Mülheim. Tengelmann-Chef Christian Haub bricht „aus Enttäuschung“ nun auch mit seinem Bruder Georg. Er plant den Börsengang für die Ketten Kik und Obi.
Bei einem langen Spaziergang im vergangenen Sommer war man sich schnell einig, den Familienstreit der zurückliegenden Jahre zu begraben. Nach dem kleinen Ausflug verkündete die Tengelmann-Gruppe den „unternehmerischen Schulterschluss der Gebrüder Haub“. Doch der Frieden zwischen den beiden Eigentümern des Mülheimer Familienunternehmens sollte nicht lange halten. Konzernchef Christian Haub hat nun den endgültigen Bruch mit seinem Bruder Georg verkündet.
„Es gibt kein Zurück mehr“, sagte Christian Haub dem „Manager Magazin“ (externer Link, Bezahlinhalt). Er sei von seinem Bruder Georg „menschlich sehr enttäuscht“. Der neuerliche Konflikt über die Auflösung von Unternehmensreserven habe endgültig gezeigt, „dass es keine gemeinsame Zukunft mehr geben kann“. Christian Haub, dem bereits zwei Drittel des Handelsriesen mit Ketten wie Obi, Kik, Babymarkt.de und einem beachtlichen Immobilien-Reservoir gehören, will nun Alleineigentümer werden.
Er habe bereits „gewissermaßen die Lufthoheit“, sagt der 58-Jährige. Nun will er aber offenbar alles. Im Oktober 2020 hatte er sich in einem Interview mit unserer Redaktion von seinem verschollenen Bruder distanziert. „Mein Bruder Karl-Erivan hatte schon immer einen Macht- und Alleinvertretungs-Anspruch unter uns drei Brüdern erhoben und wurde darin von meinen Eltern, als deren Lieblingssohn er galt, auch noch unterstützt“, sagte er damals.
Tengelmann: Christian Haub hält bereits zwei Drittel am Konzern
Im vergangenen Sommer schien nun nach jahrelangen Auseinandersetzungen wieder Frieden bei Tengelmann eingekehrt zu sein. Nachdem der dritte Bruder und bisherige Unternehmenschef Karl-Erivan Haub am 7. April 2018 nicht von einem Skiausflug zurückgekehrt war, wurde er im vergangenen Jahr gerichtlich für tot erklärt. Dessen Anteil an der Tengelmann-Gruppe übernahm nach heftigen Auseinandersetzungen mit der Witwe Katrin und deren Zwillingen Viktoria und Erivan schließlich Christian Haub. Der Deal soll ihn bis zu 1,5 Milliarden Euro gekostet zu haben.
Der dritte Bruder Georg schien sich mit seinem Drittel an dem profitablen Konzern zufrieden zu geben, auch wenn er auf das operative Geschäft kaum noch Einfluss hatte. Doch im Februar setzte bei ihm plötzlich ein Sinneswandel ein. Er klagte dagegen, dass Rücklagen des Unternehmens in Höhe von mehr als einer Milliarde Euro aufgelöst und auf die Konten der Gesellschafter umgebucht wurden.
„Milliardär heiratet seine Masseuse“ - Gutachten wirft Georg Haub „unternehmensschädigendes Verhalten“ vor
Das Störfeuer führt nun zu einem endgültigen Bruch zwischen den Brüdern. „Ein umfassendes Rechtsgutachten eines renommierten Universitätsprofessors kommt zu dem Ergebnis, dass Georg Haub aus wichtigem Grund, nämlich wegen seines permanenten unternehmensschädigenden Verhaltens aus dem Gesellschafterkreis ausgeschlossen werden kann“, sagt Christian Haubs Staranwalt Mark Binz und nennt auch ein Beispiel: „Ich denke nur an die, offenbar von ihm aus Eitelkeit forcierte Schlagzeile in der Bild-Zeitung ,Milliardär heiratet seine Masseuse‘.“ Georg Haubs Anwalt wollte sich auf Anfrage unserer Redaktion nicht zu der Auseinandersetzung äußern.
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Ob der Tengelmann-Chef die Rauswurf-Karte ziehen wird, ist freilich offen. Georg Haub hatte schon mehrere Versuche unternommen, aus dem Familienunternehmen auszuscheiden. Es wird erwartet, dass er ein neuerliches Angebot vorlegen wird. Christian Haub wird dann entscheiden, ob er eine weitere „Abfindung“ in Milliardenhöhe binnen eines Jahres zahlen kann und will. Eine Versöhnung der beiden Brüder erwartet auch Binz nicht: „Christian Haub hatte nach dem tragischen Tod von Karl-Erivan große Hoffnungen auf seinen verbliebenen Bruder gesetzt und ist jetzt ob seines unbegreiflichen, nur mit Neid und Missgunst erklärbaren Verhaltens menschlich zutiefst enttäuscht. Dieser Bruch ist unheilbar.“
Anwalt Binz: Pensionsfonds und Finanzinvestoren haben Interesse an Einstieg
Laut Mark Binz scheint auch eine ganz andere Lösung möglich: „Christian Haub erhält fast täglich Anfragen von Pensionsfonds und anderen Finanzinvestoren, die sich liebend gerne am Tengelmann-Konzern, insbesondere an der börsenreifen Textil-Kette KiK beteiligen würden. Sicher stünden sie Schlange, sobald das Ausscheiden von Georg Haub bekannt würde“, sagt der Anwalt. „Zumindest als Interims-Lösung wäre die Beteiligung eines Finanzinvestors auch aus Sicht von Christian Haub von Vorteil. Er könnte damit den Ausstieg seines Bruders locker finanzieren, ohne Abstriche bei seiner ambitionierten Wachstums-Strategie machen zu müssen.“
Nach den Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Verschwinden von Karl-Erivan Haub und dem massiven Umbau der Holding will der Tengelmann-Chef nun wieder investieren. Zunächst eine halbe Milliarde Euro stehen nach seinen Angaben für Unternehmenszukäufe vor allem in den USA bereit. Dort will Haub auch das Immobiliengeschäft ausbauen. Dennoch: „Tengelmann hat seine Wurzeln im Handel und nach wie vor einen großen unternehmerischen Schwerpunkt. Das wird auch auf absehbare Zeit so bleiben“, betont ein Sprecher.
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Dreistelliger Millionengewinn bei Obi - Tengelmann plant Börsengang
Der Tengelmann-Chef hat aber auch Pläne für seine großen deutschen Handelsunternehmen. Den Textildiscounter Kik und die Baumarktkette Obi habe man bereits „auf Kapitalmarktfähigkeit getrimmt“. Das ermögliche einen Gang an die Börse oder institutionelle Investoren an Bord zu nehmen. Das Parkett ist für das Familien-Unternehmen kein unbekanntes Terrain. Tengelmann war bereits mit seiner US-Supermarktkette A&P an der Börse notiert.
Genauere Angaben zu den Börsen-Plänen will man bei Tengelmann nicht machen. Christian Haub lässt lediglich durchblicken, dass Obi im vergangenen Jahr einen „sehr ordentlichen dreistelligen Millionengewinn“ erzielt habe. Und Kik ist gerade dabei, seine Expansion voranzutreiben.
Die Textilkette Kik mit Sitz im westfälischen Bönen ist mit 4000 Filialen europaweit vertreten. Das Unternehmen gehört zu 100 Prozent der Tengelmann-Gruppe. An der Baumarktkette Obi mit rund 670 Filialen, die ihre Zentrale in der rheinisch-bergischen Stadt Wermelskirchen hat, ist die Bochumer Familie Lueg mit 26 Prozent beteiligt. Die Lueg-Gruppe gilt als der größte deutsche Mercedes-Händler.