Essen. Bei der geschlossenen Greensill Bank haben 50 Städte, auch Monheim und Emmerich, Geld geparkt. Das dürfte verloren sein. Kein Mitleid im Revier.

Einmal mehr haben Dutzende Kämmerer das Geld der Steuerzahler aufs falsche Pferd gesetzt: Die Schließung der Greensill Bank trifft auch rund 50 Kommunen, die von ihren Einlagen bei der Bremer Privatbank wahrscheinlich keinen Cent wiedersehen werden, darunter auch die NRW-Städte Monheim und Emmerich. Einer Umfrage dieser Zeitung nach ist von den hoch verschuldeten Ruhrgebiets-Städten diesmal allem Anschein nach keine betroffen. Von Duisburg bis Dortmund erklärten die Städte auf Anfrage, sie hätten kein Geld bei Greensill angelegt.

Wer die weiteren Städte sind, blieb auch am Freitag zunächst unbekannt. Die Stadt Monheim am Rhein, landesweit bekannt für ihre extrem niedrigen Gewerbesteuern, hat 38 Millionen Euro bei Greensill liegen und rechnet mit dem „kompletten Ausfall des angelegten Geldes“, wie Bürgermeister Daniel Zimmermann von der in Monheim regierenden Jugendpartei Peto den Ratsmitgliedern erklärte. Emmerich am Niederrhein hat sechs Millionen Euro auf der geschlossenen Bank liegen. Wegen drohender Überschuldung darf die Bank kein Geld mehr auszahlen.

Kein Mitleid mit Monheim im Ruhrgebiet

Das Mitleid mit Monheim hält sich im Ruhrgebiet in Grenzen, wie am Freitag hier und da aus den Rathäusern zu hören war. Schließlich hat die Stadt mit ihren Niedrigsteuern viele Unternehmen angelockt, auch aus dem Ruhrgebiet. So hat etwa das Oberhausener Chemieunternehmen Oxea 2015 seine Verwaltung nach Monheim verlegt, um Steuern zu sparen, produziert aber weiter in seinem Ruhrgebiets-Werk.

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Unlängst nahm sich Leverkusen ein Vorbild am kleinen Nachbarn und schrieb über seine Wirtschaftsförderung gezielt auch Unternehmen im Ruhrgebiet an, um sie zur Verlegung ihrer Zentrale nach Leverkusen zu animieren. Nach harscher Kritik aus dem Revier, aber auch von NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) stampfte Leverkusen die Werbekampagne wieder ein.

Auf die Frage, ob die Stadt Geld bei der Greensill angelegt habe, hört man aus den Ruhrgebiets-Städten eher belustigt als Antwort, man wäre froh, etwas anlegen zu können. Die latente Finanznot im Revier bewahrte freilich in der Vergangenheit einige Kämmerer nicht davor, Geld zu verbrennen: Mit dem verlustreichen Verleih von Kanalnetzen an US-Investoren (Cross-Border-Leasing) etwa oder zuletzt mit hochriskanten Zinswetten.

2017 flogen die Kommunen aus der Einlagensicherung

Dass seinerzeit, Mitte des vergangenen Jahrzehnts, viele Städte bundesweit Millionen verzockten, trug dazu bei, dass ihre bei privaten Banken angelegten Gelder nicht mehr geschützt sind. 2017 flogen sie aus dem Einlagensicherungsfonds, der die Kommunen seitdem wie professionelle Anleger behandelt und sich auf den Schutz der Privatkunden konzentriert. Ganz so wie die gesetzliche Einlagensicherung, die Guthaben bis 100.000 Euro absichert. Darüber hinaus springt die private Einlagensicherung laut Bankenverband bei Greensill für bis zu 75 Millionen Euro pro Kunde ein.

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Die Kommunen können ihr Geld, so sie welches anzulegen haben, nur noch bei Sparkassen und Volksbanken parken, was bei größeren Summen inzwischen Strafzinsen mit sich bringt. Aus diesem Grund sind einige Kommunen das eigentlich überschaubare Risiko eingegangen, es einer Privatbank anzuvertrauen. Zu hoch war aber offenkundig bei der Greensill Bank mit ihren engen Verbindung zum Stahlinvestor Sanjeev Gupta, der Thyssenkrupp das Stahlgeschäft abkaufen wollte.

Emmerichs Bürgermeister Peter Hinze (SPD) betonte am Freitag auf der Homepage der Stadt, die Kreditwürdigkeit der Greensill Bank sei „bis vor wenigen Tagen besser“ gewesen als die anderer bekannter Banken in Deutschland. Er wolle die Vorgänge aber intern aufarbeiten lassen. Der Deal sei durch „eine renommierte Finanzvermittlung zu Stande“ gekommen, die „viele Kommunen in Deutschland bei der Anlage ihres Kapitals“ berate. Wenn es tatsächlich zu einer Insolvenz der Bank komme, so Bürgermeister Hinze, „müssen wir befürchten, dass der allergrößte Teil des Geldes weg ist. So ehrlich muss man sein.“

Bankenverband: Bereits vor einem Jahr auf Probleme hingewiesen

Beim Bankenverband ist man zunehmend schlecht zu sprechen auf die Finanzaufsicht. Der eigene Prüfungsverband habe die Bafin „bereits Anfang 2020 auf die Probleme der Greensill Bank hingewiesen“, erklärte ein Sprecher des Bankenverbands auf Anfrage unserer Redaktion. Der Prüfungsverband überwache die Mitgliedsbanken und setze die Regeln. An die habe sich das Management der Greensill Bank „offensichtlich nicht gehalten“. Das gelte vor allem für die forcierte Ausweitung des Geschäftsvolumens.

Das in den vergangenen Jahren sehr schnelle Wachstum war ein gutes Jahr nach der Warnung durch den Bankenverband nun auch der Bafin nicht mehr geheuer: In einer Sonderprüfung stellte sie fest, Greensill sei nicht in der Lage, „den Nachweis über die Existenz von bilanzierten Forderungen zu erbringen, die sie von der GFG Alliance Group angekauft hat“. Hinter der steckt Stahlinvestor Gupta, der über die GFG auch die britische Liberty Steel kontrolliert, die Thyssenkrupp Steel übernehmen wollte.

Grüne attackieren die Bafin

Die Grünen-Finanzpolitikerin Lisa Paus wittert ein Versagen der Bafin: „Gerade ist die Finanzaufsicht nach dem Wirecard-Skandal dabei, die Scherben zusammenzukehren, da kommt der nächste Skandal - und wieder macht die Bafin keine gute Figur“, sagte sie. „Damit reiht sich der Fall der Greensill Bank nahtlos in lange Liste der Aufsichtsversagen der letzten Jahre ein.“