Berlin. Sie wurde von ihrem Partner betrogen, in der Ehe und auch davor. Doch Valerie verließ ihn nicht. Wie das Paar die Beziehung rettete.

Als Valerie das kleine Café betritt, spürt man ihre Anspannung. Sie will heute über das Fremdgehen sprechen. Ihr Name ist geändert, um sich, ihren Ehemann, ihre Familie zu schützen. Suchend blickt sie sich um. Im Café ist mehr los, als sie gehofft hatte. „Es muss ja nicht jeder wissen, dass ich von meinem Mann mehrfach betrogen wurde“, sagt sie mit einem gequälten Lächeln und entscheidet sich für einen Tisch, etwas abgeschieden in einer Ecke mit Blick auf die belebte Hauptstraße.

Laut einer Studie aus dem Jahr 2020 ist knapp jeder Dritte schon einmal fremdgegangen – Frauen wie Männer. Sie wisse, dass sie mit ihrer Geschichte nicht allein sei, sagt Valerie. Umso erstaunlicher sei es, wie schambehaftet das Thema immer noch behandelt werde. Valerie will anderen zeigen, dass sie mit ihren Gefühlen, ihren Entscheidungen nicht alleine sind – ohne sich zu outen.

„Denn andererseits sind es ganz wenige Menschen, mit denen ich über die Probleme in meiner Ehe und Partnerschaft persönlich geredet habe“, erzählt Valerie. „Ich glaube, ich hatte und habe noch immer Angst davor, was andere von mir denken, aber besonders, was sie von meinem Mann denken.“ Gerade bei ihm sei die Scham groß.

Affäre vom Partner lange abgestritten und geheim gehalten

Valerie lernte ihren Mann in den Zwanzigern kennen, sie studierte, lange führten die beiden eine Fernbeziehung. Irgendwann spürte sie, dass etwas nicht stimmte: „Körperliche Nähe fühlte sich distanziert an.“ Mal konnte er sich im Bett nicht mehr fallen lassen, mal sie.

Lange bestritt Valeries Mann jeden geäußerten Verdacht. „Heute weiß ich, er hatte einfach wahnsinnige Angst mich zu verlieren“, reflektiert die zweifache Mutter. Ein enger Freund bestätigte auf Drängen schließlich Valeries Theorie. Der Freund hatte von der Affäre gewusst, sich aber nicht einmischen wollen.

Fremdgehen in der Partnerschaft

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    Es sei ein Ausrutscher gewesen, hatte Valeries Mann beteuert. Die Affäre sei der Distanz geschuldet gewesen. Er habe Nähe und Anerkennung gesucht, Bestätigung von außen, die er von ihr wegen eigener Probleme nicht bekam. Nicht mehr, nicht weniger.

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    „Innerlich zu spüren, dass der Betrug nichts an der Liebe, an den Gefühlen meines Mannes zu mir ändert, fällt mir bis heute schwer, auch wenn er das immer wieder beteuert und auch zeigt.“ Valerie hält den Atem an. Tränen laufen über ihre Wangen.

    Ihr gebrochenes Herz ist deutlich zu spüren. „Ich habe mich selbst lange gefragt, ob es besser gewesen wäre, damals einfach einen Schlussstrich zu ziehen“, sagt sie irgendwann. Als er ihr ein Jahr, nachdem der Betrug ans Licht kam, einen Antrag macht, sagte sie „Ja“.

    „Wir hatten und haben einfach viele Gemeinsamkeiten, er gab und gibt mir ein gutes Gefühl, einen Heimathafen“, erklärt sich Valerie. „Auch wenn Vertrauen zwischen uns noch immer ein großes Thema ist, eine Trennung fühlte sich nicht richtig an.“ Es klingt ein bisschen, als müsse sie ihre Entscheidung rechtfertigen – vor sich, ihrer Familie, Freunden, der Gesellschaft.

    Einer Beziehung mit Höhen und Tiefen folgte eine Ehe – ebenfalls mit Höhen und Tiefen. Während der ersten Schwangerschaft gönnte sich Valeries Mann eine Massage der besonderen Art. Als Kind Nummer zwei auf der Welt war, flirtete er mehrfach auf einer Dating-App, es gab Treffen in einer Bar, gesteht er ihr, als er erneut ertappt wird.

    Da ist er um die 40, dem Alter, in dem statistisch die meisten Menschen fremdgehen. Zu einem geplanten Treffen in einem Hotelzimmer kommt es nie. Wieder war da Valeries komisches Bauchgefühl. Valerie spionierte das Handy ihres Mannes aus, stellte ihn zur Rede.

    Nach Affäre in der Ehe stand Trennung im Raum

    „Es sei der Reiz des Verbotenen gewesen, wieder die zwanghafte Suche nach Anerkennung und Bestätigung, das Treffen hätte er sowieso nie durchgezogen, hat mein Mann beteuert“, sagt Valerie und schüttelt dabei den Kopf – fast unbewusst, als könne sie seinen Worten manchmal selbst nicht glauben.

    Auch das Handy des Partners oder der Partnerin auszuspionieren, ist ein Vertrauensbruch – selbst wenn es den Verdacht, dass der andere fremdgeht, bestätigt.
    Auch das Handy des Partners oder der Partnerin auszuspionieren, ist ein Vertrauensbruch – selbst wenn es den Verdacht, dass der andere fremdgeht, bestätigt. © iStock | blackCAT

    Beide hatten damals großen Stress im Job, sie trug gleichzeitig die Hauptlast des Familienalltags, rieb ihm das oft unter die Nase, wie sie selbst sagt. „Damals dachte ich, jetzt ist es aus“, erinnert sich Valerie. „Ich habe mich gefragt, warum ich überhaupt gekämpft hatte, warum ich mich wieder und wieder in die Beziehung habe fallen lassen, nur um erneut so verletzt zu werden – mehrfach.“

    Heute sind Valerie und ihr Mann noch immer zusammen. Ob das so bleibt? Valerie geht davon aus: „100 Prozent sicher kann man sich da aber nie sein.“ Die Kinder des Ehepaares sind mittlerweile im Grundschulalter. Die Entscheidung, zusammenzubleiben, haben sie sich nicht leicht gemacht. Beide. „Aber wir haben uns nicht nur wegen der Kinder dafür entschieden“, betont Valerie.

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    Beide haben sich Hilfe geholt. Jeder für sich und gemeinsam. „Das war total wichtig, und ich würde es jedem nur empfehlen“, sagt Valerie. Die Therapie habe ihnen geholfen, sich, aber auch den anderen, besser zu verstehen, die Dynamik in ihrer Beziehung, eigene Bindungsprobleme, Kompensationsmechanismen, Selbstzweifel.

    „Wir haben bewusst Verantwortung für uns, unser Verhalten und unsere Beziehung übernommen“, findet Valerie. „Es gab uns die Chance, das Geschehene unter neutraler Begleitung zu verarbeiten, uns nicht in Opferrollen und Schuldfragen zu verlieren.“

    Heute wisse sie, dass auch sie ihren Anteil daran hatte, dass es zum Betrug kam, meint Valerie. Auch wenn sie damit das Verhalten ihres Mannes keinesfalls rechtfertigen oder diesen Satz als Freifahrtschein für andere, ihren Partner oder ihre Partnerin zu betrügen, verstanden wissen will.

    „Mein Mann hatte einen neuen Chef, der ihn ständig kritisierte, bekam Druck von Kunden, es gab Personalmangel. Zusätzlich habe ich mich ständig beschwert, dass er mich zu wenig unterstützt, ihm Vorwürfe gemacht“, erinnert sich Valerie. „Wenn er mir von der Arbeit erzählte, gab ich kluge Ratschläge, was er alles anders, besser machen muss, baute noch mehr Druck auf, statt einfach mal zuzuhören.“ Er habe sich nur noch als Versager gefühlt, erzählt Valeries Mann ihr irgendwann. Das habe er nicht mehr ausgehalten – und wieder den gleichen Fehler gemacht.

    Fremdgehen in der Ehe war für Betroffene nicht nur schlechte Erfahrung

    „Am Ende bin ich am Fremdgehen meines Mannes aber nicht nur zerbrochen, sondern auch gewachsen“, sagt Valerie. Ihm gehe es genauso. „Auch wenn wir diese Erfahrung gut missen könnten und der Weg alles andere als einfach war.“ Heute könnten beide ihr Verhalten und Konflikte viel besser reflektieren, gemeinsam Lösungen finden.

    Bis sie so weit waren, lebten Valerie und ihr Mann eine ganze Weile eher als WG-Partner als Eheleute zusammen. „Wir brauchten die Distanz, um uns bewusst zu werden, ob wir wirklich weiter ein Paar bleiben wollen – insbesondere ich“, sagt Valerie.

    Jede Zuwendung ihres Mannes habe ihren inneren Schutzwall anfangs noch verstärkt. „Ich hatte Angst, dass ich mich von einem weiteren Vertrauensbruch nicht mehr erholen kann.“ Doch irgendwann habe sie wieder Verbundenheit gespürt. Das sei der Punkt gewesen, an dem ihr klar wurde, dass sie für die Ehe kämpfen will, so Valerie. Keine leichte Entscheidung.

    „Vielleicht wollte ich auch einfach nicht aufgeben, nach allem, was ich bisher investiert hatte“, überlegt die zweifache Mutter. Erneut atmet sie schwer. Schaut gedankenverloren aus dem Fenster. Nach einer langen Pause sagt Valerie überzeugt und mit einem warmen Lächeln im Gesicht. „Nein, ich liebe ihn wirklich. Und dass Liebe manchmal nicht einfach ist, das kennen wohl die meisten. Manche wollen es nur nicht wahrhaben oder zugeben.“