Essen / Zürich. Im Büro können die lieben Kollegen einen immer wieder auf die Palme bringen. Coach Attila Albert weiß Rat, wie man damit umgeht.
Chefs oder Kollegen - mit Nervensägen im Job umzugehen, ohne selbst den Verstand zu verlieren, ist oft eine Herausforderung. Das jedenfalls meint der Schweizer Attila Albert. In seinem neuesten Ratgeber „Sorry, ihr nervt mich jetzt alle“ geht der 50-jährige Autor, Coach und Kommunikationsexperte diesem Thema nach. Mit einem Schmunzeln stellt er auf 240 Seiten sieben Nervensägen-Typen vor. So anschaulich, dass man diese Menschen vor sich sieht. Anhand der Beschreibungen findet man schnell heraus, mit wem man es zu tun hat und mit welcher Strategie man die Nerven am Arbeitsplatz künftig schonen kann. Asgard Dierichs sprach mit ihm.
Herr Albert, Ihr Buchtitel „Sorry, ihr nervt mich jetzt alle“ klingt im ersten Moment schon sehr abweisend. Doch Sie bieten den Lesern Ihres nunmehr sechsten Ratgebers eine praxisnahe, versöhnliche und amüsante Anleitung für den Umgang mit Nervensägen. Sind Sie selbst ein Mensch, dem es gelingt, generell nicht alles so ernst zu nehmen? So wie Sie es Ihren Lesern empfehlen?
Attila Albert: Persönlich versuche ich tatsächlich, die Dinge zwar ernsthaft, aber nicht dramatisch zu sehen. Auch mal über etwas zu lachen oder hinwegsehen zu können. Vieles, das einen im ersten Moment aufregt, hat langfristig ja gar keine große Bedeutung, sondern ist schon bald wieder vergessen. Wenn mich ein Mensch anfangs nervt, versuche ich, seine Sichtweise und Wünsche zu verstehen und Übereinstimmungen, die es immer gibt, zu finden. Außerdem mich daran zu erinnern, dass ich andere sicher auch mal nerve und dann auf deren Geduld und Nachsicht angewiesen sein werde.
Hat das Thema Ihres neuesten Ratgebers persönliche Bezüge? Sind Sie jemand, der schnell genervt ist? Woher stammt Ihr breiter Erfahrungsschatz?
Die Buchidee entstand aus dem Eindruck aus meiner inzwischen zehnjährigen Coachingpraxis, dass sich immer mehr Berufstätige überlastet und von anderen gestresst fühlen. Sei es, weil sie durch ihr Jammern nerven, sie aggressiv unter Druck setzen, unmotiviert oder überambitioniert sind. Selbst bin ich recht gelassen und kann gut damit umgehen, dass andere Menschen nicht so ticken wie ich und mich damit manchmal nerven, auch wenn sie das gar nicht beabsichtigen oder überhaupt wahrnehmen.
Nervensägen systematisch in sieben Kategorien einzuordnen, passende Strategien gegen sie auszuwählen und sich dabei selbst weiterzuentwickeln. Das hört sich leicht an. Ist es das?
Es ist zunächst einmal eine große Hilfe, die Bandbreite nervigen Verhaltens vor sich zu sehen und einzuordnen, was einen besonders stört und wo man sich vielleicht selbst verorten würde. Denn was der eine normal findet, ist für den anderen nervig. Selbstverständlich kann ein Modell immer nur eine Orientierungshilfe sein, die man sich dann zu eigen machen muss. Beispielsweise Antworten in den eigenen Worten formuliert oder für sich entscheidet, worauf man reagieren möchte. Es ist also leicht zu verstehen, bedarf aber danach praktischer Übung im beruflichen und persönlichen Alltag.
Passt Ihr Schema nur auf Situationen am Arbeitsplatz? Sie unterscheiden sieben Nervensägentypen darunter „ewige Opfer“, „verbissene Rechthaber“, „schlaffe Zögerer“ und „fürsorgliche Helferseelen“. Sie alle nerven, weil sie besserwisserisch, hochmoralisch oder nur total egoistisch sind und diverse Neurosen pflegen. Das birgt jede Menge Konfliktpotenzial am Arbeitsplatz. Sie geben dem Leser spezielle Strategien an die Hand. Welcher der sieben Typen stört Sie am meisten? Und gibt es nicht auch Mischtypen?
Persönlich nerven mich am meisten die selbstgerechten Weltverbesserer, Nervensägen-Typ 6 im Buch: Leute, die hohe Ideale verkünden, an die sie sich selbst allerdings häufig nicht halten wollen und anderen die Kosten dafür aufbürden. Aktuell sind sie besonders präsent, etwa mit dem vorgeblichen Einsatz für Nachhaltigkeit, Vielfalt, Gerechtigkeit und Inklusion. Aber dann muss ich mich daran erinnern, dass dahinter echte Überzeugungen und Anliegen stehen, die auch Verständnis verdienen. Jeder hat etwas von den sieben Typen in sich, gleichzeitig dominiert immer einer davon. So kann man also doch mit dem Modell arbeiten, auch wenn es real Abstufungen sind.
Vor der Einordnung in Ihre Kategorien raten Sie zur genauen Beobachtung der jeweils nervenden Chefs oder Kollegen. Was empfehlen Sie jemandem, der eine neue Stelle antritt? Sollte man gleich Grenzen setzen? Oder lieber erst abwarten und die Nervensägen ertragen? Muss man ihr nervendes Verhalten immer persönlich nehmen?
In einem neuen Job sollte man immer zuerst viel beobachten, fragen und zuhören, denn die Probezeit gilt auch für den Arbeitgeber: Wie sind die Aufgaben und der Umgangston, wie empfinde ich die Unternehmenskultur? Wer sozusagen schon in den Flitterwochen meint, Grenzen setzen oder eben etwas ertragen zu müssen, ist wahrscheinlich im falschen Job. Dann darf man auch innerhalb der ersten drei oder sechs Monate wechseln. Persönlich nimmt man unangenehme Erfahrungen sowieso, denn sie betreffen einen nun mal. Davon kann man sich nur begrenzt innerlich distanzieren.
Sind Sie selbst manchmal auch eine Nervensäge? Wie gehen Sie mit solcher Kritik um?
Ich bin in meiner Typologie der übermotivierte Problemlöser, Nervensägen-Typ 5. Jemand, der sehr sachlich, strukturiert und lösungsorientiert herangeht. Das will nicht jeder, das ist klar. Mancher möchte lieber lange über ein Problem reden, sich einfach mal aussprechen oder auch ein bisschen jammern. Oder er hat sehr idealistische, eigentlich gar nicht umsetzbare Ideen. Ich achte deswegen darauf, ob mein Gegenüber wirklich eine schnelle, pragmatische Lösung möchte – oder ich ihn damit überfahren und ihm nicht helfen würde.
>>> Attila Albert weiß, wie man am besten im Job klarkommt
Attila Alberts Ratgeber „Sorry, ihr nervt mich jetzt alle! Mit Nervensägen im Job umgehen, ohne selbst den Verstand zu verlieren“ (ISBN 978-3-86881-914-4)“ ist im Redline Verlag erschienen und kostet gebunden 16 Euro. Attila Albert, geboren 1972, lebt in Zürich. Er ist Kommunikationsexperte, Coach und Autor. Mit 17 startete er als Reporter, schrieb für Medien im In- und Ausland und ist bis heute als Kolumnist tätig. Er studierte Betriebswirtschaft, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. Für einen Schweizer Konzern betreute er die globale Marketing-Kommunikation. Weitere Ratgeber des Autors: „Ich mach da nicht mehr mit”, „Perfektionismus ist ein Arschloch”, „Ich will doch nur meinen Job machen”. Mehr: www.attilaalbert.com
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