Berlin. . Bund, Länder und Kommunen dürfen sich in den kommenden Jahren auf weitere Milliardeneinnahmen freuen. Die Forderung nach Senkung der kalten Steuer-Progression wird deshalb immer lauter. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Weil die Wirtschaft so gut läuft, können die Finanzminister und Stadtkämmerer in den kommenden Jahren abermals mit zusätzlichen Steuereinnahmen rechnen. Bis 2018 kann der Fiskus laut aktueller Schätzung mit einem Anstieg der Steuereinnahmen um fast 100 Milliarden rechnen — gut 19 Milliarden mehr als erwartet. Die heiß diskutierte Frage: Was tun mit dem Geld – Steuern senken, um die kalte Progression auszugleichen? Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Zu welchem Ergebnis kommen die Steuerschätzer?

Bis 2018 können die öffentlichen Haushalte gegenüber der November-Prognose mit einem Zusatzplus von insgesamt 19,3 Milliarden Euro rechnen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble vereinnahmt davon knapp die Hälfte.

Ist das Geld bereits verplant?

Nein. Der Haushaltsplan der Großen Koalition sieht vor, dass Schäuble ab 2015 auch ohne zusätzliche Einnahmen keine neuen Schulden mehr aufnimmt. Kommt nichts dazwischen, haben Union und SPD damit ihr wichtigstes Ziel erreicht – die Gesamtverschuldung des Staates im Verhältnis zur wachsenden Wirtschaftsleistung sinkt, die öffentlichen Finanzen werden allmählich saniert.

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Was tun mit den Mehreinnahmen?

Meistens genannt werden drei Möglichkeiten. Erstens: alte Staatsschulden schneller abbauen. Laut der ARD-Umfrage Deutschlandtrend finden das 43 Prozent der befragten Bundesbürger richtig. Zweitens: mehr investieren. Das rät unter anderem das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), weil die öffentliche Infrastruktur sonst verschleiße. Drittens: eine Steuersenkung, um die kalte Progression auszugleichen. Dies befürwortete in den vergangenen Jahren vor allem die Union.

Was ist kalte Progression?

Eine automatische Steuererhöhung, die die nachteilige Wirkung der Inflation nicht berücksichtigt. Ein Beispiel: Steigt der Lohn um zwei Prozent, wächst die Steuerbelastung leicht. Denn wer wohlhabender ist, soll auch mehr zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben beitragen. Nun zehrt aber die übliche Preissteigerung einen Teil des Lohnzuwachses wieder auf. Die Bürger zahlen also etwas mehr Steuer, obwohl ihre Kaufkraft nicht im gleichen Maße gestiegen ist.

Wie wirkt sich die Progression für die Steuerzahler aus?

Ein kinderloser Single mit 30 000 Euro zu versteuerndem Einkommen büßt dieses Jahr im Vergleich zu 2013 zwei Euro durch die kalte Progression ein. Ausgerechnet hat das der Ökonom Frank Hechtner von der Freien Universität Berlin. Wer 60 000 Euro verdient, verliert 55 Euro. Verglichen mit 2010 ist der Effekt jedoch größer. Bei 30 000 Euro gehen 412 Euro verloren – knapp 35 Euro monatlich. Bei 60 000 Euro sind es 1321 Euro, rund 110 Euro pro Monat.

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Wie viel Geld braucht man für eine Steuersenkung?

Um die heimliche Steuererhöhung auszugleichen, müsste man den Steuertarif regelmäßig um die Inflationsrate bereinigen. Das würde Bund, Länder und Gemeinden rund 2,5 Milliarden Euro im ersten Jahr kosten, fünf Milliarden im zweiten, 7,5 Milliarden im dritten und so weiter. Die jetzt prognostizierten Zusatzeinnahmen würden dafür ausreichen.

Was will die Regierung?

Sie weiß es nicht. CDU-Generalsekretär Peter Tauber und CDU-Haushaltsexperte Norbert Barthle sagen, dass der ausgeglichene Bundeshaushalt ohne neue Schulden im Vordergrund stünde. Dieses Ziel wollen sie in jedem Fall einhalten und nicht durch voreilige Zusagen gefährden. SPD-Vizekanzler Sigmar Gabriel und sein Fraktionschef Thomas Oppermann meinen dagegen, eine kleine Steuersenkung lasse sich aus den unerwarteten Überschüssen finanzieren. Und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) denkt offenbar darüber nach, den Effekt der kalten Progression einmalig auszusetzen – 2016, ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl.