Essen. . Mit günstigen Energiepreisen machen die USA der EU Konkurrenz als Wirtschaftsstandort. Chemiefirmen verlagern bereits ihre Produktion. Auch der österreichische Stahlriese Voestalpine überlegt, die Produktion - komplett - in die USA zu verlegen.

Deutsche Unternehmen erhöhen ihre Investitionen im Ausland. Insbesondere die USA mit ihren vergleichsweise günstigen Energiepreisen breiten den roten Teppich aus. Firmen aus der Chemiebranche machen davon bereits Gebrauch. Und der österreichische Stahlkonzern Voestalpine stellt sogar die gesamte Produktion in Europa infrage und will sich gen Nordamerika orientieren.

Nach Berechnungen der Bundesbank investierten 2012 deutsche Unternehmen knapp 1,2 Billionen Euro im Ausland. Der Löwenanteil entfiel zwar nach wie vor auf Europa. Aber die USA holen auf. Den Angaben zufolge pumpten hiesige Firmen 168 Milliarden Euro direkt in die Staaten.

„Energiepreise sind größtes Geschäftsrisiko“

Und der Trend hält an: Aus seiner Frühjahrsumfrage 2014 liest der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) ab, dass für die deutsche Industrie zum ersten Mal seit elf Jahren das Kostenargument für Investitionen im Ausland wieder eine stärkere Rolle spielt. DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben warnt: „Hierzulande ist der Anstieg der Energie- und Rohstoffkosten mittlerweile seit vier Jahren aus Sicht der Industrieunternehmen größtes Geschäftsrisiko.“ Auch Fachkräfte suchten die Firmen immer häufiger im Ausland.

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Die Abwanderung ist auch in der Region unübersehbar. „Die hohen Energiekosten machen uns ganz konkret Sorgen“, sagt Stefan Dietzfelbinger, Hauptgeschäftsführer der Niederrheinischen IHK Duisburg-Wesel-Kleve. Er beobachtet, dass insbesondere Chemieunternehmen mit kurzen Investitionszyklen von acht bis zehn Jahren Kapazitäten in den USA aufbauen. „Das passiert schleichend. Die Firmen beschweren sich schon gar nicht mehr“, so Dietzfelbinger.

Chemie-Investitionen im Ausland um 25 Prozent gestiegen

Der Ludwigshafener Chemiegigant BASF geht dagegen ganz offen mit seinem Drang nach Westen um: Seine größte Einzelinvestition von einer Milliarde Euro will er an der US-Golfküste realisieren. In den Staaten fährt BASF bereits ein Fünftel von Umsatz und Ergebnis ein. „Mit Schiefergas und Schieferöl verfügen wir dort auch über günstige Energie- und Rohstoffpreise für unsere Produktion. Erdgas kostete 2013 in den USA nur rund ein Drittel von dem, was in Europa zu zahlen war”, sagt Konzernchef Kurt Bock.

Das Beispiel BASF scheint für die gesamte Chemieindustrie zu stehen: Während die Auslandsinvestitionen in Sachanlagen 2012 um satte 25 Prozent auf 7,7 Milliarden Euro stiegen, stagnierten die Investitionen der drittgrößten deutschen Branche auf dem Heimatmarkt bei 6,3 Milliarden Euro, wie der Verband VCI errechnet hat. 41 Prozent der Auslandsinvestitionen gehen danach in die USA. Fast jedes zweite deutsche Chemieunternehmen wolle im Ausland investieren, zulasten des Standorts Deutschland.

Thyssen-Krupp investiert in Duisburg

Als erster Stahlkonzern wagte sich Voestalpine aus der Deckung. Der Chef des österreichischen Unternehmens, Wolfgang Eder, stellt die Stahlproduktion in Europa für sich ganz infrage: „Im Moment sehen wir nur Nordamerika als langfristig kalkulierbaren Standort“, sagte Eder und lobte die niedrigen Energiepreise, Personalkosten und Grundstückspreise in den USA.

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Deutsche Stahlkocher schlagen solch harsche Töne noch nicht an. Thyssen-Krupp hat gerade erst sein Stahlwerk in Alabama verkauft und investiert aktuell 240 Millionen Euro in die Modernisierung des Warmbandwerks in Duisburg-Bruckhausen. Der Essener Konzern pocht allerdings auch auf „verlässliche Rahmenbedingungen“ seitens der Politik, so ein Sprecher. Dazu gehören die Ausnahmeregelungen von der Ökostromumlage. Die günstigen US-Energiepreise werden auf Fracking zurückgeführt. Mit der umstrittenen Technik werden Gas und Öl aus tiefliegendem Gestein gefördert.

Auch Mittelständler gehen verstärkt in die USA. „Das Investment im Ausland zieht spürbar an“, sagt André Zentsch von der Hypo Vereinsbank NRW.Die Auslandsinvestitionen seien branchenübergreifend: Lebensmittelhersteller, Autozulieferer und die Schwerindustrie nutzten in den USA nicht nur die niedrigen Energiepreise. „Der US-Markt ist groß, wachsend und jung“, so Zentsch. Zudem seien die Zinsen günstig.