Berlin. Aufputschmittel als schneller Weg zu Glücksgefühlen? Nur bis zum Absturz. Gaby Guzek über Kokain, Amphetamine und ihre Risiken.

Euphorie auf Knopfdruck, die Glücksexplosion im Kopf und Power ohne Ende. Diese emotionalen Höhenflüge versprechen illegale Aufputschmittel wie Kokain, Ecstasy oder Amphetamine. Als Partydrogen verniedlicht, bringen sie ihren Konsumenten vor allem eines: eine kaputte Hirnchemie und einen Haufen Probleme, wenn sie damit aufhören wollen.

Kokain galt früher als die Droge der Reichen und Schönen. Heute ist Koks längst auch in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Die Herstellung läuft heute rein chemisch in irgendwelchen Hinterhoflabors und hat die Preise fallen lassen. Kokain treibt den Dopaminspiegel im Gehirn – also des Nervenbotenstoffes, der für Belohnung und Motivation zuständig ist – in schwindelerregende Höhen.

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Kokain-Gefahren: Aufputschmittel sorgt nach kurzem Hoch für extremen Abstieg

Mit im Spiel sind auch die Nervenbotenstoffe Noradrenalin und Serotonin. Im Kokainrausch fühlt man sich blitzwach und strotzt vor Selbstbewusstsein, soziale und sexuelle Hemmungen fallen. Der Effekt setzt nur Sekunden nach dem Konsum ein. Allerdings hält ein Kokainrausch nicht lange an, nach einer Stunde ist meist alles vorbei. Danach geht es steil abwärts: Niedergeschlagenheit, Müdigkeit oder sogar Angstzustände und Schuldgefühle stellen sich ein. Bei schwerem Konsum kann das bis zu Depressionen und Selbstmordgedanken führen.

Allein um das zu vermeiden, legen viele dann nach. Dazu kommt: Das will das Supermann-Gefühl wiederhaben. Kein Wunder, dass Kokain sehr schnell süchtig macht. Zwar konsumieren die meisten Kokain nicht dauerhaft, sondern sozusagen in Schüben und dafür heftig – der Effekt auf das Gehirn ist aber derselbe.

Kokain ist längst keine reine Partydroge der Reichen mehr, sondern in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
Kokain ist längst keine reine Partydroge der Reichen mehr, sondern in der Mitte der Gesellschaft angekommen. © Getty Images/iStockphoto | Devenorr

Dazu kommt, dass regelmäßiger Kokainkonsum den vorderen Hirnbereich schrumpfen lässt. Der kontrolliert unter anderem unsere Impulse und unser Risikoverhalten. Schmilzt dieser Bereich durch das Kokain zusammen, hat der Betroffene noch viel weniger Chancen, dem intensiven Suchtdruck zu widerstehen. Der Verstand ist buchstäblich ausgeschaltet. So viel übrigens auch zu dem Märchen, Kokain mache nicht körperlich abhängig und eigne sich deshalb sozusagen als Freizeitdroge.

Amphetamine: bei ADHS sogar verschrieben

Ähnlich wirken auch Amphetamine, zu denen gleich ein ganzer Blumenstrauß von Substanzen zählt. Zwar wirken sie alle leicht unterschiedlich. Gemein ist allen: Sie möbeln auf, steigern die Leistung und sind illegal. Die Amphetamin-Variante Methylphenidat kommt allerdings in der Medizin zum Einsatz. Sie hilft Menschen mit einem , diese bekommen sie als Medikament verschrieben.

Autorin Gaby Guzek ist Wissenschaftsjournalistin und Coach. In unserer Serie „Raus aus der Sucht“ beleuchtet sie verschiedene Süchte und Wege aus der Abhängigkeit.
Autorin Gaby Guzek ist Wissenschaftsjournalistin und Coach. In unserer Serie „Raus aus der Sucht“ beleuchtet sie verschiedene Süchte und Wege aus der Abhängigkeit. © Carmen Wilhelmer | Carmen Wilhelmer

Schmunzler am Rande: Unter Leistungssportlern finden sich besonders viele Menschen mit der Diagnose ADHS – und man fragt sich, wie das kommt. Insider sagen, so mancher Sportler habe die Krankheit eigentlich gar nicht. Die Diagnose ermöglicht es Athleten aber, legal Amphetamine zu schlucken. Die stehen zwar auf der Dopingliste, für Sportler mit ADHS gibt es aber Ausnahmen.

Ecstasy: MDMA keine harmlose Partypille

Eines der bekanntesten Amphetamine ist MDMA (Ecstasy). Dieses kitzelt außer dem Dopamin auch noch den Nervenbotenstoff Serotonin auf Höchststände. Das sorgt für dieses rosarote Gefühl, im Drogenrausch mit anderen Menschen emotional verbunden zu sein. Psychiater verordneten MDMA in den 1980er-Jahren zur Steigerung der Kontaktfreudigkeit. Die „Love Parade“, die größte Techno-Party der Welt und Ecstasy-Hotspot, hieß ja nicht umsonst so.

Im Jahr 2000 hatte die Love Parade ein prominentes Opfer: Gotthilf Fischer. Dem früheren Gründer der berühmten Fischer-Chöre hatte wohl jemand MDMA untergemogelt. Der Altmeister schmetterte vor den Ravern noch sein „Hoch auf dem gelben Wagen“. Später im Hotelzimmer sah er bunte Papageien, erzählte er dem „Spiegel“. Im Bad erschienen ihm seine singenden Fischer-Chöre. Der Arme rief einen Arzt. Dieser diagnostizierte: Drogenrausch. Fischers unfreiwilliges Ecstasy-Erlebnis brachte immerhin mit sich, dass viele Menschen von den teilweise schrecklichen Nebenwirkungen der angeblich so harmlosen Partypillen erfuhren.

Aufputschmittel und Antidepressiva: ein tödliches Duo

Lebensgefährlich werden MDMA für Menschen, die gleichzeitig Antidepressiva einnehmen. Ecstasy presst Serotonin aus den Zellen und verhindert dessen Wiederaufnahme in den Nerven. Das tun auch Antidepressiva (SSRI).

Wer diese nimmt und gleichzeitig Ecstasy schluckt, bringt sich unter Umständen in Lebensgefahr. Das kann zu einem sogenannten Serotonin-Syndrom führen – ein Zustand, der im Extremfall medizinisch nicht mehr beherrschbar ist. Der Körper überhitzt, Temperaturen von bis zu 41 Grad zerstören die Gewebe, das Gehirn „kocht sich tot.“

Amphetamine zerschmettern das Dopamin- und das Serotoninsystem und damit die beiden wichtigsten Wohlfühl-Botenstoffe. Einem Amphetamin-High folgt deshalb ein tiefes Stimmungsloch. Aber wie das so ist mit Abhängigen: Sie finden immer Verniedlichungen für die Folgen ihres Konsums. Das Ganze nennen sie dann „Comedown“ oder „MDMA-Kater.“

Ein Ecstasy-befeuertes Partywochenende mündet im „Blue Tuesday“, also einem ausgeprägten Depri-Loch am Wochenanfang. Übrigens ist es wirklich der Dienstag, der den meisten schwer zu schaffen macht. So lange hält Ecstasy den Serotoninspiegel künstlich hoch.

Aufputschmittel können in Kombination mit Antidepressiva tödlich wirken.
Aufputschmittel können in Kombination mit Antidepressiva tödlich wirken. © Getty Images/iStockphoto | orcearo

Entzug: Die Auswege aus Kokain und Amphetaminen

Einen Standardweg heraus aus Koks und Amphetaminen gibt es nicht. Alles hängt von der Konsummenge, -dauer und -häufigkeit ab. Auch ob jemand gleichzeitig andere Suchtmittel zu sich nimmt oder gar von ihnen abhängig ist, spielt eine entscheidende Rolle. Kommt viel zusammen, ist der Entzug in der Klinik sicherlich die weisere Entscheidung. Abhängige von Chrystal Meth gehören auf jeden Fall dorthin. Wer unsicher ist, sollte sich unbedingt professionell beraten lassen. Anlaufstelle ist der Arzt oder eine Suchtberatungsstelle.

Im Entzug stellen sich teilweise massive Schlafstörungen ein, Ängste und Depressionen bis zu Psychosen. Manche bilden sich ein, in ihrer Haut lebten Insekten oder Parasiten, Ärzte sprechen dann von einem Dermatozoenwahn. Solche üblen Begleiterscheinungen lassen sich zwar mit Medikamenten in den Griff bekommen. Schön ist aber was anderes.

Zur Person

  • Gaby Guzek ist seit mehr als 30 Jahren Fachjournalistin für Wissenschaft und Medizin.
  • Sie arbeitete nach ihrem Studium unter anderem bei der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und der Fachzeitschrift „Die Neue Ärztliche“. Jahrelang selbst von schwerer Alkoholsucht betroffen und mit den Therapiemöglichkeiten unzufrieden, begann sie, sich intensiv mit dem Phänomen Sucht auseinanderzusetzen. 2020 veröffentlichte sie im Eigenverlag ihr Buch „Alkohol adé“* und steht heute als Coach unter gaby-guzek.com und in ihrem Forum alkohol-ade.com Alkoholsüchtigen zur Seite.
  • Ihr aktuelles Buch „Die Suchtlüge. Der Mythos von der fehlenden Willenskraft: Wie Sucht im Hirn entsteht und wie wir sie besiegen“ ist bei Heyne erschienen.

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