Essen. Warum sich Kik-Chef Patrick Zahn für die Corona-Impfkampagne stark macht und wie eine Jeans 4,99 Euro kosten kann, erklärt er im Podcast.
Dem Kampf gegen die Impfmüdigkeit in Deutschland hat sich längst auch der Einzelhandel angeschlossen, um einen neuerlichen Lockdown zu verhindern. An der Spitze der Bewegung steht Patrick Zahn. Der Chef des Textildiscounters Kik erklärt im Podcast „Die Wirtschaftsreporter“, warum er die monatelange Schließung der meisten Läden für „Unrecht“ hält und wie coronabedingte Reiseverbote nach China und Bangladesch die Kontrolle sozialer und ökologischer Standards in den Textilfabriken vor Ort erschwert.
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Seit der Gründung im Jahr 1994 galt das Unternehmen als äußerst verschwiegen. Mit seinem Amtsantritt 2016 hat Kik-Chef Patrick Zahn viel verändert. Der wegen seiner extrem niedrigen Preise häufig kritisierte Textildiscounter ist transparenter geworden. „Grundsätzlich haben wir uns geöffnet, weil der Zeitgeist ein anderer geworden ist. Man kann heute nicht mehr verschlossen sein“, sagt Zahn.
Zahn: Schließung der Geschäfte war „Unrecht“
In der Corona-Pandemie ist der Kik-Geschäftsführer, der auch für knapp 20.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter spricht, zum Gesicht jener großen Gruppe der „zwangsgeschlossenen Händler“ geworden, wie er sie selbst nennt. Von Mitte Dezember bis Ende April durften grob nur Lebensmittelhändler, Drogeriemärkte und Pflanzenanbieter öffnen. „Der Handel wurde in gewisser Weise gesprengt. Sie hatten die Gewinner, die öffnen durften, und die Verlierer, die zwangsgeschlossen waren. Wir empfinden es immer noch als Unrecht, dass wir geschlossen wurden“, erklärt Zahn bitter.
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„Man wollte das öffentliche Leben lahm legen. Das akzeptiere ich. Doch dann reden wir über Schadensersatz und nicht von Hilfen“, meint der Kik-Chef. Sein Unternehmen, dessen Umsatz in europaweit 4000 Filialen im Corona-Jahr 2020 um 10,3 Prozent auf 1,9 Milliarden Euro eingebrochen war, habe in Deutschland aufgrund seiner Größe keine staatliche Hilfe erhalten. „Das sind einfach Investitionen in die Zukunft, die uns geraubt wurden. Ich halte wenig davon, nur den schwachen Unternehmen zu helfen. Sie waren vielleicht schon vor der Pandemie schwach“, so Zahn.
Kik habe während Corona einen dreistelligen Millionenbetrag verloren, der nach der Öffnung nicht mehr habe zurückgeholt werden können. Um einen weiteren Lockdown zu verhindern, hat sich der deutsche Einzelhandel deshalb der Impfkampagne angeschlossen. „Weit über 200.000 Menschen“, so Zahn, hätten sich daraufhin ihre Spritzen in Einkaufszentren oder auf Parkplätzen abgeholt.
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Kurzarbeit und Umsatzverluste – die Corona-Pandemie hinterlässt nach Zahns Einschätzung auch an anderen Stellen tiefe Spuren in seinem Unternehmen. Geschlossene Häfen, zu wenige Container und erheblich gestiegene Frachtraten machen auch Kik zu schaffen. „Er ist wirklich sportlich, das Preisniveau zu halten“, sagt Zahn im Hinblick auf die steigende Logistikkosten. „Leere Regale wird es bei Kik nicht geben. Es knirscht aber in einigen Sortimenten. Ob wir im nächsten Jahr Blumentöpfe haben werden, ist ungewiss. Es ist eine sehr herausfordernde Zeit für Händler“, sagt er. Das Weihnachtsgeschäft sei nicht gefährdet. Kundinnen und Kunden müssten sich aber darauf einstellen, dass in diesem Jahr etwa nicht alle Christbaumkugel-Modelle zu kaufen sein würden.
Reiseverbot zu Textilfabriken in Asien
Die weltweite Corona-Pandemie hat aber offenbar auch die Kontrollen der Einhaltung von sozialen und ökologischen Standards in asiatischen Textilfabriken zum Erliegen gebracht. „Wir kommen nicht raus in unsere Beschaffungsländer. China wird voraussichtlich bis Mitte 2022 ein Einreiseverbot haben. Ende des Jahres hoffen wir, wieder nach Bangladesch fahren zu können. Dann werden wir eine Bestandsaufnahme machen“, kündigt Zahn an und fordert zugleich, dass Arbeitsschutz-Kontrollen in den Produktionsstätten nicht länger auf die Händler, die dort nähen lassen, „abgewälzt“ werden dürften. Der Kik-Chef: „Arbeitsschutz muss der Staat kontrollieren.“
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Zahn räumt „eine riesige Asien-Abhängigkeit“ seines Unternehmens ein. „Aber ich sehe kaum Alternativen momentan. Wenn wir in die Türkei, nach Bulgarien oder Rumänien gehen würden, hätte das Auswirkungen auf den Verkaufspreis, die nicht möglich sind. Von daher ist die Abhängigkeit von Asien alternativlos“, sagt er. „Wir können die Verkaufspreise anheben, das würde aber das Leben unserer Kunden erheblich erschweren“, gibt Zahn zu bedenken. „Wir haben ein knappes Marketing-Budget und sind nicht in Innenstädten mit hohen Mieten vertreten“, so der Kik-Chef. Das mache es möglich, eine Kinderjeans für 4,99 Euro anzubieten. Trotzdem reklamiert er für den Textildiscounter, „relativ weit vorn bei Umweltthemen“ zu sein, „um nicht zu sagen Musterschüler“.
Tengelmann hat auf 100 Prozent aufgestockt
Anfang des Jahres hatte der Handelskonzern Tengelmann seinen Kik-Anteil auf 100 Prozent aufgestockt. Trotz der Verlagerung des Tengelmann-Sitzes von Mülheim nach München, sieht Zahn die Heimat von Kik weiterhin im Ruhrgebiet. „Wir bleiben in Bönen“, sagte er im Podcast „Die Wirtschaftsreporter“ und kündigte eine weitere Expansion in Europa an. Längerfristig seien auch Kik-Filialen in den USA denkbar.
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