Essen. . Hartmut Miksch, Präsident der NRW-Architektenkammer, fordert nicht nur zum Tag der Architektur Masterpläne für den Rückbau. Wir sprachen mit ihm über hässliche Bauten und darüber, warum sich in Hamburg und Berlin Stadtteile stärker wandeln als im Ruhrgebiet.

Dass die Einwohnerzahlen in unserer Region in den nächsten Jahren deutlich sinken werden, ist ein Fakt, auf den auch Architekten und Stadtplaner reagieren müssen. „Jeder Stadt im Ruhrgebiet ihren eigenen Central Park!“ fordert deshalb Hartmut Miksch, Präsident der NRW-Architektenkammer.

Herr Miksch, unsere Städte schrumpfen. Ist das nicht eine wunderbare Gelegenheit, so manches Hässliche abzureißen. Häuser etwa, in denen keiner mehr leben mag?

Miksch: So ist das tatsächlich. Seit dem Krieg haben sich Architekten in ihrer Ausbildung immer nur mit Stadterweiterung beschäftigt. Nun sind wir erstmals in der Situation, dass die Bevölkerung schrumpft. Eine Situation, die wir auch als Chance begreifen sollten. Wir brauchen mehr Grün in den Innenstädten, mehr Freiräume und neue Wohnqualität. Vor Jahren zog man nach außerhalb, pendelte zur Arbeit. Doch gerade für Familien und ältere Menschen sind die Innenstädte wegen der kurzen Wege interessant. Die Politik ist gefordert, diesen Rückbau zu planen, damit er nicht zufällig passiert. Jede Stadt braucht einen Masterplan, muss klären, wo sie in 20 Jahren stehen will.

Wenn wir über Abriss sprechen, woran denken Sie dann?

Miksch: Es gibt aus den 50er- und 60er-Jahren Bestände, die sind wegen ihrer Baumaterialien so schlecht wie die keiner anderen Epoche. Und in jeder Großstadt gibt es diese Hochhaussiedlungen aus den 70er-Jahren. Auch bei ihnen wird man sich fragen müssen: Brauchen wir die langfristig überhaupt noch? Wir kennen schon zahlreiche Beispiele, wo solche Bauten, die sich nur noch schwer vermieten ließen, auf vier Geschosse runtergebrochen wurden.

In Städten wie Berlin kann man das Phänomen der Gentrifizierung beobachten, also dass ursprünglich preiswerte Stadtteile wie Prenzlauer Berg von wohlhabenderen Mietern oder Eigentümern entdeckt und baulich aufgewertet werden. Wieso gibt es dieses Phänomen im Ruhrgebiet gar nicht?

Miksch: Meine persönliche Meinung ist, dass es nicht erstrebenswert ist, wenn sich Städte auf diese Art und Weise erneuern. Den Menschen, die in diesen Stadtteilen ursprünglich lebten, hilft das überhaupt nicht. Sie werden vertrieben. Ich kenne das auch aus Düsseldorf. Erst wurde Oberkassel so entwickelt, dann Unterbilk und nun Flingern. Ein funktionierender Stadtteil sollte aus einer Mischung aller sozialer Schichten bestehen. In Berlin oder in Hamburg ist einerseits der Druck auf dem Wohnungsmarkt stärker, andererseits gibt es dort erheblich größeres Potenzial an kreativen Leuten, die solche Viertel als erste für sich entdecken. Da ist der Investitionsdruck größer als etwa im Ruhrgebiet, und es wird auch mehr investiert.