Brilon. Sie ist keine Querdenkerin. Aber Veronika Neumann (52) aus Brilon will die Impfung gegen Corona nicht. Vorerst! Mit den Gründen geht sie offen um

Veronika Neumann will die Corona-Impfung nicht. Vorerst, sagt sie. Die Brilonerin ist keine Querdenkerin. Von dieser Bewegung distanziert sie sich – ausdrücklich! Sie liest keine unwissenschaftlichen Blogs. Sie folgt keinen Verschwörungstheoretikern auf Telegram. Veronika Neumann ist 52 Jahre alt. Kerngesund, wie sie sagt. Sie fährt gern Motorrad. Ist Mitglied bei den Motorradfreunden Sauerland e.V. – zuständig für Brilon. An Wochenenden fährt sie mit ihrem Bike durch ganz Deutschland, besucht Freunde. Sie liebt den Urlaub in der Sonne. Ägypten oder Griechenland. Veronika Neumann ist nicht geimpft. Ihr Mann, ihre Töchter – geimpft. Dennoch entscheidet sie sich gegen eine Impfung. Wir lassen Veronika Neumann offen von ihrem Misstrauen erzählen:

Corona-Impfung: „Handbremse, Rolle rückwärts. Ein Durcheinander“

„Wie lange dauert es normalerweise bis ein Impfstoff oder ein Medikament durch Studien geht und freigegeben wird? Jahrelang. Es gibt zahlreiche Auflagen. Aber dieser Impfstoff wird einfach aus dem Boden gestampft. Damals konnte ich den ersten Impfstoff kaum abwarten. Ich wollte diese Impfung, damit dieser Pandemie-Mist schnell vom Tisch ist. Und dann kam AstraZeneca. Erst hieß es, dass dürfen nur die Menschen über 60, es soll am besten so schnell wie möglich verimpft werden. Egal an wen. Dann wieder nicht, lieber sollen es die Jüngeren bekommen. Und dann die Nachricht, dass die es besser doch nicht bekommen. Handbremse, Rolle rückwärts. Ein Durcheinander. Die ständige Ungewissheit macht mich misstrauisch. Dieser ständige Wechsel von Lösungen in dieser Pandemie.

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Erst heißt es, dass nach der zweiten Impfung nichts mehr passieren kann. Alles safe. Jetzt wird die dritte Impfung ins Spiel gebracht, weil die Wirksamkeit nachlässt. Heißt das jetzt, zweimal Impfen pro Jahr für den Rest meines Lebens? Ich bin definitiv offen für die Impfung – wenn sie soweit verfeinert und nachgebessert wird, dass der Schutz besteht, überhaupt zu erkranken und ich mich nicht permanent nachimpfen muss.

Corona: „Die Geimpften sehe ich als Gefahrenpotenzial für Übertragungen“

Auch, wenn ich mich impfen lasse, kann ich noch Überträgerin des Virus sein. Ich muss noch immer eine Maske tragen. Geimpfte wiegen sich in Sicherheit, lassen sich nicht mehr testen und die Zahlen gehen wieder hoch. Wenn ab Oktober die Tests kostenpflichtig werden, werden die Zahlen wieder durch die Decke schießen. Eher sehe ich die Geimpften als Gefahrenpotenzial für Übertragungen, als die Ungeimpften – weil die einfach nicht mehr vorsichtig sind. Sie denken, ihnen kann nichts passieren. Ich lasse mich zweimal wöchentlich testen. Manchmal dreimal die Woche. So füge ich keinem Schaden zu. Wenn die Tests kostenpflichtig werden, weiche ich wahrscheinlich größtenteils auf Selbsttests für Zuhause aus. Dass die Tests bald Geld kosten, finde ich unfair und ungerecht. Mit meinen Krankenkassenbeiträgen und meinen Steuern finanziere ich anderen Menschen die Impfung. Aber ich zahle für Tests. Meinetwegen können diese reglementiert werden, gedeckelt auf zweimal die Woche. Aber wir brauchen die Tests.

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Mein Mann ist geimpft. Er war anfangs verhalten. Aber seine Mutter lebt in einem Pflegeheim in Thüringen und hat die Impfung gut vertragen. Außerdem ist er Busfahrer und bestimmte Tagestouren laufen eben nur für doppelt Geimpfte. Also hat er sich impfen lassen, sonst hätte er seinem Job nicht nachgehen können. Wir haben Argumente hin und her getauscht. Er akzeptiert meine Meinung. Meine Entscheidung. Und ich seine. Meine Kinder übrigens auch.

Veronika Neumann aus Brilon: „Ein Freund ist Contergan-Geschädigter“

Ein Freund von mir ist ein Contergan-Geschädigter. Er hat einige missgebildete Finger und schielt stark – er ist ein herzensguter Mensch. Er sagt selbst, dass früher Contergan angeboten wurde. Das sei gut für die Kinder gewesen, hieß es. Mit den Folgen kämpft er jetzt den Rest seines Lebens. Deswegen finde ich es unverantwortlich, Kinder jetzt zu impfen. Wir wissen doch nichts über die Langzeitfolgen – Stichwort Contergan.

Ich lese keine Blogs oder Facebook-Einträge zu dem Thema. Ich schaue auch keine Youtube-Videos. Ich lese Spiegel, Fokus oder die FAZ. Ich bin mit vielen Leuten vernetzt. Manche sehen das so, manche so. Natürlich werden einem verschiedene Links zugespielt. Fernsehen schaue ich nicht, da ist mir die Informationslage zu einseitig. Blogger sind mit zu festgefahren. Ich würde mir wünschen, dass auch andere Virologen zu Wort kommen, man hört nur Drosten und Lauterbach. Die argumentieren mir zu engstirnig.

Querdenkerin aus Brilon? Nein! „Da geht mir die Hutschnur hoch!“

Mit meiner Umgebung spreche ich wertfrei über das Thema. Viele sind geimpft, hören sich meine Argumente an und sagen mir, dass ich es eben selbst wissen muss. Ich werde nicht gemieden. Ich bin keine Querdenkerin, nein! Bei denen geht mir die Hutschnur hoch. Ich habe nur eine eigene Meinung und die entspricht nicht dem Mainstream. Ich akzeptiere jede Meinung. Jedem muss das Recht zugestanden werden, selbst zu entscheiden.

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Für mich ist die Pandemie der natürliche Lauf der Dinge. In der Weltgeschichte hat es alle paar Hundert Jahre eine natürliche Auslese gegeben. Wahrscheinlich darf ich das so nicht sagen, dann kriege ich wieder einen drüber. Aber das zieht sich durch. Es klingt hart, aber vielleicht können wir das nicht aufhalten.

Am 1. August hatten wir unsere Motorraddemo in Neuenrade. Ein Impfmobil war vor Ort. Die haben Biontech und Johnson&Johnson verimpft. Ich bin hingegangen, habe gefragt ob ich mit jemandem reden kann. Das, was mir der Arzt über die Impfstoffe erzählt hat, deckte sich nicht mit dem, was ich vorher gelesen habe. Ich habe den Mediziner im Impfmobil gefragt, wieso es jetzt eine dritte Impfung geben muss. Er hat mich über seinen Brillenrand angeschaut und gesagt, dass die Bundesregierung so viel Impfstoff gekauft hat und den jetzt eben an den Mann bringen muss. Der ist ja schließlich schon bezahlt. Das ist doch verrückt. Es wird ein solcher Druck aufgebaut.

Angst vor dem Corona-Virus? Der Gedanke sei da, sagt die Brilonerin

Veronika Neumann aus Brilon liebt ihr Bike. Am liebsten fährt sie durch das Sauerland, besucht aber auch Freunde in ganz Deutschland. Sie sagt: „Ich kann jederzeit und jeden Tag einen lebensgefährlichen Motorradunfall haben.“ Corona mache ihr keine große Angst, denn eine Garantie auf Gesundheit habe sie nie.
Veronika Neumann aus Brilon liebt ihr Bike. Am liebsten fährt sie durch das Sauerland, besucht aber auch Freunde in ganz Deutschland. Sie sagt: „Ich kann jederzeit und jeden Tag einen lebensgefährlichen Motorradunfall haben.“ Corona mache ihr keine große Angst, denn eine Garantie auf Gesundheit habe sie nie. © WP | Privat

Angst das Virus zu bekommen? Der Gedanke ist natürlich da. Aber alle in meinem Umfeld, die das Virus hatten, haben es entweder als heftige Grippe wahrgenommen oder haben gar nichts gespürt. Ich habe ein relativ intaktes Immunsystem, ich gehe davon aus dass es mich nicht hart treffen wird. Das ist vielleicht ein blauäugiges Denken. Aber das ist mein Wunschdenken und ich glaube nicht, das von diesem Virus eine Lebensgefahr für mich ausgeht. Ich kann jederzeit und jeden Tag einen lebensgefährlichen Motorradunfall haben. Ich kann Krebs bekommen. Ich habe keine Garantie auf Gesundheit. Ich denke, dass wir lernen müssen, mit dem Virus zu leben und dürfen nicht wieder das öffentliche Leben an die Wand fahren.

Ich bin gegen Masern geimpft, gegen Tetanus. Lasse das auch immer wieder auffrischen. Aber das sind Impfstoffe, die jahrelang auf dem Markt sind. Und der Empfehlung der STIKO vertraue ich nicht. Das ist alles für mich zu unausgegoren. Möglicherweise lasse ich mich in zwei oder drei Jahren impfen. Wenn es Langzeitstudien gibt. Bis dahin verzichte ich auf den Restaurantbesuch. Oder das Geld für den Test kommt auf mein Ausgehgeld noch drauf – wenn wir zum Hochzeitstag mal ausgehen wollen.

Bikerin aus Brilon: Für Urlaub gegen Corona impfen lassen? „Ich bleibe Zuhause“

Ich sehe in der Impfung noch keinen Nutzen für mich. Für den Urlaub bleibe ich daheim. Wir sind zwar begeisterte Urlauber und fahren gerne in die Sonne, aber wenn ich mich für meinen Urlaub impfen lassen soll, dann bleibe ich lieber Zuhause, bis sich das öffentliche Leben wieder normalisiert hat. Ich vermisse mein Leben wie es vor der Pandemie war nicht so sehr, dass es ein Argument für die Impfung sein könnte.“