Leverkusen. Während der Corona-Lockdowns wirkten NRW-Autobahnen zeitweise leer. Nun schwillt der Verkehr an. Der „Home-Office“-Effekt könnte Staus mindern.
Es dürfte wenige Gründe geben, den bisherigen Corona-Lockdowns seit März 2020 hinterher zu weinen. Doch gewisse Dinge könnten gerne bleiben. Das zeigen Daten der Verkehrszentrale für NRW der Autobahn GmbH in Leverkusen zur Verkehrsentwicklung auf den Autobahnen in der laufenden Corona-Pandemie.
Es gab deutlich weniger Verkehr und Staus auf den Autobahnen, zeigt eine Auswertung auf Anfrage. Doch die Daten zeigen auch: Noch während des zweiten Lockdowns schwoll der Verkehr auf den Autobahnen schon wieder deutlich an. Seit März steigt die Kurve zwar flacher, aber weiterhin stetig nach oben.
Autobahnen in Kürze wohl wieder so voll wie vor Corona
„Geht die Entwicklung so weiter, ist es spätestens im Juli wieder so voll auf den Autobahnen, wie vor Corona“ glaubt Prof. Roman Suthold, Verkehrsexperte beim ADAC Nordrhein. Für Suthold wäre das keine gute Entwicklung. Das Verkehrs-Niveau auf den Straßen belastet nicht nur Verkehrsteilnehmer in punkto Stress, sondern hat auch enorme Folgen für Umwelt und Klimaschutz.
Was Suthold seit Jüngstem beobachtet: „Viele kommen jetzt aus dem Home-Office wieder öfter ins Büro, auch weil man sich im Kollegenkreis Monate lang nur virtuell gesehen hat.“ Das dürfte an den deutlich gesunkenen Inzidenz-Werten bei den Corona-Neuinfektionen liegen. Jedoch ist für viele das Auto nach wie vor Verkehrsmittel Nummer 1; Bus und Bahn haben in der Pandemie deutlich an Pendler-Zuspruch verloren - „nach wie vor“, sagt Suthold.
Corona: Beim ersten Lockdown trauten sich viele nicht aus dem Haus
Am Verkehrsgeschehen auf den NRW-Autobahnen lässt sich sehr gut ablesen, wie sich auch der Umgang mit Corona im bisherigen Verlauf der Pandemie verändert hat, sagt Roland Nolte, Sprecher der Autobahn GmbH im Rheinland. Daten aus den über 2500 Messschleifen in den Autobahnfahrbahnen zeigen, dass sich beim ersten Lockdown viele Menschen kaum aus dem Haus getraut haben. In den Verkehrsspitzen wurden etwa an den Wochenenden durchschnittlich über 2000 Fahrzeuge weniger je Stunde gezählt, als im Vor-Corona-Jahr. Im zweiten Lockdown reduzierte sich die Zahl im Spitzenwert nur noch um höchstens 500 Fahrzeuge je Stunde.
Beim ersten Lockdown sank der Verkehr auf den Autobahnen rapide um bis zu 55 Prozent, verglichen mit dem März im Vor-Corona-Jahr 2019, zeigen die Daten der Autobahn GmbH. „Ab Mitte Mai 2020 kam es wieder zu einem Verkehrsanstieg, der sich dann ab Ende Juni 2020 auf ein Niveau von über 90 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum 2019 einpendelte“, berichtet Autobahn GmbH-Sprecher Nolte. Das Vor-Corona-Niveau aber wurde 2020 nicht erreicht.
Weniger und kürzere Staus in den Lockdowns
Ab Mitte Oktober ging der Verkehr dann wieder zurück, auf bis zu 55 Prozent zum Jahreswechsel 2020/2021, sagt Nolte. Seit Mitte März 2021 steigt der Verkehr wieder. Mitte Mai war die 90 Prozent-Marke überschritten. Jüngere Daten lagen Mitte Juni noch nicht vor.
Auch als die erste Corona-Welle abschwoll und der erste Lockdown beendet war, zählten die Verkehrsexperten auf den Autobahnen noch 40 bis 50 Prozent weniger Staukilometer als im Jahr zuvor - man kam also besser durch. Mit den Corona-Wellen zwei und drei sanken diese Werte erneut, am höchsten im Januar 2021 auf 85 Prozent weniger Staukilometer.
Mehr Lastwagen auf den Autobahnen
Auch beim Lkw-Verkehr unterschieden sich Lockdown 1 und 2 auffallend: Bei der ersten Corona-Welle blieb die Zahl der Lastfahrzeuge auf den Autobahnen nur leicht unter den Werten des Vorjahres. Im zweiten Lockdown wurden hingegen über zehn Prozent mehr Lkw an den Messstellen registriert, als im Vergleichszeitraum vor Corona.
Zum Grund gibt es bei der Autobahn GmbH nur Vermutungen, sagt Sprecher Nolte: „Im März 2020 konnten viele Betriebe plötzlich nicht produzieren. Im zweiten Lockdown lief der Warenverkehr besser und womöglich hat auch das Bestellverhalten der Menschen hin zu Online den Lkw-Verkehr beeinflusst“, glaubt Nolte.
Staus werden wieder mehr und länger
Was der Vergleich auch zeigt: Weniger Verkehr führte zu weniger bzw. auffallend kürzeren Staus. Die Staulänge im März 2020 sank um 57 Prozent, teilt die Autobahn GmbH mit; im April sank die Staulänge gar um 90, im Mai um 80 Prozent, vergleichen mit dem jeweiligen Vorjahresmonat, wo Corona bei uns noch keine Rolle spielte.
Doch diese schönen Zeiten sind vorbei. „Seit April 2021 zeichnet sich eine deutliche Erhöhung der Staulängen gegenüber dem Vorjahreszeitraum ab“, berichtet Roland Nolte: „Die Staulängen haben annähernd die dreifache (April) bzw. doppelte (Mai) Länge des Corona-Jahres 2020 erreicht.
Verpufft jetzt der „Home-Office-Effekt“?
Doch auch bis Mai lag der Rückgang im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 im Mittel noch bei etwa 60 Prozent. Auch hier aber lassen die Daten auf weitere Steigerungsraten für Juni und Juli schließen. Als die Corona-Zahlen nach dem Sommer 2020 wieder stiegen, sanken die Staulängen seit September von Monat zu Monat sprunghaft - bis einschließlich Januar 2021. Seitdem steigen die Werte wieder - Ausnahme war nur der April.
Viel hängt jetzt davon ab, ob Corona das Mobilitätsverhalten vor allem der Berufs-Pendler nachhaltig beeinflussen wird. „Danach sieht es im Moment leider nicht aus“, meint Mobilitätsexperte Roman Suthold. Er hofft, dass es nur ein „Nachhol-Effekt“ ist, wenn Pendler in den kommenden Wochen vermehrt ihr Home Office Richtung Büro verlassen. „Vielleicht lässt das dann wieder nach, und wir können einen neuen ‘Home-Office-Effekt’ bemerken.“
Staus mindern: Warum Tage im Home Office so wichtig wären
Der Verkehrsbelastung auf den Autobahnen würde es helfen, sagt auch Autobahn GmbH-Sprecher Roland Nolte: „Statistisch entscheidend ist der Bereich zwischen 90 Prozent Belastung oder 100 Prozent Verkehrsbelastung“, sagt Nolte. Auch Prof. Roman Suthold vertritt die These, „dass fünf bis zehn Prozent weniger Verkehr genügen, um überproportional weniger Stau auf den Straßen zu haben.“
Er wirbt deshalb dafür, dass Berufs-Pendler auch nach Corona einige der Corona-Gewohnheiten beim Mobilitätsverhalten beibehalten. „Schon ein Tag in der Woche im Home-Office statt im Büro senkt das persönliche Verkehrsaufkommen um ein Fünftel“, rechnet Suthold vor. „Flexible Arbeitszeiten können den Berufsverkehr entzerren und Straße, Bus und Bahn entlasten“, wirbt Suthold: Und für kürzere Strecken empfiehlt er auch mal den Umstieg auf Fahrrad oder Pedelec: „Es muss nicht immer das Auto sein.“
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