Berlin. Brain Fog verlangsamt das Denken und mindert die Konzentration. Was sind die Ursachen? Und was kann man tun? Eine Expertin klärt auf.

Birgit Querengäßer

Die Beschwerden sind so schwer greifbar, dass man beginnt, an sich zu zweifeln. Es gibt ja keinen sichtbaren Beweis. Man kann einfach nicht mehr so gut denken. Konnte man sich bislang auf das eigene Gehirn verlassen, starrt man jetzt immer wieder auf Textnachrichten und scheitert daran, deren Sinn zu erfassen. Oder braucht lange, um in Gesprächen Antworten zu formulieren. Dabei war man früher schnell, wortgewandt und schlagfertig. Und dann dieser diffuse Zustand im Kopf. Klares Denken nicht mehr möglich.

Der Begriff Brain Fog, Gehirnnebel also, beschreibt jene Bewusstseinstrübung sehr treffend, die Mediziner schon länger kennen und die erst durch die Corona-Pandemie wirklich Aufmerksamkeit bekommt. Denn Brain Fog tritt nach der Infektion häufig auf. In einer Studie der Universitäten Cambridge und Exeter gaben 69 Prozent der befragten Long-Covid-Patienten an, darunter zu leiden. Aber es gibt neben der Viruserkrankung weitere Ursachen. Und einiges, was man dagegen tun kann.

Brain Fog: Es gibt keine einheitliche Diagnose

Wie kompliziert Brain Fog ist, zeigt sich schon beim Versuch, das, worum es geht, konkret zu fassen. Als medizinische Diagnose existiert Gehirnnebel nicht. Ärzte sprechen eher von einem Zustand, der sich durch bestimmte Symptome auszeichnet: langsames Denken, Konzentrationsschwierigkeiten, Probleme, die Aufmerksamkeit auf eine Sache zu richten, Erinnerungslücken, Schwierigkeiten, Neues zu lernen, Sprachstörungen, Erschöpfung.

Brain Fog – also Gedächtnisnebel – kann durch Symptome wie Konzentrationsprobleme Betroffene im Alltag stark belasten.
Brain Fog – also Gedächtnisnebel – kann durch Symptome wie Konzentrationsprobleme Betroffene im Alltag stark belasten. © Shutterstock / Naeblys | Naeblys

Die irische Neurowissenschaftlerin und Gesundheitspsychologin Sabina Brennan verwendet folgende Definition: „Brain Fog ist Anzeichen oder Symptom eines gesundheitlichen Problems, eine Nebenwirkung eines bestimmten Arzneimittels, das Resultat hormoneller Veränderungen oder die Folge einer neuen Ernährungsweise oder eines neuen Lebensstils.“

Mit „Brain Fog. Der Nebel im Gehirn“ hat Sabina Brennan einen der ersten Ratgeber für Betroffene verfasst (Goldmann, 14 Euro). Er nennt neben viralen auch bakterielle Infektionen als mögliche Auslöser einer Bewusstseinstrübung. Infrage kommen zudem Diabetes, Krebs, Zöliakie oder Migräne. So berichten fast 70 Prozent der Migräne-Patienten laut Untersuchungen von Brain Fog. Auch Stress, bestimmte Medikamente, Schlafmangel oder hormonelle Veränderungen wie in der Schwangerschaft oder Menopause werden von Brain Fog begleitet.

Studien geben erste Hinweise auf biologische Ursachen

Welche Prozesse Gehirnnebel im Einzelnen entstehen lassen, können Wissenschaftler nicht beantworten. Die Forschung steht noch ziemlich am Anfang. Aufmerksamkeit haben deshalb die Ergebnisse eines Teams von der kalifornischen Universität Stanford erregt: Bei Patienten mit einem milden Corona-Verlauf entdeckten sie Entzündungen im Gehirn, die zu einer Verlangsamung der Hirnaktivität führen.

Australische Neurobiologen wiederum wiesen nach Covid-19-Infektionen Eiweißablagerungen im Gehirn nach, die man sonst bei Demenz beobachtet. Die Berliner Charité schaute sich zusammen mit einem Team der Universität Köln die Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit an und stieß auf antineuronale Antikörper, was auf eine Autoimmunreaktion hindeuten könnte. Nachweise für Veränderungen bei Brain Fog gibt es also durchaus, aber eben auch noch viele Fragen. Sicher ist dagegen: Gehirnnebel ist real und ein Anzeichen dafür, dass etwas im Körper nicht stimmt.

Das Ausmaß von Brain Fog ist nur schwer messbar

Man schätzt, dass weltweit etwa 600 Millionen Menschen unter sogenannten kognitiven Funktionsstörungen leiden. Ein System, um festzuhalten und verständlich zu machen, wie sehr man unter Brain Fog leidet, existiert aber nicht. Weil der Nebel im Gehirn so unterschiedlich ausgeprägt sein kann, lässt er sich schwer messen.

Regelmäßige Bewegung sowie ausreichend Schlaf können die Symptome von Brain Fog lindern.
Regelmäßige Bewegung sowie ausreichend Schlaf können die Symptome von Brain Fog lindern. © imago/Westend61 | imago premium

„Das Spektrum reicht von leichten Symptomen bis hin zu sehr schweren, von permanenten bis hin zu regelmäßig wiederkehrenden“, schreibt Neurowissenschaftlerin Sabina Brennan. „Brain Fog kann einige Tage dauern oder auch mehrere Jahre, er kann nur einen Teil des kognitiven Denkens schwächen oder mehrere.“

Brain Fog: Wann man zum Arzt gehen sollte

Um Betroffenen etwas an die Hand zu geben, greifen Mediziner inzwischen auf einen Fragebogen zurück. Dabei muss man angeben, ob man mit einer der folgenden Aufgaben neuerdings Schwierigkeiten hat:

  • Entscheidungen treffen
  • Probleme lösen
  • planen
  • einen klaren Gedanken fassen
  • Neues lernen
  • die richtigen Worte finden
  • sich räumlich orientieren
  • sich konzentrieren

Gefragt wird außerdem, ob man seit einer Weile unorganisiert oder zerstreut ist, eine ungewohnt kurze Aufmerksamkeitsspanne hat, vergesslich ist, mental erschöpft und ob man das Gefühl hat, das Gehirn arbeite langsamer. Treffen mehrere Kriterien auf einen selbst zu, sollte man mit einem Arzt reden.

Tipps für den Alltag: Was Betroffenen helfen kann

Lässt sich Brain Fog auf eine klare Ursache zurückführen, sind die nötigen Gegenmaßnahmen meistens klar. Liegt es an der Einnahme eines bestimmten Medikaments, genügt es oft, das Mittel abzusetzen oder durch ein anderes Präparat auszutauschen. Schwieriger wird es, wenn es keinen bekannten Auslöser gibt. Aber selbst dann können ein paar allgemeine Tipps und Maßnahmen helfen, um sich wieder klarer im Kopf zu fühlen.

Wichtig ist vor allem, Stress zu reduzieren. Regelmäßig Pausen einplanen, andere um Hilfe bitten und ausreichend Bewegung haben sich dabei bewährt. Wöchentlich sollte man auf mindestens 150 Minuten moderate Aktivität wie Radfahren und schnelles Gehen oder auf 75 Minuten anstrengende Aktivität wie beim Joggen oder Volleyball kommen.

Expertin rät zu gesunder Ernährung und ausreichend Schlaf

Laut Expertin Sabina Brennan kommt es bei der Behandlung von Brain Fog auch auf eine gesunde Ernährung an. Orientieren könne man sich an der mediterranen Küche, so die Wissenschaftlerin: Omega-3-Fettsäuren, Eisen, Vitamin B12 – für die Hirn- und Gedächtnisleistung sind diese Nährstoffe besonders wichtig. Am besten lässt man die entsprechenden Werte beim Arzt testen.

Schlaf, der für ein gesundes und gut funktionierendes Gehirn sowieso wichtig ist, sollte bei Gehirnnebel auf keinen Fall zu kurz kommen. Sieben bis neun Stunden in einem 24-Stunden-Fenster sollten es sein, gerne auch ein kleiner Mittagsschlaf, so Sabina Brennan.

Schon mit diesen wenigen Maßnahmen verbessert sich die Hirnfunktion oft merklich. Sparen kann man sich dagegen Gehirnjogging-Apps, auch wenn die gerne damit werben, das Denken schneller und klarer zu machen. Neugier sei da viel hilfreicher, rät Sabina Brennan. „Machen Sie eine Liste mit Dingen, die Sie schon immer fasziniert haben, und nehmen Sie sich vor, mehr darüber zu erfahren.“ Thailändisch kochen lernen oder eine neue Sportart ausprobieren – das Gehirn fordern, ohne es zu überfordern, darauf kommt es beim Kampf gegen Brain Fog an.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Zeitschrift „Myself“, die wie diese Redaktion zur Funke Mediengruppe gehört.