „2025 wird enorm herausfordernd sein. Alles, was wir da machen, ist auch für die Mannschaft sehr anspruchsvoll.“ Die Geschäftsführung habe jedoch großes Vertrauen in die Mannschaft und sei zuversichtlich: „Gemeinsam werden wir das schaffen.“