Essen. Der Fachkräftemangel erhöht die Chancen für Galeria-Beschäftigte auf neue Jobs. Auch die Städte bieten Stellen an. Doch Ältere haben es schwerer.

Wieder verlieren Tausende Karstadt- und Kaufhof-Beschäftigte ihren Arbeitsplatz, wie viele genau, ist noch offen. Ihre Chancen, rasch einen neuen Job zu finden, stünden wegen des Fachkräftemangels zum Glück gut, ist von Politikern, Ökonomen und Arbeitsmarktexperten zu hören. Ist das wirklich so? Und gilt das auch für die vielen älteren Frauen und Männer aus Deutschlands letzter großer Warenhauskette?

Die Zahlen sagen: Jein. Rund 14.000 freie Stellen sind in NRW nach Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) derzeit in Handelsberufen gemeldet, darunter etwa 11.000 im Verkauf. Dem stehen allerdings auch 72.000 Arbeitslose mit einem Wunschberuf im Handel gegenüber. Die offizielle Einschätzung der BA NRW auf Anfrage unserer Zeitung: „Grundsätzlich stehen die Chancen für die Beschäftigten auf einen neuen Arbeitsplatz aktuell gut – im Einzelhandel ebenso wie in anderen Berufen.“

Wie viele bei Galeria gehen müssen, ist noch unklar

Wie viele Menschen Galeria in NRW rauswirft, ist noch offen, das Unternehmen selbst ging zuletzt von 4300 bundesweit aus, mehr als ein Viertel davon würde entsprechend der Schließungsliste auf NRW entfallen – 14 der noch 46 Häuser stehen auf der roten Liste, davon mit Duisburg, Gelsenkirchen, Essen, Dortmund und Hagen fünf im Ruhrgebiet. Chefsanierer Arndt Geiwitz gab sich nach der Zustimmung der Gläubiger zu seinem Insolvenzplan aber zuversichtlich, noch weitere Standorte erhalten und den Stellenabbau so unter 3000 drücken zu können.

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In der Verwaltung und IT will sich Galeria von 300 Beschäftigten vor allem in seiner Essener Zentrale trennen, im Logistikzentrum im Essener Norden sind weitere rund 600 Arbeitsplätze bedroht. Offene Büro-Stellen für kaufmännische Fachkräfte gibt es im BA-Jobportal aktuell 3530 in NRW, für IT-Fachkräfte 628, wobei noch deutlich mehr IT-Stellen über private Jobportale und Personalagenturen angeboten werden dürften. Bei bundesweit mehr als 130.000 unbesetzten Stellen für IT-Experten sollten sie die geringsten Schwierigkeiten bei der Jobsuche haben. In der Logistik gibt es viele Stellen, aber auf eine Stelle kommen auch fünf Arbeitslose.

Was spricht nun für frisch entlassene Galeria-Fachkräfte und was gegen sie? Das größte Plus ist für langjährige Beschäftigte ihr Fachwissen: Im Handel kommen auf eine für ausgebildete Fachkräfte ausgeschriebene Stelle derzeit nur zwei Arbeitslose, bei den Helferjobs im Handel sind es dagegen 40. Viele Arbeitgeber stellen lieber frisch Gekündigte ein als Arbeitslose, weil sie in der Regel schneller eingearbeitet sind.

Gerade für die älteren Warenhaus-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter gilt aber, dass ihre Chancen schlechter stehen als für die jüngeren. Zwar hat sich die Beschäftigungslage für Ältere mit dem Fachkräftemangel insgesamt spürbar entspannt. Doch Ältere, die arbeitslos werden, haben es immer noch schwerer, eine neue Anstellung zu finden. Ein Drittel aller 705.000 Arbeitslosen in NRW ist über 50.

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Laut einer Appinio-Umfrage unter 400 Personalchefinnen und -chefs für das Jobportal Indeed ziehen sie noch immer Altersgrenzen bei ihrer Suche nach Verstärkungen. Demnach sind 55-Jährige für knapp die Hälfte derer, die Personal einstellen, schon zu alt. Das machen sie in ihren Stellenausschreibungen auch auf subtile Weise, aber offenbar klar genug deutlich: Die Mehrheit der Älteren fühlt sich in Stellenanzeigen nicht angesprochen, etwa weil Begriffe wie „neue“ oder „frische Kräfte für junges Team“ benutzt werden. Weil die Suche nach guten Leuten schwieriger wird, setzen zwar immer weniger Arbeitgeber ihre älteren Beschäftigten mit Altersteilzeit oder anderen Angeboten frühzeitig vor die Tür. Aber bei Neueinstellungen sind sie nicht zuletzt wegen der meist mit dem Alter steigenden Gehaltsansprüche weiter eher auf Jüngere.

Arbeitsagenturen im Ruhrgebiet stehen bereit

Die Arbeitsagenturen im Ruhrgebiet wissen das und versuchen bereits zu helfen. Zunächst müssen Betroffene allerdings entscheiden, ob sie für bis zu sechs Monate in die Transfergesellschaft wechseln wollen, um wenigstens ein halbes Jahr sicher vor der Arbeitslosigkeit zu sein. Wollen sie das nicht, werden sie betriebsbedingt gekündigt und erhalten die Abfindung von maximal zwei Monatsgehältern, aber höchstens 7500 Euro.

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Unabhängig davon werde die Bundesagentur für Arbeit in Kontakt mit allen betroffenen Häusern treten und den Beschäftigten ihre Unterstützung anbieten, versicherte die Regionaldirektion NRW in Düsseldorf. Mit potenziellen und interessierten Arbeitgebern sei man bereits im Gespräch. Das bestätigten auch die Arbeitsagenturen in den betroffenen Ruhrgebietsstädten auf Anfrage.

Essen und Duisburg bieten städtische Stellen an

Zudem bieten die Städte Menschen, die von Galeria entlassen werden, auch eigene Stellen an. „Mit ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Kaufhäusern haben wir gute Erfahrungen gemacht“, erklärte zum Beispiel Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU). Erst 2020 schloss in Essen der große Kaufhof am Hauptbahnhof, aus dem der ein oder andere heute für die Stadt arbeitet.

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Auch Duisburgs OB Sören Link (SPD) hatte unmittelbar nach der Ankündigung von Galeria, den Kaufhof an der Düsseldorfer Straße zu schließen, den dort Beschäftigten Unterstützung angeboten. Unserer Zeitung gegenüber erklärte das Rathaus: „Auch die Stadt Duisburg sucht permanent neue Mitarbeitende und würde sich auch über Bewerbungen von Galeria-Mitarbeitenden bei der Stadtverwaltung freuen.“ Allerdings glaube man, dass die 65 betroffenen Personen auch im Handel sehr schnell wieder einen Job finden könnten.

Hoffnung auf Erhalt der Filialen in Essen und Dortmund

Besonders in Essen und Dortmund besteht zudem noch die Hoffnung, dass die Kaufhäuser doch noch erhalten bleiben, nachdem der Unternehmer Friedrich Göbel offen Interesse an ihnen bekundet hat. Er hat bereits fünf Filialen übernommen, darunter mit Leverkusen auch eine in NRW, und hatte erklärt, bis zu 25 Standorte mit seiner noch jungen Textilkette Aachener weiterbetreiben zu wollen.