Berlin/Lyon. Eine WHO-Agentur bewertet Aspartam als „möglicherweise krebserregend“. Ein Toxikologe erklärt, was das für Verbraucher bedeutet.
Die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC), die der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zugeordnet ist, hat den Süßstoff Aspartam als „möglicherweise krebserregend für Menschen“ eingestuft. Zeitgleich bestätigte der WHO-Sachverständigenausschuss für Lebensmittelzusatzstoffe (JECFA) die bisher empfohlene Tageshöchstdosis von 40 Milligramm Aspartam pro Kilogramm Körpergewicht.
Der synthetische Süßstoff steckt in vielen Diät- und Light-Produkten wie Marmeladen, Fruchtsaftgetränken oder auch Cola Zero. Was die Neubewertung für Verbraucherinnen und Verbraucher bedeutet, erklärt Toxikologe Carsten Schleh, Autor der Sachbücher „Vorsicht, da steckt Gift drin!“ und „Die Wahrheit über unsere Drogen“, im Gespräch.
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Herr Schleh, wie bewerten Sie die Neueinstufung von Aspartam?
Casten Schleh: Ich befürchte, dass Sie zu einer großen Verunsicherung in der Bevölkerung führen kann. Denn viele Leute wissen nicht, was die IARC überhaupt macht. Das ist auch nicht schlimm. Am Ende sind die Bewertungen für Fachleute und spätere Entscheidungsträger gedacht. Und für diese sind die Analysen – wie zu Aspartam – und die Arbeit der IARC extrem wertvoll.
Was sagt die Neueinstufung aus?
Sie hält noch einmal fest, dass es durch Aspartam grundsätzlich zu einer Krebserkrankung kommen kann. Sie geht aber nicht auf ein spezifisches Risiko für uns Menschen ein. Zur Einordnung: Der Extrakt ganzer Aloe-Vera-Blätter ist in derselben Kategorie wie Aspartam gelistet, Sonnenlicht genau wie Plutonium in der höchsten.
Es geht um theoretische Krebsrisiken. Am Ende gilt es zu bewerten, welche Relevanz diese für uns Menschen haben. Natürlich gehen wir weiter in die Sonne, im Winter oft auch ohne Schutz. Wir würden uns aber nie neben ein Plutoniumfass stellen.
Wie sieht es bei Aspartam aus?
Fest steht, zu viel des synthetischen Süßungsmittels ist ohne Frage gesundheitsschädigend. Das gilt für alle Süßungsmittel. Aspartam ist aber mit Blick auf die Studienlage aus meiner Sicht nicht schädlicher als Haushaltszucker.
Auch ein Übermaß an Fruchtzucker, Honig oder Dattelsüße ist ungesund, begünstigt etwa Fettleibigkeit und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Am Ende gilt wie überall: Die Dosis macht das Gift. Und hier kommt die Empfehlung der JECFA ins Spiel.
Die empfohlene Tagesdosis für Aspartam ist gleich geblieben...
… und ich vermute, dass die meisten Erwachsenen diese bislang nicht erreichen. Oder hoffe es zumindest. Bei 40 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht müsste ein 70 Kilo schwerer Mensch 2,8 Gramm Aspartam an einem Tag zu sich nehmen. Im Netz habe ich gelesen, dass ein Liter Coke Zero wohl 130 Milligramm enthält.
Das würde bedeuten, derjenige müsste mehr als 21 Liter davon trinken, um den Grenzwert zu überschreiten – andere Quellen sprechen von neun bis 14 Dosen Diät-Softdrinks pro Tag. Gerade bei Kleinkindern ist eine Überschreitung des Grenzwertes also durchaus realistisch. Auch sehr sensiblen Menschen oder Schwangeren rate ich zur Vorsicht.
Generell gilt: Ein Zuviel von egal was kann den Körper immer überfordern, dieser reagiert dann mit Stress– und Abwehrmechanismen – und als Folge könnte sich womöglich ein Tumor entwickeln. Hier sprechen wir aber im Normalfall von extrem hohen Dosierungen.
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Am Ende wird niemand ausschließlich Aspartam zu sich nehmen. Müsste man also genauer schauen?
Absolut. Die Grenzwerte, wie sie etwa die JECFA empfiehlt, gelten immer nur für einen Stoff. Es wurde aber nie systematisch berücksichtigt, was passiert, wenn man viele verschiedene dieser Stoffe zu sich nimmt – ob sich die Effekte der Stoffe auf unseren Körper addieren oder möglicherweise sogar multiplizieren. Das wäre kein unbekanntes Prinzip der Toxikologie.
Aber auch hier bin ich eigentlich entspannt. Denn am Ende des Tages geht es um eine vernünftige Bilanz – einmal bei den Kalorien, und bei potenziell schädlichen Stoffen. Es geht darum, darauf zu achten, dass ich mich überwiegend gesund und ausgewogen ernähre.
Leider ist es manchmal aber so, dass Menschen, die gerne Süßungsmittel nutzen und Softdrinks trinken – ob light oder normal – generell meist einen eher ungesunden Lebensstil haben.
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