Essen. Die länger andauernde Sanierung treibt den Aktienkurs in den Keller. Er sackte um knapp neun Prozent ab. Viele Analysten, die den Technologie- und Stahlkonzern seit Jahren beobachten, zeigen sich skeptisch, insbesondere wegen der teilweisen Rückabwicklung des Edelstahlgeschäftes.
Es ist ungemütlich bei Thyssen-Krupp. Kein Wunder. Existenzkämpfe sind selten eine kuschelige Veranstaltung. Doch nach dem Wochenende der Bilanzvorlage zeigt sich: Nach dem Existenzkampf ist vor dem Existenzkampf. Viele Analysten, die den Technologie- und Stahlkonzern seit Jahren beobachten, zeigten sich skeptisch, insbesondere wegen der teilweisen Rückabwicklung des Edelstahlgeschäftes.
„Das ist ein Rückschlag in der Strategie, sich stärker auf das Technologiegeschäft zu konzentrieren“, sagt Lars Hettche vom Bankhaus Metzler. „Thyssen-Krupp wollte sich ein gutes Stück aus dem Stahl und aus dem Edelstahl komplett zurückziehen. Die problematischen Teile werden aber nicht weniger“, sagte der Analyst mit Blick auch auf das brasilianische Werk, das keinen Käufer fand.
Rettungsaktion für Outokumpu
Insbesondere die Edelstahlfabrik AST im italienischen Terni, für die die Essener wieder verantwortlich sind, belastet die Zukunftsaussichten. Der Preis für die Tonne Edelstahl ist innerhalb von knapp zwei Jahren von 3200 Euro auf 2050 eingebrochen – die weltweite Überproduktion macht die Preise kaputt und hat den finnischen Konzern Outokumpu in schwere Schieflage gebracht. Das Management von Thyssen-Krupp sieht denn auch die Rückabwicklung als notwendige Stützungsaktion für Outokumpu.
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Ohne den Deal wäre der Schaden für die Essener noch deutlich größer geworden. Dennoch: Die Rücknahme von VDM und AST steht mit insgesamt 960 Millionen Euro in den Büchern. AST fährt Verlust ein und dürfte derzeit keinen Käufer finden. VDM, der hübsche, weil ertragreiche Hersteller von Hochleistungswerkstoffen, wird derzeit mit 500 bis 600 Millionen Euro an möglichen Verkaufswerten taxiert.
Da klafft eine Lücke von einigen 100 Millionen, und solche Lücken mögen Börsianer nicht. Andererseits ist die Chance gegeben, VDM und AST zu entwickeln und doch noch ordentlich zu verkaufen. „Werterhalt“ nennt das der Vorstand.
Auch der missglückte Verkauf des brasilianischen Stahlwerks löst Skepsis aus, weil erst 2015 schwarze Zahlen in Sicht sind. Hettche: „Die Sanierung dauert zwei, drei Jahre länger als erwartet. Mit der jetzigen Kapitalerhöhung steigt zwar die Eigenkapitalquote auf neun bis 9,5 Prozent. Wenn da aber nur ein Geschäft schief geht, braucht das Unternehmen eigentlich wieder frisches Kapital.“ Im Konzern indes verweist man auf den Zufluss von rund 2,2 Milliarden Euro durch die Kapitalerhöhung und den Verkauf des US-Stahlwerks in den USA und den sich dadurch deutlich verbessernden Verschuldungsgrad.
Analysten wollen Stahl abtrennen
Hermann Reith von der BHF-Bank findet die Rückabwicklung unter den gegebenen Bedingungen als Lösung „gar nicht schlecht“. Reith wie auch der Analyst vom Bankhaus Lampe, Marc Gabriel, befürworten indes eine Trennung vom Stahl- und Werkstoffgeschäft und dem Technologiegeschäft.
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Theoretisch wäre es möglich, beide Konzernteile als selbstständige Sparten zu führen: eine zyklische, also stark konjunkturabhängige Stahlsparte und eine weniger zyklische wie das gut laufende Technologiegeschäft. Analysten lieben solche Pläne, weil damit der sogenannte Konglomeratsabschlag – ein Malus im Börsenkurs für einen Mischkonzern – zu heben wäre. Die Rede ist von 20 Prozent an möglicher Wertsteigerung an der Börse.
Das Management glaubt indes an eine gute Zukunft für Thyssen-Krupp als Gesamtkonzern. Die Wachstumsmöglichkeiten seien auch so gegeben. Zumal das operative Geschäft gut laufe. Abgesehen davon stecken im Stahl milliardenschwere Pensionsverpflichtungen, die bei einer Trennung erst mal finanziert sein müssen.
Die Aktionäre reagierten gestern mit starken Verkäufen auf die schwierige Lage. Der Aktienkurs sackte um knapp neun Prozent ab. Der Konzern startete schon gestern Abend die Kapitalerhöhung um zehn Prozent und bot institutionellen Anlegern wie Fonds oder Versicherungen 51,5 Millionen Inhaber-Aktien an. Die Preisspanne lag laut Händlern zwischen 17,05 und 17,635 Euro.