Berlin. Jugendliche gelangen leicht an Alkohol und Cannabis. Wie Eltern richtig aufklären und was im Gespräch tabu ist, erklärt ein Experte.
Ob Eltern es wollen oder nicht: Mit zunehmendem Alter werden Kinder und Jugendliche mit Drogen konfrontiert sein. Sei es bei der Feier innerhalb der Familie, wo mit Bier und Sekt angestoßen wird. Oder aber wenn ältere Mitschüler auf dem Schulhof aufgeregt über ihre ersten Erfahrungen mit dem Rauchen von Cannabis plaudern. Selbst in Serien und Spielfilmen im TV und im Netz sehen Jüngere die Schauspiel-Stars lässig trinken und rauchen – ohne dass großes Getöse darum gemacht wird. Die geplante Legalisierung von Cannabis für Erwachsene könnte dem weiten Vorschub leisten.
Der Konsum von Alkohol, Cannabis und anderen Drogen birgt für junge Menschen ein besonders hohes Risiko für ihre Gesundheit – hier sind sich Medizinerinnen und Mediziner weitestgehend einig. Gehirn und Körper befinden sich noch in der Entwicklung, je nach individueller Menge steigt das Risiko für psychische Erkrankungen oder sowie körperliche Schäden.
Kein Wunder also, dass Eltern sich Sorgen machen, wenn ihr Kind mit Rauschmitteln in Berührung kommt. Experten zufolge sollten sie schon möglichst früh mit ihrem Nachwuchs über Drogen sprechen. Damit das Gespräch gelingt, gibt es einiges zu beachten.
Die besten Artikel der Serie „Raus aus der Sucht“
- Alkohol: Als Partnerin nicht zur Co-Abhängigen werden – Expertin rät zu hartem Kurs
- Ist Sucht vererbbar? Warum der eine süchtig wird und der andere nicht
- Erfahrungsbericht: 20 Jahre abhängig von Alkohol – Wie Gaby der Sucht entkam
- Ursachen: Das Autobahn-Problem: Wie eine Sucht im Gehirn entsteht
Drogen: Wie gefährdet ist mein Kind?
In Deutschland hat laut einem Bericht der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) im Jahr 2019 etwa jeder zehnte 12- bis 17-Jährige schon einmal eine illegale Droge konsumiert. Bei einer aktuelleren Befragung der BZgA zum Alkoholkonsum gaben knapp 58 Prozent aller befragten 12- bis 17-jährigen Jugendlichen im Jahr 2021 an, mindestens einmal im Leben Bier, Schnaps und Co. getrunken zu haben.
Die Gründe, warum Kinder und Jugendliche Drogen probieren, sind vielfältig. Auf der Website „Kinder- & Jugendärzte im Netz“ vom Bundesverband der Kinder und Jugendärzt*innen werden Faktoren wie Gruppenzwang, Schulprobleme aber auch Vererbung aufgezählt. Demnach gerate jeder dritte Jugendliche aus einer suchtbelasteten Familie in eine Abhängigkeit.
- Auch interessant: Psychose durch Cannabis – Wie groß ist die Gefahr wirklich?
Johannes Nießen, Errichtungsbeauftragter des Bundesinstituts für Prävention und Aufklärung in der Medizin und Kommissarischer Leiter der BZgA, sagt: „Kinder und Jugendliche sind neugierig, testen Grenzen und probieren Verschiedenes aus – dazu gehören manchmal auch verbotene Dinge wie der Konsum von Drogen.“ Er ergänzt, dass neben dem sozialen Umfeld, dem Freundeskreis und der Familie auch gesellschaftliche und mediale Einflüsse als Faktoren wirken würden.
Über Drogen sprechen – darauf sollten Eltern achten
Gerade in der Pubertät kann es für Eltern nicht immer einfach sein, die richtigen Worte zu finden – und trotzdem können Gespräche Nießen zufolge hilfreich sein. Ganz allgemein gilt: „Eltern sollten ihre Kinder bei der Entwicklung einer starken, selbstbewussten Persönlichkeit von klein an fördern.“ So könnten die Heranwachsenden im späteren Verlauf Gruppendruck widerstehen und Drogen aktiv ablehnen.
Kinder und Jugendliche kämen meistens zuerst mit Alkohol und Tabak in Kontakt. Nießen rät darum, erst einmal altersgerecht über die Konsumrisiken vom Rauchen und Trinken zu sprechen, bevor später in der Jugend Gespräche über anderen Substanzkonsum folgen.
Aber wie gelingt ein gutes Gespräch – ohne Türenknallen und Trotzreaktionen? Vor allem eine gute Vorbereitung sei wichtig, sagt der Experte: „Bevor Eltern das Gespräch mit ihren Kindern suchen, sollten sie zunächst ihre Einstellung und ihr eigenes Konsumverhalten überdenken.“ Wer sich über Substanzen, ihre Wirkung und die damit verbundenen Risiken informiert, sei für ein vertrauensvolles Gespräch gut gerüstet.
Wer zwischen Tür und Angel das Gespräch mit dem Kind sucht, dürfte eher auf Ablehnung stoßen. Nießen empfiehlt, einen geeigneten Zeitpunkt zu wählen und eine positive Gesprächsatmosphäre zu schaffen, damit das Kind über mögliche Sorgen und Probleme sprechen kann.
Darauf können Sie dem Mediziner zufolge beim Gespräch achten:
- Die Risiken des Substanzkonsums sollten realistisch dargestellt, jedoch nicht verharmlost werden. Am besten ist es, bei den Fakten zu bleiben. Auf Portalen wie www.drugcom.de gibt es hilfreiche Infos.
- Bleiben Sie ruhig und offen, aber setzen Sie klare Grenzen: Es gilt, Regeln mit den Kindern zu besprechen und mögliche Konsequenzen bei Regelverstößen aufzuzeigen.
- Regeln, Verbote und Konsequenzen sollten gemeinsam mit den Jugendlichen festgelegt werden, damit diese besser akzeptiert werden.
- Die Begründung der elterlichen Sorge kann durch „Ich-Botschaften“ vermittelt werden. Beispielsweise „Ich habe Angst, dass …“ anstatt „Du bist immer so abweisend …“.
- Auch wenn Sie fürchten, dass Ihr Kind vielleicht mit Drogen in Berührung kommt oder diese konsumiert, ist es wichtig, ruhig zu reagieren und Sorgen ohne Vorwürfe zu signalisieren.
- Anstelle von Horrorgeschichten und Schreckensszenarien: Sensibilisieren Sie Ihr Kind für die Risiken des Substanzkonsums und für einen eigenverantwortlichen Umgang.
- Suchen Sie sich professionelle Unterstützung, sofern Sie unsicher sind, wie Sie mit dem möglichen Substanzkonsum im Jugendalter umgehen sollen. Eine Übersicht der vor Ort für Eltern bietet die BZgA.
+++ Noch mehr News über die Themenseite Cannabis +++
- Verdampfer: Was Vaporizer können und was erlaubt ist
- Einnahme: Joint oder Vaporizer besser? Klare Empfehlung
- Seit 1. April: Cannabis teils legal – was ist jetzt erlaubt?
- Interaktive Karte: Wo das Kiffen weiter verboten ist
- Gesundheit: Wie medizinisches Cannabis bei Depressionen helfen kann
Konsum der Eltern – was Ihr Kind wissen sollte und was nicht
Eltern haben vielleicht selbst Erfahrungen mit Drogen gemacht. Man müsse seinem Kind aber nicht alles erzählen, was man in seiner Jugend erlebt hat, findet Nießen. „Auch vermeintlich abschreckende Erzählungen können bei Jugendlichen ungewollt Interesse wecken.“
Stattdessen sei es viel wichtiger, was Eltern ihren Kindern vorleben, wie sie selbst mit Belastungen umgehen, ob sie ihre eigenen Grenzen berücksichtigen und sich bei Bedarf professionelle Unterstützung suchen. „Denn Kinder orientieren sich an dem, was in ihrer Familie üblich ist“, so der Arzt.
- Auch spannend: Alkohol und Rauchen – wie Sie einen Monat Pause durchhalten
Mein Kind nimmt Drogen – und jetzt?
„Grundsätzlich ist es wichtig, dass Eltern wissen, wo und mit wem ihre Kinder ihre Freizeit verbringen“, erklärt Nießen. Ein Suchtmittel konsumierender Freundeskreis könne einen negativen Einfluss auf Jugendliche haben. Wichtig sei daher reger Kontakt, damit würden Kinder bei Konflikten im Freundeskreis die Eltern als für sie wichtige Bezugspersonen sehen.
Wer sich unsicher ist, ob das Kind zu Drogen greift, kann laut dem Experten auf folgende Merkmale achten: „Körperliche Symptome wie zum Beispiel gerötete Augen, Schläfrigkeit oder Appetitzunahme können Anzeichen für einen Substanzkonsum sein.“ Auch ein veränderter Bewusstseinszustand zähle dazu. Kontrollen sollten möglichst vermieden werden, um einen vertrauensvollen Rahmen zu schützen.