Essen. . Nach den Hiobsbotschaften vom Wochenende ist die Thyssen-Krupp-Aktie am Montag deutlich eingebrochen. Konzernchef Hiesinger hatte am Wochenende die Bilanz vorgelegt: Es war erneut ein Verlustjahr für das Unternehmen – und ein weiteres könnte folgen. Fragen und Antworten zur Konzern-Krise.
Schwarzer Tag für Thyssen-Krupp : Die Aussicht auf eine Kapitalerhöhung hat die Aktien am Montag zeitweise um mehr als sieben Prozent auf 17,89 Euro gedrückt, den tiefsten Stand seit Anfang Oktober. Sie bildeten damit das Schlusslicht im Dax. Nach dem verpassten Befreiungsschlag bei den Übersee-Stahlwerken droht dem Konzern zudem ein weiteres Verlustjahr. Das sei ein Drama ohne Happy End, urteilte Equinet-Analyst Stefan Freudenreich und empfahl die Aktien zum Verkauf. Auch die Experten der Credit Suisse schrieben in einem Kommentar: "Die jüngsten Ereignisse zeigen mal wieder, wie schwer es ist, Thyssen-Krupp zu restrukturieren." Sie senkten das Kursziel auf 20 von 23,80 Euro, beließen die Bewertung aber auf "Outperform".
Thyssen-Krupp-Chef Heinrich Hiesinger hatte Beschäftigte und Aktionäre des Konzerns zuvor auf schwierige Monate eingestellt. „Befreiungsschläge gibt es nicht“, sagte er. Überraschend präsentierte Hiesinger bereits am Wochenende die Bilanz. Es war erneut ein Verlustjahr, ein weiteres könnte folgen.
Wie ernst ist die Lage?
Nach wie vor steckt Thyssen-Krupp tief in den roten Zahlen. Im abgelaufenen Geschäftsjahr verbuchte der Konzern einen Verlust von 1,5 Milliarden Euro – im Jahr zuvor waren es noch fünf Milliarden Euro. Wie im Vorjahr soll es keine Dividende für die Aktionäre geben. Fehlinvestitionen in Auslandsstahlwerke und Kartellverstöße bringen Thyssen-Krupp weiterhin arg in Bedrängnis. Auch der Verkauf des Edelstahlgeschäfts an den finnischen Outokumpu-Konzern bereitet Thyssen-Krupp Schwierigkeiten. Das Geschäft wird zum Teil rückgängig gemacht.
Was hat Thyssen-Krupp mit den Finnen neu vereinbart?
Thyssen-Krupp übernimmt überraschend wieder den profitablen Werkstoffhersteller VDM, der auch am Standort Essen stark ist. Die verlustreiche italienische Edelstahlfirma Terni kommt ebenfalls zurück zu Thyssen-Krupp. Es geht offenbar um Schadensbegrenzung: Outokumpu ist angeschlagen und benötigt frisches Geld.
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Auch Thyssen-Krupp drohte eine Abwärtsspirale. Bislang war Thyssen-Krupp mit 29,9 Prozent an Outokumpu beteiligt. Auch eine Art Darlehen hatten die Essener den Finnen gewährt. Der Revierkonzern verzichtet jetzt auf diese finanziellen Ansprüche und erhält im Gegenzug VDM und Terni. Letztlich kappt Thyssen-Krupp alle geschäftlichen Verbindungen zu den Finnen.
Was geschieht mit den Auslandsstahlwerken?
Verkauft hat Thyssen-Krupp das Werk in Alabama, das verlustreiche Stahlwerk in Brasilien bleibt dagegen erst einmal im Konzern. Für die Anlage in den USA zahlen der Stahlgigant Arcelor-Mittal und das japanische Unternehmen Nippon Steel rund 1,1 Milliarden Euro. Teil der Vereinbarung mit den Käufern ist auch ein langfristiger Liefervertrag für das brasilianische Werk, der für eine bessere Auslastung der Anlage sorgen soll. Wettbewerbshüter müssen dem Deal noch zustimmen.
Warum strebt Thyssen-Krupp nun eine Kapitalerhöhung an?
Thyssen-Krupp braucht frisches Geld. Die Kosten für die Übersee-Stahlwerke sind mittlerweile auf rund 13 Milliarden Euro geklettert. Das Verhältnis von Schulden zum Eigenkapital muss verbessert werden, wie Finanzchef Guido Kerhoff betonte. Die Kapitalerhöhung soll bis zu zehn Prozent betragen. Rein rechnerisch könnte Thyssen-Krupp damit rund eine Milliarde Euro einnehmen. Die Geldspritze soll unter Ausschluss des Bezugsrechts erfolgen. Das heißt: Neben den bisherigen Aktionären können sich auch andere Investoren beteiligen. Der Anteil von Altaktionären wie der Krupp-Stiftung könnte verwässert werden.
Was bedeutet die Kapitalerhöhung für die Krupp-Stiftung?
Sollte die Stiftung unter den bisherigen Anteil von gut 25 Prozent rutschen, könnte sie künftig nur noch zwei statt bislang drei Firmenkontrolleure in den Aufsichtsrat entsenden. „Es kann sein, dass es wichtig ist, den Anteil zu halten“, hatte Stiftungschefin Ursula Gather erklärt – für den Fall, dass es „konkurrierende Interessen“ unter den Aktionären gebe.
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Es sei auch denkbar, dass sich die Krupp-Stiftung für eine Kapitalerhöhung verschuldet, zum Beispiel durch einen Bankkredit. Um voll mitziehen zu können, müsste die Stiftung wohl bis zu 250 Millionen Euro investieren.
Wann ist ein Ende der Krise bei Thyssen-Krupp in Sicht?
Konzernchef Hiesinger, der das Unternehmen seit knapp drei Jahren führt, hat Mitarbeiter und Anleger um Geduld gebeten. Es werde noch Jahre dauern, den Konzern auf eine „tragfähige Basis“ zu stellen, sagte er. Es gebe allerdings Fortschritte. Für das nächste Geschäftsjahr kündigte Hiesinger „eine deutliche Verbesserung in Richtung eines wieder ausgeglichenen Jahresergebnisses“ an. Womöglich steht Thyssen-Krupp also ein weiteres Verlustjahr bevor.
Droht weiterer Stellenabbau?
Es gebe „keine Notwendigkeit, etwas draufzusatteln“, betonte Personalvorstand Oliver Burkhard. Geplant ist schon jetzt, weltweit 3000 Arbeitsplätze in der Verwaltung abzubauen, davon jede zweite Stelle in Deutschland. 2000 Jobs sollen in der Stahlsparte wegfallen.
Was verdient eigentlich der Thyssen-Krupp-Chef?
Das Jahresgehalt von Hiesinger stieg von 3,85 auf 4,9 Millionen Euro. Finanzchef Kerhoff erhielt nach rund 1,9 nun 2,5 Millionen Euro, bei Personalchef Burkhard waren es gut 1,6 Millionen Euro. (mit Reuters)