Essen. Friedrich Göbel wollte mal 25 Galeria-Filialen übernehmen. Jetzt ist seine Modekette Aachener selbst insolvent. Das sagt der Insolvenzverwalter.
Der als Retter dutzender Galeria-Filialen angetretene Unternehmer Friedrich Göbel ist untergetaucht, wird per Haftbefehl gesucht, nun ist seine Modehauskette Aachener pleite: Der Sanierungsexperte Oliver Nobel hat als neuer Geschäftsführer mit als erste Amtshandlung Insolvenz beim Amtsgericht Dortmund angemeldet. Göbel hatte die Führung Anfang dieser Woche an Nobel abgegeben. Das hat Christoph Schulte-Kaubrügger von der Kanzlei White & Case zum vorläufigen Insolvenzverwalter ernannt. Er hat unter anderem die Insolvenzverfahren des Kettcar-Herstellers Kettler und des Energieversorgers Flexstrom gemanagt.
Formal läuft laut der Bekanntmachung des Dortmunder Amtsgerichts das Insolvenzeröffnungsverfahren für die TEH Textilhandel GmbH, die Göbel als Betreibergesellschaft seiner Modekette Aachener gegründet hat. Sie betreibt bisher sechs Filialen und zwei Outlet-Stores mit 355 Beschäftigten. Das jüngste Outlet hat Göbel im Sommer in Dortmund eröffnet, im ehemaligen Kaufhof in bester Lage am Westenhellweg. Der „Sport Sonderverkauf“ geht dort zunächst weiter, der Mietvertrag endet aber im kommenden Sommer.
Eröffnen die geplanten Aachener-Filialen noch?
Längst eröffnet werden sollten sechs Filialen, die Göbel im Zuge der Insolvenz von Galeria Karstadt Kaufhof übernommen hat. Den selbst gesetzten Starttermin im Oktober konnte Aachener aber ebenso wenig einhalten wie den für die Eröffnung weiterer geplanter Filialen. Eine davon sollte in der Velberter Stadtgalerie entstehen. Der untergetauchte Göbel bekräftige noch in der vergangenen Woche gegenüber unserer Redaktion per Mail, die Eröffnung werde „wie geplant im zweiten Quartal 2024 stattfinden“.
Nun droht dem gesamten Unternehmen das Aus. „Nach aktuellem Stand der Dinge ist nicht mehr sichergestellt, dass wir fällige Verbindlichkeiten noch termingerecht und vollständig begleichen können“, teilt der Geschäftsführer Oliver Nobel in einem Brief an die Lieferanten und die Beschäftigten mit, aus dem die Textilwirtschaft zitiert. Er habe die Eröffnung eines Regelinsolvenzverfahrens beantragt, „um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Aachener wieder herstellen zu können“.
„Mit dem heutigen Schritt will ich nach vielversprechenden ersten Gesprächen mit Vermietern und Lieferanten gemeinsam mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter die Gesamtsanierung der TEH ermöglichen“, erklärte Geschäftsführer Nobel den Beschäftigten, wie die Aachener am Freitag mitteilte. Der Verkauf solle „in allen bereits eröffneten Filialen so reibungslos wie möglich fortgeführt werden“. Für die noch nicht eröffneten Filialen würden „Möglichkeiten einer gegebenenfalls zeitnahen Eröffnung geprüft“. Damit bewahre man sich „alle Optionen, eine Gesamtsanierung zu ermöglichen“.
Dass es eine Regelinsolvenz werden soll, lässt aufhorchen. Anders als bei der von den Eigentümern meist bevorzugten Insolvenz in Eigenregie bestimmt nicht die bisherige Geschäftsführung, wie es weitergehen soll, sondern ein vom Gericht bestellter Insolvenzverwalter. Voraussetzung für eine Insolvenz in Eigenregie ist ein schlüssiges und glaubwürdiges Sanierungskonzept, dem sowohl das Gericht als auch die Gläubiger zustimmen müssen. Während hier die Rettung des Unternehmens und der Arbeitsplätze an erster Stelle steht, muss in einer Regelinsolvenz der vom Gericht bestellte Insolvenzverwalter vor allem die Interessen der Gläubiger wahren.
Was eine Regelinsolvenz für die Modekette Aachener bedeutet
Das ist im Idealfall ebenfalls die Sanierung des Unternehmens, auf dass es wieder Geld verdient und seine Schulden zurückzahlen kann. Sollte das aber nicht realistisch sein, muss der Insolvenzverwalter weitere Verluste verhindern und das verbliebene Vermögen des Unternehmens verwerten, sprich zu Geld machen. Das bedeutet bei einem Handelsunternehmen in der Regel, die Filialen zu verkaufen oder zu schließen, wenn sich nicht schnell ein Käufer findet. Die Gehälter der Beschäftigten übernimmt drei Monate lang die Bundesagentur für Arbeit.
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Der nun bestellte Christoph Schulte-Kaubrügger gibt sich zum Antritt aber optimistisch, die Aachener noch retten zu können: „Nach den ersten Gesprächen mit dem Management-Team bin ich zuversichtlich und sehe Möglichkeiten für eine Sanierung“, wird er in der Mitteilung des Unternehmens zitiert. Der Insolvenzexperte betont: „Die Fortführung des operativen Geschäfts ist bis auf Weiteres gesichert.“
Göbel verliert den Einfluss auf seine Aachener
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Wer in einer Regelinsolvenz seinen letzten Einfluss verliert, ist der wegen privater Gerichtsverfahren flüchtige Gründer der Aachener: Friedrich Göbel. Sein Traum, der Konkurrenz inmitten der branchenweiten Krise zu zeigen, dass und wie Textilhandel funktionieren kann, ist damit geplatzt. Noch im März hatte sich Göbel im Gespräch mit unserer Redaktion als Retter von bis zu 25 Galeria-Filialen ins Spiel gebracht – so viele Warenhäuser wollte er vom seinerzeit insolventen Essener Marktführer übernehmen. Vor allem an den Filialen in Essen und Dortmund hatte der frühere Chef der Modekette Sinn großes Interesse gezeigt. Sie standen bereits auf der Schließungsliste von Galeria, blieben am Ende aber doch erhalten.