Essen. In Essen haben die Gläubiger von Galeria Karstadt Kaufhof dem Insolvenzplan zugestimmt. Sanierer Geiwitz: Weniger als 3000 Kündigungen möglich.

Deutschland blickt auf Essen. Zahlreiche Kamerateams und Journalisten begleiten seit dem frühen Montagmorgen die Gläubigerversammlung für den Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof. Als erste treffen die Insolvenzexperten Arndt Geiwitz und Frank Kebekus sowie der scheidende Unternehmenschef Miguel Müllenbach im Europasaal der Messe Essen ein. Kurz nach 15 Uhr dann die für die Mehrzahl der Beschäftigten erlösende Nachricht: Die Gläubiger haben dem Insolvenzplan mit großer Mehrheit zugestimmt und dafür auf 1,4 Milliarden Euro verzichtet. Die noch ausstehende Zustimmung des Insolvenzgerichts gilt als Formsache.

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„Damit ist für Galeria der Weg frei, das Warenhausgeschäft in Deutschland im Rahmen des neuen Konzepts fortzuführen“, teilte das Unternehmen mit. Gut 80 Filialen können demnach weitermachen, Stand jetzt 47 sollen schließen, mehr als 4000 Beschäftigte ihre Arbeitsplätze verlieren. Allerdings gibt es offenkundig berechtigte Hoffnungen, dass noch ein paar Standorte gerettet werden können und damit die Zahl der Kündigungen noch „unter 3000“ sinken kann, wie Geiwitz nach der Versammlung vor Journalisten erklärte.

Geiwitz: Zahl der Kündigungen kann noch „unter 3000“ sinken

Galeria sei zwar nicht mehr aktiv in Verhandlungen, sagte der Insolvenzverwalter. „Es gibt aber Vermieter, die noch auf uns zukommen wollen“, so Geiwitz. Deshalb sei er optimistisch, dass es „die eine oder andere Filiale“ doch noch auf die Liste mit den Standorten schaffe, die fortgeführt werden. Der Sanierungsexperte betonte, dass die Gläubiger den Weg frei gemacht hätten für „eine schöne Nachricht“: „Galeria hat eine Zukunft und wird dauerhaft Bestand haben. Die große Zustimmung der Gläubiger zeigt das Vertrauen in das neue Warenhauskonzept“, sagte Geiwitz.

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Galeria habe nun „beste Chancen für eine Rückkehr in die Erfolgsspur“. Die Zustimmung der Gläubiger wertete Sachwalter Frank Kebekus als „einen unmissverständlichen Auftrag an das Management und den Eigentümer“. Wie das Unternehmen am Montag mitteilte, ist der österreichische Milliardär und Galeria-Eigner René Benko bereit, „bis zu 200 Millionen Euro“ in die Modernisierung der Warenhäuser zu investieren. Der Startschuss für die Umbaumaßnahmen soll offenbar im August fallen.

Dafür müssen Gläubiger wie Banken, Beschäftigte, Lieferanten und Versicherungen unter dem Strich auf Forderungen im Wert von 1,4 Milliarden Euro verzichten. Wer genau wie viel zurückbekommt, wird an diesem Montag nicht beantwortet. Fest steht nur: Für jeden ist es wenig, sehr wenig. „Zur Befriedigung der Gläubiger stehen 50 Millionen Euro zur Verfügung“, hieß es nach der Versammlung. Allein die Bundesagentur für Arbeit hatte laut Insolvenzplan fast 100 Millionen Euro aufgebracht, um während des dreimonatigen Schutzschirmverfahrens die Gehälter der mehr als 17.000 Beschäftigten zu finanzieren.

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Wie viel der Staat von seinen 680 Millionen Euro zurückerhält ist ebenfalls noch nicht ganz klar, lässt sich aber grob umreißen. Die stille Einlage von 250 Millionen Euro ist komplett weg. Von den 430 Millionen Euro an Krediten aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) erhält dieser nur einen Bruchteil zurück. Wie viel die Verwertung der Sicherheiten, darunter der komplette Warenbestand der Kaufhäuser sowie der zum Verkauf stehenden belgischen Galeria-Tochter Inno dem Staat einbringt, muss sich erst zeigen, geschätzt wurde sein Anteil zuletzt auf 88 Millionen Euro, so dass knapp 600 Millionen Euro an Steuergeldern verbrannt wären.

Staat verliert bei Galeria rund 600 Millionen Euro

Die Bundesfinanzagentur erklärte am Montag dazu: „Mit dem heutigen Beschluss steht fest, dass auch nach Verwertung der vorhandenen Sicherheiten ein Großteil der zur Stabilisierung eingesetzten Mittel im WSF abzuschreiben sein wird, auch wenn wir das Stand heute noch nicht präzise beziffern können.“ Das Bundesfinanzministerium von Christian Lindner (FDP) erklärte auf Anfrage unserer Zeitung, die Höhe der Abschreibungen und Verluste des Staates hänge „von der weiteren Geschäftsentwicklung, der Verwertung von Sicherheiten und dem weiteren Fortgang der Sanierung ab“.

Die Gläubigerversammlung für Galeria Karstadt Kaufhof ging mit Protesten von Verdi einher.
Die Gläubigerversammlung für Galeria Karstadt Kaufhof ging mit Protesten von Verdi einher. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann Funke Foto Services

Die größten Opfer müssen allerdings einmal mehr die Beschäftigten erbringen. “Wir sind die Menschen bei Galeria“ heißt es auf einem Transparent, das Mitglieder der Verdi-Bundestarifkommission in den Essener Himmel halten, während im Kongresssaal die Gläubiger tagen. Bei Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger, die früher selbst bei Karstadt gearbeitet hatte, mag keine rechte Erleichterung über die Prognose aufkommen, dass statt der befürchteten mehr als 5000 möglicherweise nur 3000 Arbeitsplätze bei Galeria wegfallen sollen.

„Alles, was das Management bisher gemacht hat, ist das Predigen von Schließungen und Entlassungen. Wir werden mit den aktiven Beschäftigten weiter um jeden Arbeitsplatz kämpfen“, gibt sich die Verdi-Frontfrau kämpferisch. Denn Nutzenberger weiß, dass auch in den überlebenden Warenhäusern Hunderte Beschäftigte ihre Stellen verlieren sollen. In Mülheim hat es bereits Kündigungen gegeben. Die Gewerkschafterin ist dankbar ob der „Unterstützung und Solidarität für die Menschen bei Galeria“ in der Öffentlichkeit. „Kommunalpolitikerinnen und –politiker bemühen sich weiter um Standorte und für den Erhalt von Arbeitsplätzen“, sagt sie.

Und es gibt einen weiteren Hoffnungsschimmer: Der Dortmunder Textilunternehmer Friedrich Göbel will bis zu 25 Mietverträge, die Galeria kündigt, übernehmen. Vier Mietverträge seien bereits unterzeichnet, teilte der ehemalige Geschäftsführer der Modekette Sinn in der vergangenen Woche mit. Im Gespräch mit unserer Redaktion hatte er auch Interesse an den Standorten Essen, Dortmund, Duisburg, Gelsenkirchen und Hagen geäußert, wo er sein Warenhauskonzept unter dem Namen „Aachener“ umsetzen will.

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Nach gut fünf Stunden haben die Gläubiger ihre Arbeit getan. Über eine lange Rolltreppe verlassen sie die „Außenstelle Amtsgericht Essen“, wie der Westflügel des Messe an diesem Montag heißt. Justizbeamte mit Handschellen am Gürtel ziehen sich von den Eingängen zurück. Draußen hat sich die Sonne verzogen, in den Regen mischt sich Schnee. Ende Mai soll das Insolvenzverfahren für Galeria zu Ende gehen. Die Arbeit wird dann erst richtig beginnen.

>>> Arbeitsagentur sieht gute Chancen

Die Arbeitsagentur knüpfte ihre Zustimmung zum Insolvenzplan an Bedingungen. „Wichtig ist, dass es ein Zukunftskonzept für das Geschäftsmodell gibt“, sagte Vorstand Daniel Terzenbach dem „Handelsblatt“. Nur ein „Weiter so“ reiche nicht. Terzenbach sieht gleichwohl gute Chancen für die Beschäftigten, die von der geplanten Schließung von 47 Warenhäusern betroffen sein werden.

Die Arbeitsagentur habe bereits Sprechstunden in einzelnen Filialen abgehalten und plane sogenannte digitale Begegnungsräume mit Unternehmen, die neue berufliche Perspektiven bieten könnten. Galeria müsse jedoch „auch in die Mitarbeitenden investieren, die im Unternehmen bleiben, damit wir nicht in einigen Jahren wieder vor den gleichen Problemen stehen“, mahnte der Vorstand der Bundesagentur.