Essen. Corona, Klimawandel oder Krieg: Wie können wir mit Krisen im Leben besser umgehen? Das verrät Coach und Autor Atilla Albert in seinem neuen Buch.
Herbst 2022, gefühlt steckt die Welt seit zweieinhalb Jahren im Krisenmodus: Corona, Klimawandel, Ukrainekrieg, Inflation, Energiepreise, Pleitewelle. Und das sind nur die gesellschaftlichen Probleme, die alle beschäftigen. Hinzu kommen noch die ganz privaten Sorgen um Job und Familie, Wohnung und Gesundheit…
Man muss nicht allzu lange suchen, um einen Grund zu finden, sich eine Nacht schlaflos im Bett herumzuwälzen. Genau in dieser Zeit veröffentlicht nun Coach und Autor Attila Albert (49) ein Buch mit der zentralen Botschaft: „Auch in schwierigen Zeiten ist es möglich, glücklich und erfüllt zu leben.”
Und dabei geht es ihm gar nicht darum, die üblichen Motivationsformeln zu verbreiten, sondern vielmehr darum, wie man mit Enttäuschungen klarkommt, wie man trotzdem das Gute im Leben sieht – und sich mit einigen unabänderlichen Widrigkeiten arrangiert. Georg Howahl sprach mit ihm auch darüber, was sein christlicher Glaube damit zu tun hat.
Herr Albert, wenn man beim Lesen der Nachrichten den Eindruck hat, dass eine Krise die nächste jagt, darf man sich dann verunsichert fühlen? Oder beziehen wir viele Krisen einfach subjektiv auf uns, obwohl sie uns selbst objektiv kaum betreffen?
Die allgemeinen Krisen gehören ja zum Menschsein seit Anbeginn. Die Themen, die manchem jetzt neu erscheinen, also Epidemien, Krieg, Inflation, Kostenexplosion, das sind schon immer Menschheitsthemen gewesen. Wenn jemand zufälligerweise sein Leben im Westdeutschland der 90er- und 2000er-Jahre verbracht hat, hat er vielleicht den subjektiven Eindruck, es würde immer schlimmer.
Aber schon der Blick außerhalb dieser Region zeigt: Es gab Kriege auf dem Balkan, es gab auf anderen Kontinenten unvorstellbare Herausforderungen. Das heißt: Diese Art Krise gehört zum Menschsein. Genauso gehören persönliche Krisen dazu: Erkrankungen, Trennungen, Arbeitslosigkeit, Finanzen. Wir müssen immer damit umgehen können. Mancher kommt natürlich sehr spät im Leben damit in Berührung, andere früher. Aber wenn man mit seinen Eltern oder Großeltern spricht, stellt man fest, dass diese Krisen auch frühere Generationen getroffen haben.
Spielt es denn fürs subjektive Befinden eine große Rolle, ob die Dinge objektiv besser oder schlechter werden?
Man kann mit Statistiken zeigen, ob Dinge objektiv besser oder schlechter werden, aber das ist für die Menschen an den meisten Tagen natürlich kein Trost. Es ist auch gar nicht notwendig, auf dieser Ebene anzusetzen.
Man kann ja auch nur fragen: Was bedeutet das für mich? Was kann ich daraus lernen? Was kann ich selbst tun, um die Situation für mich und andere besser zu machen? Man hat ja selbst in schwierigen Zeiten immer noch Anlass, trotzdem dankbar zu sein, Lebensfreude zu haben, Spielräume zu finden und etwas im Leben anders zu machen.
Probleme im direkten Umfeld lösen
Wie siebt man am besten die Probleme aus, die einen selbst gar nicht unmittelbar betreffen?
Ein guter Anhaltspunkt ist eigentlich die Frage: Was kann ich in meinem direkten Umfeld bewirken? Wir haben durch die elektronischen Medien oft den Eindruck, es wäre relevant, wenn man zu allem seine Meinung sagt, sei es zum Brexit oder zur chinesischen Wirtschaftspolitik.
Aber das interessiert die meisten anderen Menschen meist gar nicht, das ist im Grunde Zeitverschwendung. Wenn ich mich in meinem Umfeld um meine Nächsten kümmere, um Familie, Kollegen, Nachbarn, Kollegen, dann kann ich eine Menge Bereiche finden, in denen ich wirklich etwas bewirken kann, häufig sogar mit wenig Anstrengung.
Ihr Buchtitel lautet „9 Wahrheiten, die durchs Leben tragen“, mit denen Sie teils ganz nüchtern Gegebenheiten feststellen wie „Das Leben ist oft nicht gerecht“, „Sie können nicht alles erreichen“ oder „Seinen Nächsten zu lieben, ist oft mühsam“. Warum sind’s nur neun Wahrheiten? Hat es für eine zehnte nicht mehr gereicht?
(lacht) Nein, das hat gar keine besondere Bedeutung, sondern es sind die Themen, die mir ein Anliegen waren in den langen Jahren beim Coaching.
Welche der „9 Wahrheiten“ ist für Sie die wichtigste?
Das ist der Satz: „Es braucht mehr als den Glauben an sich“. Es war für mich eine große Herausforderung, dies einzusehen, weil ich sehr leistungsorientiert und perfektionistisch gewesen bin. Beides gibt es auch noch in Form eines hohen Anspruchs an mich selbst, aber nicht mehr als definierendes Kriterium. Ich würde das heute eher als einen sportlichen Ehrgeiz ansehen wollen – und nicht als eine Pflicht.
Sie zeigen für die einzelnen Wahrheiten in ihrem Buch ja auf, dass die Menschen mit gewissen Erwartungen durchs Leben gehen, etwa mit der, dass das Leben gerecht ist – und dass deshalb ihre Erwartungen oft enttäuscht werden. Ist Ihr Ansatz, den Menschen zu vermitteln, wie sie trotz dieser Enttäuschungen gut durchs Leben kommen?
Im Grunde ist es ein Realitätsvergleich zwischen dem, was die Leute erwarten, und dem, was sie vorfinden. In meiner Arbeit als Journalist und Coach habe ich Menschen in unterschiedlichsten Situationen begleitet, etwa bei einem unerwarteten Verlust, Ungerechtigkeit oder neuen Beziehungen, die sich als sehr schwierig herausstellten.
Ich plädiere mit den „9 Wahrheiten“ dafür, die Widersprüchlichkeiten des Lebens anzunehmen bzw. sie erstmal überhaupt zu erkennen. Dass guten Menschen zum Beispiel oft auch Schlechtes passiert. Wenn man erkrankt, bringt einen die Frage „Warum ich?“ nicht weiter, ich muss dann einen Schritt weiter gehen – und überlegen, was ich damit machen kann.
Fehlbarkeit und Unperfekheit akzeptieren
Es geht also auch um die eigene Fehlbarkeit und die Unperfektheit des eigenen Lebens?
Absolut, es ist auch ein Plädoyer dafür, dass ich mit Empathie auf andere Menschen zugehe, weil ich weiß: Ich brauche das selber genauso.
Sie empfehlen viele praktische Übungen, die etwas anders sind als bei anderen Ratgebern, weil sie oft mit dem christlichen Glauben zu tun haben…
In der Persönlichkeitsentwicklung und im Coaching findet man oft ein sehr starkes Feld von Esoterik und New Age. Mir war wichtig, spirituelle Fragen aus der christlichen Perspektive zu beantworten, knapp jeder zweite Deutsche ist ja Mitglied in einer der großen Volkskirchen.
Das ist unser Wertekonsens, deshalb habe ich die spirituellen Fragen aus dieser Perspektive beantwortet. Es ist immer nur ein Angebot. Aber die christliche Religion ist im Grunde ein sehr schlüssiges Konzept, die Dinge passen zusammen. Ob ich da jetzt Dinge nehme wie Gebet und Meditation oder Pilgern und eine Klosterwoche. Diese Dinge sind in sich schlüssig – und helfen dabei, eine gewisse Art Praxis in seinem Leben zu haben.