Berlin. Das Münchner „Tatort“-Duo Nemec und Wachtveitl hört nach 100 Folgen auf. Was sie für ihren Abschied planen und für die Zeit danach.

Seit 1991 sind Miroslav Nemec, 69, und Udo Wachtveitl, 65, als Kommissare beim Münchner „Tatort“ im Einsatz. Bislang 94 Folgen machten die beiden zum meistbeschäftigten Ermittlerteam der Reihe. Doch mit dem neuen Film „Das Wunderkind“, der am 4. Februar ausgestrahlt wird (um 20.15 Uhr in der ARD), biegt das Duo auf die Zielgerade ein, denn nach 100 Folgen soll nun endgültig Schluss sein. Von Wehmut ist bei den beiden Schauspielern im Interview nichts zu spüren. Gut gelaunt erzählen sie von den Hintergründen ihres Ausstiegs und den Plänen danach.

Eine der Figuren Ihres neuen „Tatort“ schwört auf eine japanische Glückslehre namens Ikigai. Haben Sie die auch studiert?

Udo Wachtveitl: Nicht sehr viel weiter, als es das Drehbuch erfordert, aber vielleicht mache ich schon die ganze Zeit Ikigai und weiß es nicht. Was weiß schon ein Vogel von Ornithologie?

Miroslav Nemec: Mein Glücksrezept besteht darin, dass ich versuche, im Hier und Jetzt zu leben. Und es hat mir auch immer eingeleuchtet, dass der Weg das Ziel ist. Man soll einfach gut leben und nicht auf etwas warten, was vielleicht besser ist.

Noch fünf weitere Folgen des Münchener „Tatorts“ sind geplant, dann steigen Miroslav Nemec (r.) und Udo Wachtveitl aus der Reihe aus.
Noch fünf weitere Folgen des Münchener „Tatorts“ sind geplant, dann steigen Miroslav Nemec (r.) und Udo Wachtveitl aus der Reihe aus. © Getty Images | Leonhard Simon

„Tatort“-Schauspieler Wachtveitl: „Werden nicht mit einem Paukenschlag enden“

Sinnigerweise geht es bei Ikigai auch darum, loszulassen. Das tun Sie beide nun beim „Tatort“. Nach fünf weiteren Folgen wollen Sie aufhören. Geht das so locker?

Nemec: Locker ist es sicher nicht. Wenn man etwas ernst nimmt und damit Erfolg und auch Spaß hat, gibt man das nicht besonders gerne weg. Aber wir haben eben noch einen Spielraum von fünf 90-Minütern. Das reicht, um sich darauf einzustellen.

Wachtveitl: Momentan überwiegen noch die tagesaktuellen Fragen. So sind wir gerade in Drehbuchbesprechungen für die nächste Folge. Und weil wir die Ende Februar drehen, denke ich eher daran, dass ich mir dafür noch lange Unterhosen kaufen muss. Wir haben jetzt noch knapp zwei Jahre, das ausklingen zu lassen und werden nicht mit einem dröhnend-heroischen Paukenschlag enden. So nach dem Motto: „Einer von uns wird erschossen und der andere zieht sich trübsinnig ins Privatleben zurück.“

Nemec: Heute vor diesem Interview habe ich noch zu Udo gesagt: „Hast du gelesen, die Münchner Kommissare hören mit dem ‚Tatort‘ auf“, und er sagt: „Ehrlich?“. Das heißt, man betrachtet das noch von außen, als wäre man nicht selbst betroffen.

Nach „Tatort“-Ausstieg: Was Nemec und Wachtveitl jetzt planen

Hätten Sie nicht noch ein paar Jahre drauflegen können?

Wachtveitl: Der „Tatort“ ist ein realistisches Medium. Im Theater können schon mal Frauen Männer spielen und Junge die Alten und umgekehrt. Aber wenn wir mit dem Rollator auf Verbrecherjagd gehen, wäre das albern. Würden die Leute sagen „Es wird aber auch höchste Zeit“, dann hätten wir den richtigen Zeitpunkt verpasst.

Können Sie es sich denn leisten, in den Ruhestand zu gehen?

Nemec: Leisten könnte ich ihn mir schon, aber will ich das? Wir wollen und werden natürlich auf der Bühne und im TV weiterarbeiten, solange uns der Beruf Spaß macht. Übrigens, mein ältester Kollege am Residenztheater war 97, nur als Anmerkung (lacht).

Wachtveitl: Das erlaubt dir auch, von zuhause weg zu sein.

Nemec: Das ist nicht unbedingt mein Anliegen, denn ich bin sehr gerne zuhause, aber ich arbeite eben auch gern.

Im „Tatort: Das Wunderkind“ ermitteln die Münchner Kriminalhauptkommissare Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl, M.) und Ivo Batic (Miroslav Nemec, r.) im Gefängnis.
Im „Tatort: Das Wunderkind“ ermitteln die Münchner Kriminalhauptkommissare Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl, M.) und Ivo Batic (Miroslav Nemec, r.) im Gefängnis. © BR/Sappralot Productions GmbH/He | Ard

Sind Sie eigentlich auf den Sender zugegangen oder hat man Ihnen den Stecker gezogen?

Wachtveitl: Wir haben das gemacht – gemeinsam mit unserem Redakteur und unserer Programmchefin. Aber niemand hat dem anderen die Pistole auf die Brust gesetzt. Weder wollten wir den „Tatort“ unter Protest mit wehenden Fahnen verlassen, noch wollte der Sender uns hinauswerfen.

Es gab diese runde Zahl als kleinen äußeren Anlass, aber alles geschah in großer Freundlichkeit, Loyalität und Kooperation. Wobei ich natürlich weiß, dass das für die journalistische Zunft langweilig klingt. Ich würde gerne von einem Riesenkrach und künstlerischen Kämpfen bis aufs Blut berichten, aber es wäre halt gelogen.

Nemec: Wir haben ja in der verbleibenden Zeit noch die Chance, dass was passiert.

Auch wenn Sie das Ende noch aus der Distanz sehen – glauben Sie, dass sich ein Gefühl der Wehmut einstellen wir, sobald es soweit ist?

Nemec: Es wird sicher traurige Momente geben. Wenn das letzte Drehbuch auf dem Tisch liegt, die letzte Szene gedreht wurde, die letzte Klappe gefallen ist, dann werden wir vermutlich rührselig und sentimental. Jedenfalls wird das Gefühl ambivalent sein, denn man wird auch daran denken, was jetzt Neues kommt. Und die Freude über das Erreichte wird immer bleiben.

Dennoch sind die Tatortkommissare nicht nostalgisch

Haben Sie eigentlich einen Hang zur Nostalgie?

Wachtveitl: Für das Alte gilt das Gleiche wie für das Neue: Wenn es gut ist, ist es gut. Ich bin nicht über alle Dinge, die verloren gegangen sind, traurig. Zum Beispiel finde ich es gut, dass es keine solche Asymmetrie im Geschlechterverhältnis mehr gibt.

Nemec: Die Haltung, dass früher war alles besser war, teile ich auch nicht.

Wachtveitl: Ich muss da an die Zahnarztbesuche ohne Spritze denken. Das war kein Spaß. Natürlich gibt es Sachen von früher, die angenehm waren. Ich mag den Klang der bayerischen Sprache, die man nicht mehr so oft hört. Auch habe ich schöne Erinnerungen an all die Hörspiele und Wortsendungen, die ich seinerzeit beim Bayerischen Rundfunk gemacht habe. Die sind viel weniger geworden.

Sie sprachen davon, dass sich die Asymmetrien im Geschlechterverhältnis ausgleichen. Führt das dazu, dass Sie als „alte weiße Männer“ sich künftig schwerer tun, Rollen zu finden?

Nemec: Künftig, da schaun‘ ma mal. Sich jetzt Sorgen zu machen, bringt nichts. Da versaut man sich nur die Lebenszeit. Was die Asymmetrie angeht, höre ich inzwischen oft, dass gute, gestandene Regisseure weniger Jobs bekommen, weil sie weder einer Minderheit angehören noch eine Frau sind.

Ich halte das für falsch, denn das sollte ja eine Frage der Qualität sein. Aber das wird sich hoffentlich einpendeln. Im Übrigen haben wir beide es beim BR seit 35 Jahren mit überwiegend weiblichen Programmverantwortlichen mit Qualität zu tun.