Brilon/Olsberg. Das Diesel-Preishoch sorgt bei Speditionen im HSK für Alarmstimmung. Einer ist dennoch für ein Embargo: „Wir finanzieren jeden Tag Putins Krieg.“
Speditionen im Altkreis Brilon spüren die Auswirkungen der Ukraine-Krise auf mehreren Ebenen. Der Spritpreis – vor allem der für die Spediteure so wichtige Diesel – ist auf einem Allzeit-Rekordhoch, Euro-Paletten, die zum Großteil in der Ukraine produziert werden, sind so teuer wie nie zuvor. Heimische Speditionen stehen vor einer der größten Herausforderung aller Zeiten und sprechen über die möglichen Konsequenzen für ihre Kunden und die Endverbraucher. Ein Spediteur fordert trotz explodierender Spritpreise für ein Gasembargo gegenüber Russland aus: „Wir finanzieren jeden Tag Putins Krieg. Hauptsache er kriegt keinen Cent mehr.“
Hohe Spritpreise sind eine Katastrophe für Speditionen
Tanja Kerber betreibt in Brilon „Kerber Transporte“ in der dritten Generation. Seit 75 Jahren gibt es die Spedition. „In der Coronakrise war es schon gruselig. Jetzt kommt das noch oben drauf.“ Sie schaut mit Sorge auf ihr Unternehmen. Beziehungen zur Ukraine oder Russland pflegt sie nicht. Fahrer aus der Ukraine beschäftigt sie auch nicht. So brechen ihr schon mal keine Fahrer weg, weil sie in die Heimat fahren, um zu kämpfen. Dafür trifft auch sie die enorme Erhöhung der Spritpreise. „Das ist die Katastrophe schlechthin. Ich will nicht wissen, wie viele Unternehmen deswegen Pleite gehen. Ich habe hier 50 Fahrzeuge, die jeweils 30 Liter pro 100 Kilometer verbrauchen. Jedes Fahrzeug fährt 500 Kilometer am Tag. Das sind Mehrkosten im sechsstelligen Bereich pro Monat für mich“, sagt die Unternehmerin.
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Kosten, die sie nicht aus eigener Tasche zahlen kann und natürlich auch nicht möchte. Sie muss schauen, welche Kunden mit diesen Bedingungen klarkommen. „Ich kann nicht umsonst fahren. Aber zum Schluss tragen wir als Endverbraucher die Kosten.“
Logistiker müssen Kosten weitergeben
Arno Kesting versucht ruhig zu bleiben. Der Geschäftsführer von ETS-Transporte in Olsberg befördert unter anderem Flüssiggas mit seinen Lkw. Die Auftragsbücher seien bis oben hin voll. Er ist in der glücklichen Lage, dass die Westfalen AG für die Mehrkosten durch den benötigten Sprit aufkommt. Seine Fahrer sind trainiert, um möglichst spritsparend zu fahren. Mehr ließe sich nicht machen.
Seine Kunden erkundigen sich nach der Lage. Kesting beliefert nur Großanlagen. „Für die Kunden steigen die Kosten natürlich auch. Da muss jeder jetzt mit klarkommen. Am Ende zahlt es der kleine Mann an den Ladentischen. Kein Logistiker kann für diese Kosten aufkommen. Die Kosten werden immer weitergegeben. Das wird jeder merken.“
Spediteur spricht sich für Embargo aus
Der Unternehmer traut sich kaum in Richtung Sommer zu blicken und wie die Situation dann für seine Branche aussehen könnte. Er ist unsicher, ob es dann überhaupt noch ein Produkt zum ausliefern geben wird, wenn das Gas noch knapper wird. Kesting spricht sich klar für ein Embargo aus, das derzeit noch auf Politikebene diskutiert wird und unter anderem bereits von den USA verhängt worden ist. „Wir finanzieren jeden Tag Putins Krieg. Hauptsache er kriegt keinen Cent mehr“, sagt er klar.
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Seine Sorgen um sein Unternehmen halten sich in Grenzen. Wenn es nicht mehr geht, dann wird er eben die Türen zumachen. „Das ist dann eben situationsbedingt. Das lasse ich auf mich zukommen. Hier gibt es derzeit alle zehn Minuten eine neue Überraschung.“ So erfährt er beispielsweise einen Tag im voraus erst, dass bestelltes Gas in einer bestimmten Raffinerie nun doch nicht zur Verfügung steht. Nun hat der entsprechende Lkw nichts mehr zu tun, eine andere Anfahrtstelle muss schleunigst gefunden werden, beispielsweise in den Niederlanden. „Das ist sehr anstrengend. Wenn Sie hier abends rausgehen, sind Sie fertig.“
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Kesting sagt, dass die Politik alles mögliche macht, um für Frieden zu sorgen. Noch fehlt die Lösung. Ein Umstand, den er traurig findet. Er würde sich Steuersenkungen wünschen, damit Sprit und Gas wieder bezahlbarer sind.
Keine Lkw-Fahrer aus der Ukraine tätig
Torsten und Dominik Klaholz sind Geschäftsführer der Klaholz Speditionslogistik in Brilon. Auch sie beschäftigen keine Fahrer aus der Ukraine. Die Verfügbarkeit von Fahrpersonal sei aber grundsätzlich ein Problem, das sich immer weiter zuspitzt. Speditionen seien daher auf das Fahrpersonal aus Osteuropa angewiesen. Einen Personalabgang in Verbindung mit der Krise musste das Unternehmen aber bisher nicht verzeichnen.
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Auch dort zeigt sich der Einfluss auf die Liquidität der Spedition durch die Spritpreise. „Auch wenn entsprechende Diesel-Preisgleitklauseln vereinbart sind, wird die Preissteigerung immer erst durch die Speditionen vorfinanziert. Das Risiko des Kraftstoffdiebstahls steigt natürlich auch erheblich. Hier gilt es offen und schnell mit den Kunden zu sprechen und diese Kostensteigerung weiterzugeben und Zahlungsziele zu verkürzen“, sagt Torsten Klaholz. Je nach Dieselpreis fallen so zwischen 3000 und 3500 Euro Mehrkosten am Tag an.
Spedition rechnet nicht mit Entspannung der Lage
Entsprechend ist laut des Unternehmers mit weiteren Preissteigerungen zu rechnen, da noch kein Ende absehbar ist. Auch auf eine weitere Verknappung des zur Verfügung stehenden Frachtraums müssten sich die Kunden einstellen. Mit einer mittelfristigen Entspannung der Lage rechnet Klaholz nicht.
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Auch er sagt, dass die Zeiten gerade anspruchsvoll und die Anspannung groß ist. „Wenn wir die Preise nicht an unsere Kunden weiter geben können, wird das auch für uns einen Abbau von Kapazitäten zur Folge haben. Bisher trafen wir aber überwiegend auf Verständnis in unserer Kundschaft und hoffen, dass wir so gemeinsam diese Krise bewältigen können.“ Er hofft auf Entlastungen für die klein- und mittelständischen Unternehmen in Form von geringeren Abgabenlasten.