Essen. . Das Fahrrad macht dem Auto nicht mehr nur Konkurrenz, besonders in der Stadt hat es oft seinen Platz eingenommen. Warum uns das Fahrrad heute so viel wert ist, wie wir es am Laufen halten. Und was uns auf dem Rad im kommenden Jahr erwartet.
Eine gut frequentierte Flaniermeile mitten im Ruhrgebiet, ein nettes Straßencafé: Da kommen zwei nicht mehr ganz junge Jungs angefahren, sehr hipp, sehr selbstbewusst, sichtlich um Aufmerksamkeit bemüht. Und sie kommen nicht etwa mit dem schicken Cabrio oder dem teuren Sportwagen. Sondern mit Fahrrädern. Mit Fixies um genau zu sein, diesen etwas unpraktischen Rädern ohne Freilauf, Schaltung und Bremsen. Aber dafür eben mit hohem Coolness-Faktor.
Was früher mit voller Berechtigung Drahtesel geschimpft wurde, entwickelt sich vor allem in den Großstädten nicht nur zu einer echten Konkurrenz, sondern zu einem ernsten Ersatz fürs Auto. Es scheint, als würde es nicht mehr lange dauern, bis das Automobil sowohl als protziges Statussymbol wie auch als lifestyliger Kleinwagen langsam überholt ist.
Man genießt die praktischen Vorzüge dieses Verkehrsmittels, betont aber gleichzeitig seine ästhetischen Qualitäten. Es ist nicht nur ökologisch und ideologisch gut und richtig, Fahrrad zu fahren. Es ist endlich auch schick geworden. Man kann sich mit einem Fahrrad sehen lassen.
Das Fahrrad ist zum neuen Imageträger geworden, zum filigranen Ausdruck des eigenen Stils und der eigenen Persönlichkeit. Kein Zufall, dass opulente Bildbände reihenweise die Schönheit des Fahrrads preisen, Romane und Essaysammlungen die Sinnhaftigkeit des Radfahrens zu erklären versuchen, große Textilketten Mode für Fahrradfahrer anbieten und an fast jeder Ecke neue Radläden eröffnet werden.
Vorbei die Zeiten, als man sich schämte, mit dem Fahrrad zur Arbeit zu kommen: Es gibt fahrradspezifische Bürokleidung, handgefertigte italienische Lederschuhe, die zum Rad wie zum Anzug passen, schicke Laptoptaschen für den Gepäckträger und Ladestationen für das Smartphone.
Autohersteller kommen gar nicht mehr hinterher
Und der Fahrradmarkt bietet mittlerweile so viele Möglichkeiten zur Individualisierung, dass Autohersteller vor lauter Neid anscheinend gar nicht hinterherkommen, ihre Karossen in Falten zu werfen: Egal, ob puristisches Fixie oder elegantes Retro-Rennrad für den stilbewussten Single, schnelles E-Bike oder kleines Faltrad für den Pendler sowie das praktische Lastenrad, mit dem die Familie Einkauf und Kinder transportiert – ich bin, was ich fahre.
Mit dem Imagewandel hat auch die Bereitschaft zugenommen, mehr Geld zu investieren: Tagfahrlicht und USB-Ladestation, Automatikgetriebe und elektronische Schaltungen – was sich liest wie die Ausstattungsliste eines hochmodernen Neuwagens, ist in Wahrheit aktueller Stand der Fahrradtechnik. Der aber will bezahlt werden. Was manche für ihr neues Rad zu zahlen bereit sind, würde durchaus für ein kleines, gebrauchtes Auto reichen. Wobei man wie bei Huhn und Ei nicht weiß: Was war zuerst da? Die Bereitschaft, mehr fürs Rad auszugeben oder die höheren Preise?
Kein Trend ohne Gegentrend
Aber – kein Trend ohne Gegentrend: Genau wie in der Autobranche gründen einige hochpreisige Fahrradhersteller eigene Günstig-Marken. Um auch jene Fahrradkäufer zu erreichen, die vielleicht nicht ganz so viel für ein neues Rad ausgeben wollen. Denn die soll es ja bei aller Fahrradbegeisterung auch noch geben.
Die beiden Jungs mit ihren Fixie-Rädern sind längst weitergezogen, als ein Mitarbeiter vom Straßencafé zu seiner Schicht kommt: auf einem klapprigen alten Damenrad, das wohl der Mutter gehört. Der Drahtesel hat noch längst nicht ausgedient.
Der Fahrrad-Check: Wer gut schmiert, der gut fährt
Was gibt es Schöneres im Sommer als eine kleine, gemütliche Radtour. Und dann das: Noch vor der ersten Pause tut einem alles weh, das Rad quietscht und klappert, und der Reifen ist auch schon platt. Das muss nicht sein. Ein paar kleine Vorbereitungen, geringe Investitionen – und die nächste Radtour wird zu einem runden Vergnügen.
Öl und Luft
Damit es unterwegs rollt wie geschmiert, gehören ein paar Tropfen Öl auf die Kette, normales Haushaltsöl reicht völlig. Über Nacht einziehen lassen, überschüssiges Öl mit einem Lappen abwischen – fertig: Die quietscht und knarrt schon mal nicht mehr. Ebenfalls wichtig sind die Reifen: Ein bisschen Luft kostet nichts. Drei Bar sollten es schon mindestens sein, damit es gut rollt. Bei einem Markenreifen steht an der Seite, wie viel Druck er mindestens haben muss und maximal haben darf: Je weniger, desto komfortabler; je mehr, desto leichter rollt er.
Nie wieder platt
Wer unterwegs einen Platten vermeiden möchte, hat mittlerweile mehrere Möglichkeiten: Die einfachste und beliebteste ist sicherlich, Reifen mit eingebautem Pannenschutz zu montieren. Die gibt es von allen großen Markenherstellern, werden gern als „unplattbar“ bezeichnet und schützen den Schlauch zuverlässig mit einer dicken Schutzschicht. Nachteil: Ein solcher Reifen kann bis zu 1000 Gramm schwer sein, was sich beim Anfahren und Beschleunigen deutlich bemerkbar macht.
Modernere Reifenkonstruktionen ersetzen die dicke Schutzschicht durch eine dünne Hightech-Faser: Der Schutz ist nahezu genauso gut, das Gewicht fast halbiert, aber der Preis ist oft doppelt so hoch.
Dem Pannenthema die Luft ganz rausgelassen hat der französische Reifenhersteller Hutchinson. Er bietet mit dem Serenity ein Reifenset mit Zellkautschukfüllung an: Wo keine Luft drin ist, kann auch keine entweichen, also hat man auch nie mehr einen Platten. Die moderne Version des altehrwürdigen Vollgummireifens hat sich nicht nur bei Fahrtests durchaus bewährt, sondern wird auch bei Fahrradverleihsystemen in sechs europäischen Ländern eingesetzt.
Pannenhilfe für Faule
Es gibt sogar Lösungen für die ganz Faulen: Wer sich weder die Mühe machen will, extra einen neuen Reifen aufzuziehen, noch bei einer Panne das Rad ausbauen zu müssen, der nehme einfach den Gaadi Bicycle Tube, den Schlauch mit den zwei Enden. Der alte, löchrige Schlauch wird unter dem Mantel vorgepult, mit dem Messer durchgeschnitten und entfernt. Dann wird die Schlauch-Wurst auf die passende Länge gekrempelt, in den Mantel eingelegt und aufgepumpt – ohne das Rad ausbauen und den alten Schlauch flicken zu müssen. Eine Erleichterung vor allem bei beladenen und schweren Rädern wie etwa Pedelecs.
Draufsetzen und wohlfühlen
Solchermaßen ausgerüstet steht der Radtour fast nichts mehr im Wege. Also: Draufsetzen und – kontrollieren. Denn wer falsch auf dem Rad sitzt, hat schneller Schmerzen als unbedingt nötig. Und wir reden hier nicht über eine Bergetappe bei der Tour, sondern einen kleinen Radausflug. Wichtig fürs Wohlbefinden ist vor allem die Sitzhöhe: Wer zu niedrig sitzt, riskiert Knieprobleme, wer zu hoch sitzt, kippt ständig mit der Hüfte und dem Allerwertesten hin und her – was letzteren dazu bewegt, sich schmerzhaft in Erinnerung zu rufen. Deshalb: Pedal in die unterste Stellung, Hacke drauf – jetzt muss das Bein durchgestreckt sein, dann passt’s.
Modenschau mit Rad
Bei Schmerzen im Handgelenk oder Taubheitsgefühlen in den Händen hilft oft nur, die Handhaltung am Lenker zu variieren, was man am ehesten durch sogenannte Flossengriffe und Lenkerhörnchen unterstützen kann, um eine Fehlstellung des Handgelenks zu vermeiden. Auch zu viel Last auf den Händen könnte die Ursache sein, wobei wir schon beim nächsten Schmerzthema wären.
Tipps gegen Nackenschmerzen
Auch Nackenschmerzen lassen sich durch eine verbesserte Sitzposition lindern. Eine zu sportliche, gekrümmte Haltung sollte ebenso gemieden werden wie eine zu aufrechte Sitzposition: Lastet bei ersterer viel Gewicht auf Armen, Schultern und Nacken, verleitet letztere zum Rundrücken, der den Knick in der Halswirbelsäule noch verstärkt.
Damit das Körpergewicht nicht nach vorn rutscht und die Belastung des Schultergürtels weiter verstärkt, sollte die Sitzfläche des Sattels waagerecht ausgerichtet sein. Der Lenker sollte etwa so breit wie die Schultern und leicht gebogen sein, um eine angenehme Arm- und Schulterhaltung zu ermöglichen.
Jetzt läuft das Rad wie geschmiert, wir sitzen drauf wie eine Eins, es kann also endlich losgehen. Wer jetzt immer noch lustlos durch die Gegend eiert und enttäuscht nach Hause kommt, dem hilft wahrscheinlich nur eine andere Freizeitbeschäftigung – oder für das nächste Jahr ein ganz neues Rad. Und deshalb haben wir schon ein paar Trends für das kommende Jahr:
Das sind die Fahrradtrends 2014
Der Fahrradbranche geht es gut: Die Umsätze steigen, der Handel gedeiht, und die Kunden dürfen sich über ständig neue Innovationen freuen. Kümmerten sich die Hersteller in den vergangenen Jahren vor allem um starke Lichtquellen und alternative Schaltungen, widmen sie sich nun den Themen Bremsen und Antrieb.
Scheibenbremsen für Rennlenker
Die interessanteste Neuerung betrifft wohl die Rennräder: Dass die nun immer öfter mit Scheibenbremsen ausgerüstet werden, kommt nämlich einer kleinen Revolution gleich. Seitdem der Internationale Radsportverband UCI die Scheibenbremse im Querfeldeinrennsport zugelassen hat, bemüht sich eine zunehmende Zahl von Herstellern, die Scheibenbremse in die Rennradtechnik zu integrieren. Und damit dürfte sie wohl endgültig zum Standard auch im Fahrradbereich werden, nachdem sich die Scheibenbremse bei Mountainbikes und Trekkingrädern schon langsam durchsetzt. Denn sobald sich Scheibenbremse auch durch Schaltbremsgriffe bedienen lassen, kann man damit endlich auch klassische Rennräder und Randonneure (Tourenräder mit Rennlenker) ausrüsten. Der taiwanesische Bremsenhersteller Tektro hat für 2014 eine Rennrad-Scheibenbremse angekündigt, die klassisch per Seilzug bedient wird, in der Bremszange aber einen hydraulischen Zylinder ansteuert. Der amerikanische Komponentenhersteller Sram plant sogar eine Bremsengeneration für Rennräder, bei der sowohl Scheiben- als auch Felgenbremsen hydraulisch vom Schaltbremsgriff bedient werden. Auch der japanische Hersteller Shimano wird eine Scheibenbremse anbieten, die hydraulisch vom Schaltbremshebel angesteuert wird.
Am Riemen reißen
Neues fürs nächste Jahr kündigt sich auch in Sachen Riemenantrieb an. Gates, bisher treibende Kraft an Riemenrädern, bekommt 2014 Konkurrenz durch den deutschen Hersteller Conti: Dessen System benutzt größere und weitere Zahnprofile und soll besser mit den im Fahrrad-Rahmenbau üblichen Toleranzen harmonieren – eine Schwachstelle des Gates-Antriebs, der extrem steife und exakt gebaute Rahmen erfordert. So könnte der Conti-Riemen dazu beitragen, dass sich die Ketten-Alternative auch an preisgünstigeren Rädern durchsetzt. Denn die Vorteile des Riemens gegenüber der Kette nimmt natürlich auch Conti für sich in Anspruch: Er ist leise, braucht kein Öl und keine Pflege, hält lange und – nicht ganz unwichtig – sieht auch noch gut aus.
Schlauchlos-Reifen für Trekkingräder
Dagegen sind andere Innovationen eher unauffällig: Reifenspezialist Schwalbe bringt im Frühjahr den nach eigenen Angaben ersten schlauchlosen Reifen für Trekking-Räder auf den Markt. Wovon Rennradfahrer schon länger profitieren, sollen auch Alltagsradler etwas haben: Schlauchlose Reifen rollen unter anderem wegen der fehlenden Reibung zwischen Schlauch und Mantel leichter. Ein Pannenschutzmittel im Pneu soll kleinere Durchstiche abdichten, verspricht der Hersteller.
Und Bosch präsentiert 2014 eine neue Motorengeneration für E-Bikes: Der Motor soll deutlich kleiner, kompakter und „unsichtbarer” werden und besser im Fahrradrahmen integriert werden können. Aufgrund der hohen Nachfrage soll es auch eine Version mit Rücktritt geben.
- Weitere Neuheiten werden vom 28. bis 31. August auf der Eurobike in Friedrichshafen vorgestellt: www.eurobike-show.de