Bochum. . Die große Abrechnung der Aktionäre mit der Führung des angeschlagenen Industriekonzerns Thyssen-Krupp fiel aus. Bei der Hauptversammlung am Freitag in Bochum wehte dem vor drei Jahren als Hoffnungsträger gestarteten Vorstandsvorsitzenden Heinrich Hiesinger aber erstmals der Wind ins Gesicht.
Auf dem Aufsichtsrats-Stuhl des verstorbenen Thyssen-Krupp-Patriarchen Berthold Beitz sitzt Ex-Telekom-Chef René Obermann. Die Hauptversammlung in Bochum leitet erstmals seit vielen Jahren nicht Gerhard Cromme, sondern Ulrich Lehner. In der ersten Reihe sitzen Krupp-Stiftungschefin Ursula Gather, die Beitz-Tochter Susanne Henle, Vorstandschef-Gattin Ingrid Hiesinger und ihre beiden Kinder. Vieles ist anders an diesem Vormittag bei Thyssen-Krupp, die Probleme aber bleiben: Rote Zahlen, hohe Verschuldung und das noch immer nicht verkaufte Problem-Stahlwerk in Brasilien.
Thyssen-Krupp-Chef Heinrich Hiesinger nimmt den in Bochum versammelten Aktionären noch vor Beginn der Hauptversammlung im Ruhrcongress den Wind aus den Segeln. Dem „Handelsblatt“ hat er ein Interview gegeben und darin eigene Fehler beim tiefgreifenden Umbau des Technologie- und Stahlkonzerns eingeräumt. „Sicherlich war es ein taktischer Fehler, den Verkauf des Stahlwerks bis zum vergangenen Mai angekündigt zu haben“, räumt Hiesinger im Hinblick auf das Desaster des Stahlwerks in Brasilien ein.
Stahlwerk in Brasilien liegt „bleischwer“ auf dem Konzern
Der geplante Verkauf missglückte. Allein das Walz- und Beschichtungswerk in Alabama/USA konnte Thyssen-Krupp im vergangenen Jahr für 1,55 Milliarden US-Dollar losschlagen. Unter dem Strich belasten beide Investitionen den Essener Konzern bislang mit zwölf Milliarden Euro.
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„Bleischwer“ laste das Stahlwerk in Brasilien bis heute auf Thyssen-Krupp, erklärt Hiesinger in Bochum. Er bedauert, dass den Aktionären aufgrund des Fehlbetrags von 1,5 Milliarden Euro im Geschäftsjahr 2012/13 zum zweiten Mal in Folge keine Dividende gezahlt werden könne. „Das muss und das wird sich ändern. Dafür stehen wir als Vorstand gemeinsam ein“, gibt sich der Vorstandschef kämpferisch.
Hiesinger sieht „messbare Erfolge“
Hiesinger, der nunmehr seit drei Jahren an der Spitze von Thyssen-Krupp steht, hebt erste „messbare Erfolge mitten im größten Konzernumbau seit der Fusion 1999“ hervor. So sei es gelungen, erstmals seit sechs Jahren die Verschuldung um 800 Millionen Euro auf rund fünf Milliarden Euro zu verringern. Die konjunkturanfällige Stahlproduktion mache nur noch 30 Prozent des Umsatzes aus. Der Umbau zum Technologiekonzern schreite voran. Bis auf das Sorgenkind Steel Americas lieferten die fünf anderen Geschäftsbereiche positive Ergebnisse.
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Konsequenzen zieht Thyssen-Krupp aus dem Schienenkartell, das dem Konzern Schadenersatzzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe einbrockte, Preisabsprachen bei Autoblechen und teuren Dienstreisen. Der Aufsichtsrat bestellte am Freitagmorgen Donatus Kaufmann zum vierten Vorstandsmitglied. Der 51-jährige Metro-Manager soll zum 1. Februar das neu geschaffene Ressort Recht und Compliance leiten.
Die Berufung Kaufmanns, betont Aufsichtsratschef Ulrich Lehner, symbolisiere das klare Bekenntnis des Konzerns, dass Kartell- und Korruptionsverstöße bei Thyssen-Krupp nicht geduldet würden.
Metro-Manager neuer Compliance-Chef
Kaufmann war auch bei seinem bisherigen Arbeitgeber, dem Handelsriesen Metro, für saubere Unternehmensführung und Kontrollsysteme zuständig. Zuvor war Kaufmann beim Pharmakonzern Boehringer Ingelheim tätig.
Die erwartete Abrechnung der Aktionäre mit der Thyssen-Krupp-Führung fiel in Bochum aus. Jedoch wird der Wind für den als Hoffnungsträger gestarteten Vorstandschef Hiesinger rauer. „Wann kommt Ihr wirklicher Befreiungsschlag?“, fragt ein Anteilseigner.
Fragen an den Aufsichtsratsvorsitzenden
Thomas Hechtfischer, Geschäftsführer der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), machte deutlich, dass Thyssen-Krupp-Aktionäre angesichts der andauernden Konzernkrise „besonders schutzbedürftig“ seien. Hechtfischer kritisierte, dass sich Thyssen-Krupp im Dezember nur zu einer Kapitalerhöhung von 880 Millionen Euro entschlossen habe. „Wir hätten uns eine höhere Kapitalerhöhung gewünscht“, so der DSW-Geschäftsführer.
Auch Ulrich Lehner, Aufsichtsratsvorsitzender seit April 2013, muss sich aufgrund der Vielzahl seiner Aufsehermandate unbequeme Fragen gefallen lassen. Er antwortet souverän: „Dieser Posten stand nicht auf meinem Weihnachtswunschzettel.“