Ruhrgebiet. Warum ein Abriss nicht immer die richtige Lösung ist. Drei Beispiele für eine gelungene Modernisierung: ein Bunker und ein alter Bauernhof in Bochum sowie 50er-Jahre-Wohnhäuser in Gelsenkirchen. Am Tag der Architektur öffnen sie ihre Türen.

Dieses Zentralmassiv liegt nicht in Südfrankreich, aber es verfügt über eine Wucht, eine Präsenz, die es schon jetzt über die Grenzen der Stadt bekanntmacht. Jahrzehnte lang stand der Bunker einfach nur so herum. Ein Koloss aus Weltkriegszeiten, inmitten von Straßenzügen, die Bochumer früher etwas despektierlich „Blaubuchsenviertel“ nannten. Bis ein Unternehmer und ein junges Architekten-Team den eigenwilligen Charme des Gebäudes entdeckten. Neuer Chic in einem vergessenem Quartier.

Wo einst über 700 Menschen Schutz fanden, vor dem Bombenhagel über Bochum, da versuchen sich nun angehende Medienschaffende in der privaten Hochschule SAE Institut. Doch diese Nutzung war so nicht geplant, hat sich beinahe ergeben. Denn am Anfang stand nicht mehr als die Idee eines Bochumer Mittelständlers, der im Schatten des Bunkers groß geworden ist: Daraus muss sich doch etwas machen lassen! Der Mann dachte daran, eine Wohnung auf den Bunker bauen zu lassen, kaufte und beauftragte schließlich den Bochumer Architekten Thomas Stark, sich etwas einfallen zu lassen.

„Wir fanden allerdings das Gebäude selbst interessant“, sagt Stark. Und während dessen Büro noch mehrere Nutzungen plante, ein Hotel, Apartments für Studenten oder Büros für Kreative, vermittelt die Bochumer Wirtschaftsförderungsgesellschaft Ende 2010 den Kontakt zu dem Münchener Bildungsinstitut SAE. Nach anfänglicher Skepsis, großer Skepsis sogar – die Süddeutschen fürchteten einen dunklen Moloch — gelang es Stark, sie zu überzeugen.

Die alte Tresortür eines Pfandleihers aus der Nachkriegszeit integrierten die Architekten in das neue Raumkonzept. Foto:Kai Kitschenberg
Die alte Tresortür eines Pfandleihers aus der Nachkriegszeit integrierten die Architekten in das neue Raumkonzept. Foto:Kai Kitschenberg © WAZ FotoPool

Für den Umbau wurden hunderte Tonnen Stahlbeton aus dem Bunker herausgeschnitten. Und es hat sich gelohnt. Entstanden ist ein heller, freundlicher Bau mit dem Charme einer Industrie-Kulisse.

Der loungige Eingangsbereich erstreckt sich mit Galerie über zwei Etagen, licht und einladend. Auch in den oberen Stockwerken, wo die Medienstudenten in nach Hitchcock oder Lennon benannten Klassenräumen und Tonstudios lernen, ist es angesichts der zwei Meter dicken Außenwände überraschend hell.

Und oben aufs Dach bekommt der Bochumer Unternehmer jetzt doch noch seine Eigentumswohnung mit Dachterrasse. Drei weitere sollen darüber gestapelt werden, sind bereits verkauft. Zudem zog das „Treibsand“, ein bekanntes Szenecafé, im Erdgeschoss ein, und schon bald soll der den Bunker umgebende Springerplatz neu gestaltet werden. Mehr Park statt Parkplatz, gesäumt von einer kleinen Allee. Ein neues architektonisches Juwel am Rande von Bochums Innenstadt, ein Quartier mit neuen Chancen.

Der alte Hof im Lottental

Moderne und Fachwerk aus dem 18. Jahrhundert wurden beim Umbau des Begegnungszentrums der Ruhr-Universität Bochum
Moderne und Fachwerk aus dem 18. Jahrhundert wurden beim Umbau des Begegnungszentrums der Ruhr-Universität Bochum © RUB-Pressestelle Marion Nelle

Viel älter als der Bunker ist Hof Beckmann, der ebenfalls in Bochum, im Süden der Ruhr-Universität liegt. Fachwerk von 1715, idyllisch gelegen in den Tiefen des Lottentals. Als für die Bochumer Uni in den 60er-Jahren Land erworben wurde, verweigerten sich die damaligen Besitzer. Erst mit dem Tod der letzten Erbin Klara Beckmann, Anfang der 80er-Jahre war das, ging auch dieser Hof in den Besitz des Landes über. Aus heutiger Sicht ein echter Glücksfall, vermutlich wäre das Bauernhaus sonst abgerissen worden. So konnte in dem alten Gemäuer das Internationale Begegnungszentrum der Universität entstehen.

Der Innenraum des restaurieten Gutshofs. Foto:Kai Kitschenberg/WAZFotoPool
Der Innenraum des restaurieten Gutshofs. Foto:Kai Kitschenberg/WAZFotoPool © WAZ FotoPool

Zum Tag der Architektur präsentiert sich der Hof jedoch noch einmal ganz neu. Mit modernen, kubisch reduzierten Anbauten für Seminarräume und Großküche sowie neuem Interieur. Eine gelungene Synthese von Alt und Neu. Die geradlinigen Anbauten mit den drei Meter hohen Fenstern halten sich dezent zurück, ergänzen allenfalls das Fachwerk-Ambiente.

Eine wirklich schöne Adresse, direkt zwischen dem Botanischen Garten der Universität und dem Kemnader Stausee gelegen. Architekt Kai-Uwe Sachs (Büro Bramlage, Düsseldorf) ließ sogar das alte Fachwerk mit dem Lehmgefache wieder herstellen. „Uns war wichtig, dass der Hof trotz der Neubauten seinen Charakter behält“, sagt Sachs.

Highlight des Begegnungszentrums ist sein Restaurant, das im alten Kuhstall zwischen Bruchsteinwänden und gusseisernen Stützen untergebracht ist. Die Professoren der Ruhr-Uni laden hierhin gerne ihre Gäste ein. Offen steht es allerdings jedem, bei gutem Wetter künftig auch auf der Terrasse im Innenhof.

Ein Hauch von Greenwich Village

Vom Bochumer Süden nach Gelsenkirchen-Schalke, in einen Stadtteil mit eher schwieriger Sozialstruktur. An der Luitpoldstraße, gar nicht weit von der Innenstadt entfernt, liegen Klinkerbauten aus den 50er-Jahren. Damals schnell hochgezogen, weil man Wohnraum so dringend brauchte. Ein schmuckloses Ensemble mit Zweieinhalb-Zimmerwohnungen. 50 Quadratmeter, auf denen einst ganze Familien wohnten. In den letzten Jahren jedoch standen diese immer häufiger leer. Es musste etwas geschehen.

Geöffnete Erdgeschosse: Die einst langweile 50er-Jahre-Bebauung in Gelsenkirchen-Schalke erinnert nun ein wenig an die Treppen-Häuser in Greenwich Village. Foto:Kai Kitschenberg
Geöffnete Erdgeschosse: Die einst langweile 50er-Jahre-Bebauung in Gelsenkirchen-Schalke erinnert nun ein wenig an die Treppen-Häuser in Greenwich Village. Foto:Kai Kitschenberg © WAZ FotoPool

Die baulichen Eingriffe, die man vornahm, waren gar nicht groß, aber effektiv. Mit den nebeneinander liegenden Treppenaufgängen vor den Häusern erinnert der Straßenzug nun sogar ein wenig an New Yorks Greenwich Village. Die Gelsenkirchener Architektin Monika Güldenberg öffnete an sechs Stellen das Erdgeschoss für große, zweiflügelige Türen und darüber liegende Glasfronten. So entstanden zweigeschossige Ateliers, in die inzwischen unter anderen ein Stadtteilbüro, eine Künstlerin und eine Werbeagentur eingezogen sind.

„Das ist ein wunderbarer Ort zum Arbeiten“, schwärmt die Bildende Künstlerin Claudia Lüke. Vor einem Jahr, nach einer Kunst-Aktion, mit der auf Leerstände in Gelsenkirchen aufmerksam gemacht werden sollte, richtete sie ihr Atelier in dem Komplex ein. „Es ist tatsächlich so, dass sich nach und nach andere, neue Leute für diesen Platz interessierten und sich hier einrichteten. Da tut sich was!“, sagt Lüke. Auch sie sieht die Chancen in dem Stadtteil, in dem vor allem sozial Schwache zurückgeblieben sind.

Architektin Monika Güldenberg. Foto:Kai Kitschenberg
Architektin Monika Güldenberg. Foto:Kai Kitschenberg © WAZ FotoPool

Ein Projekt, das auf Entwicklung setzt. Die Besitzerin, die Wohnungsgesellschaft Stallmann GmbH, will nach und nach die kleinen Wohnungen zusammenlegen und für Familien interessant machen. „Vorher konnte man das durchaus als Schrott-Immobilie bezeichnen. Das Projekt zeigt, wie etwas mit Fantasie neu belebt werden kann“, sagt auch Marco Szymkowiak, der im benachbarten Stadtteil-Büro für bauliche Projekte in Schalke verantwortlich zeichnet.

Claudia Lüke arbeitet bereits an dem Konzept für einen Garten, in dem Pflanzen wachsen, die sich zum Färben von Stoffen eignen. Sie möchte ihre Nachbarn in der Luitpoldstraße anregen, den gemeinsamen Innenhof neu zu gestalten. Dort, wo noch vor gar nicht langer Zeit auf tristem Rasen das typische „Betreten verboten“-Schild stand. Und am Tag der Architektur lädt sie in ihrem Atelier wieder zu einem Konzert ein. Claudia Lüke liebt geöffnete Türen, ein offenes Haus. Genau das eben, was Schalke braucht.

Info: 450 Objekte in Nordrhein-Westfalen können am Tag der Architektur, am Samstag (23.) und Sonntag (24.), besichtigt werden. Die Öffnungszeiten sind unterschiedlich: Begegnungszentrum der Ruhr-Universität Bochum Sonntag von 13 bis 16 Uhr, Zentralmassiv Sonntag von 10 bis 18 Uhr und die Ateliers in Schalke Samstag von 15 bis 18 Uhr sowie Sonntag von 10 bis 12 Uhr.

www.tag-der-architektur.de