Berlin. Die „Tatort“-Schauspielerin offenbart, wie lange sie ihre Rolle als Lena Odenthal spielen wird und warum ihr Outing ein Versehen war.
Direkt im neuen Jahr geht es mit einem „Tatort“ aus Ludwigshafen („Avatar“, 7. Januar, ARD, 20.15 Uhr) los. Seit mehr als 30 Jahren schon spielt Ulrike Folkerts (62) die Kommissarin Lena Odenthal. Damals war sie erst die dritte Frau, die eine „Tatort“-Hauptrolle übernahm. Doch damit nicht genug, Folkerts hat einen komplett neuen Frauentyp geboren – in Lederjacke und in keiner Weise immer nett und freundlich lächelnd.
Sie waren die Frau mit der klaren Kante. War Ihnen das damals bewusst, wie sehr Sie das Image der Frau verändert haben?
Ulrike Folkerts: Nein, das war mir nicht bewusst, aber ich hatte großen Spaß, an dem Image der Odenthal mitzuwirken. Ich war dankbar meine Sportlichkeit und Schroffheit, Schnelligkeit und Klugheit dieser jungen Polizistin zur Verfügung zu stellen. Wir haben da tatsächlich einen neuen Frauentyp erschaffen, eine Frau, die ernst zu nehmen und bis heute authentisch ist.
So lange in einer Rolle zu bleiben, ist ja oft Segen wie Fluch. Wie ist es für Sie?
Folkerts: Mehr Segen als Fluch, das kann ich nach all den Jahren sagen. Ich liebe diese Rolle, ich habe so viele spannende Krimis gedreht, mit so großartigen Kollegen:innen vor der Kamera gestanden, alle möglichen Regisseur:innen kennengelernt, mich ausprobiert, weiter entwickelt, mir einen Ruf erarbeitet. Ich habe mich eines Tages ganz und gar für Lena Odenthal entschieden und bin damit gut gefahren.
- Das könnte Sie auch interessieren:Anne Ratte-Polle – „Zur Not mache ich etwas anderes“
Folkerts – das unterscheidet sie von ihrer Rolle als Lena Odenthal
Was mögen Sie besonders an Lena Odenthal?
Folkerts: Lena Odenthal ist einfach eine coole Socke. Sie scheint ein bisschen unnahbar, auch manchmal für ihre Kolleginnen und Kollegen, handelt intuitiv und impulsiv und bezieht nicht immer alle mit ein. Sie kann rennen, schnell und gut , schießen, wenn es sein muss und ist im Verhör klug, hart, streitbar und genau. Sie ist eine einsame Wölfin, es gibt ihren Beruf und wenig Privates, sie ist zuverlässig und loyal ihren Kolleginnen und Kollegen gegenüber. Ich glaube, Johanna Stern ist die Einzige, die Lena etwas sagen kann, ihr manchmal einen Spiegel vorhält.
Welche Ähnlichkeiten haben Sie zu Lena Odenthal? Und was unterscheidet Sie?
Folkerts: Lena ist Kriminalhauptkommissarin, ich bin Schauspielerin, das ist sicher der größte Unterschied. Niemals wäre ich auf die Idee gekommen, zur Polizei zu gehen. Lena ist einsam, ich liebe meinen großen Freundeskreis und lebe in einer Beziehung. Lena hat meine Sportlichkeit, meine Ruppigkeit, meine Streitfähigkeit, sie legt sich auch gern mit Vorgesetzten an, das habe ich inzwischen durch Diplomatie abgelegt. Lena ist eine echte Freundin für mich, mit der ich durch dick und dünn gehe.
- Selbstliebe: Achtsamkeit – Warum der Trend problematisch sein kann
- Positives Denken: Optimismus lernbar? Experten geben wichtige Tipps
- Null Fehlertoleranz: Wann Perfektionismus schädlich ist
- Sexsucht:Betroffene berichtet – „Ich hatte keine Kontrolle mehr“
Folkerts: „Ich entschied mich für die Flucht nach vorn“
Vor allem als „Tatort“-Kommissarin sind Sie Millionen Menschen vertraut. Aber auch als Buch-Autorin haben Sie viele Fans. In Ihrem Buch „Ich muss raus“ sprechen Sie auch über Ihr Engagement in der Initiative „act out“, in der sich 185 Schauspieler zu Diversität bekannt haben. Sie hatten sich bereits 1999 als lesbische Frau geoutet. Warum war Ihnen das jetzt noch einmal wichtig?
Folkerts: Wir brauchen Vorbilder und mehr Sichtbarkeit von „LGBTQIA+“ (Abkürzung für lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle/Transgender-, queere, intersexuelle und asexuelle Menschen; Anm. d. Red.). Mich hat erschreckt, dass wir über 20 Jahre nach meinem Outing in unserer Branche nicht von Toleranz sprechen können, sondern immer noch diskriminiert werden. Um so wichtiger war dieses Manifest der 185 Schauspielerinnen und Schauspieler, damit sich langfristig etwas ändert. Diversität ist nun deutlich sichtbarer im öffentlich-rechtlichen Fernsehen.
Was ist Ihnen von den Reaktionen auf Ihr Outing vor mehr als 20 Jahren in Erinnerung geblieben?
Folkerts: Mein Outing war eher ein Versehen, ich saß in der Jury eines schwul-lesbischen Songcontests – da wurde die Yellowpress hellhörig und stellte die Frage in den Raum, ob ich lesbisch sei? Meine Angst war tatsächlich, dass ich meinen Job verlieren könnte, aber der SWR hat sich sofort hinter mich gestellt. Außerdem wollte ich meine Familie beschützen, die nun mit dieser Schlagzeile umgehen musste. Alles nicht sehr schön damals. Ich entschied mich für die Flucht nach vorn und sprach sehr viel über meine Lesbischsein, unter dem Motto: Na und?!
„Tatort“-Schauspielerin: So denkt sie über das Gendern
Müssen Sie sich heute noch rechtfertigen, weil Sie Frauen lieben?
Folkerts: Einen Teufel werde ich tun. Nein.
- Lesen Sie auch:Sibel Kekilli – Doku konfrontiert sie mit trauriger Realität
Werden Schauspieler auch heute noch benachteiligt, wenn sie homosexuell oder transgender sind?
Folkerts: Es gibt Gerüchte, dass uns das schadet. Entscheidungen über Besetzungen werden hinter verschlossenen Türen gefällt. Ich möchte darüber nicht nachdenken, sondern aufgrund meiner Arbeit und schauspielerischen Fähigkeit besetzt werden.
Was halten Sie persönlich vom Gendern?
Folkerts: Ich finde es gut und es macht mir Spaß, auch wenn ich weiterhin üben muss, schließlich habe ich Jahrzehnte nicht gegendert, es ist neu und manchmal etwas holprig.
Die Welt hat sich verändert. Bildet das Fernsehen diese Veränderung genügend ab?
Folkerts: Ich denke, es hat ein Umdenken begonnen, wir stecken aber noch in den Anfängen. Ich finde es ein bisschen zu aufgesetzt und drüber gestülpt, dass es jetzt in jedem TV-Film „kunterbunt“ zugeht. Diversität ist wichtig, aber sie muss eine Selbstverständlichkeit bekommen, dass wir beim Schauen gar nicht mehr darüber nachdenken müssen.
- Schlagerstar: Beatrice Egli über Liebe – „Sollen die Menschen spekulieren“
- Sängerin:Conchita Wurst – „Ich konnte das alles nie verarbeiten“
- Promi: Barbara Becker – Das ist mit allen meinen Ex-Partnern so“
- Moderatorin: Ina Müller über „LOL“ – „Es weht ein sehr rauer Wind“
Welche Beispiele fallen Ihnen ein, wie man die TV-Figuren in ihrer Vielfalt darstellen kann?
Folkerts: Ginny und Giorgia bei Netflix – für mich die bisher beste Serie, wo es gelingt, divers zu erzählen ohne irgendwelche Zeigefinger.
- Auch spannend:Collien Ulmen-Fernandes – „Man wurde oft begrabbelt“
Migranten, Homosexuelle, Menschen mit Handicap – sie sind im TV nicht selbstverständlich. Woran liegt das?
Folkerts: Gute Frage, ehrlich gesagt kann ich die nicht beantworten. Es liegt an den Machern:innen, vielleicht sind die nicht divers genug?!
Ulrike Folkerts über ältere Frauen im TV: „Da ist noch eine Menge zu tun“
Sie sind jetzt 62 Jahre alt. Fernsehtechnisch ein schwieriges Alter?
Folkerts: Ja, es gibt Statistiken, die belegen, dass es immer weniger Rollen für Frauen in höherem Alter gibt. Heißt, wir brauchen gute Geschichten, tolle Autoren:innen, die genau dem etwas entgegensetzen und Produzenten:innen, die das fördern. Da ist ziemlich viel in Bewegung und noch eine Menge zu tun.
Die Festlegung auf Frauen, die vor allem im Familienbund angesiedelt sind, findet ja schon früh statt. Sie zeigten schon vor mehr als 30 Jahren, dass es auch einen anderen Frauentyp gibt. So unabhängig und eigenwillig, fast hat man den Eindruck, dass man damals weiter war als heute.
Folkerts: Ein interessanter Einwand. Im Moment ist ziemlich viel im Umbruch. Ich bin guter Hoffnung, dass es für Frauen wie mich noch eine Menge zu spielen geben wird.
Wenn wir an „Ich muss raus“ denken. Müssen Sie auch aus der Kommissarinnen-Rolle raus?
Folkerts: Nein, das muss ich nicht raus, das mache ich so lange, bis Lena Odenthal in Rente geht.
Welche Rolle würden Sie gerne spielen?
Folkerts: Da bin ich offen für Vieles. Von historisch bis Komödie, von durchgedreht, bis bösartig, eine Heldin, eine Aktivistin, eine Abenteurerin – ich habe noch eine Menge Potential.