Bochum. Thyssen-Krupp-Chef Heinrich Hiesinger sieht den angeschlagenen Industriekonzern trotz anhaltender Verluste auf dem richtigen Kurs. Für die Bekämpfung von Korruption und Kartellverstößen will der Konzern ein eigenes Vorstandsressort schaffen. Das wurde bei der Hauptversammlung in Bochum gesagt.
Auf dem Aufsichtsrats-Stuhl des verstorbenen Thyssen-Krupp-Patriarchen Berthold Beitz sitzt Ex-Telekom-Chef René Obermann. Die Hauptversammlung in Bochum leitet erstmals seit vielen Jahren nicht Gerhard Cromme, sondern Ulrich Lehner. Vieles ist anders an diesem Vormittag bei Thyssen-Krupp, die Probleme aber bleiben: Rote Zahlen, hohe Verschuldung und das noch immer nicht verkaufte Problem-Stahlwerk in Brasilien.
Thyssen-Krupp-Chef Heinrich Hiesinger nimmt den in Bochum versammelten Aktionären noch vor Beginn der Hauptversammlung im Ruhrcongress den Wind aus den Segeln. Dem Handelsblatt hat er ein Interview gegeben und darin eigene Fehler beim tiefgreifenden Umbau des Technologie- und Stahlkonzerns eingeräumt. „Sicherlich war es ein taktischer Fehler, den Verkauf des Stahlwerks bis zum vergangenen Mai angekündigt zu haben“, räumt Hiesinger im Hinblick auf das Desaster des Stahlwerks in Brasilien ein. Der geplante Verkauf missglückte. Allein das Walz- und Beschichtungswerk in Alabama/USA konnte Thyssen-Krupp im vergangenen Jahr für 1,55 Milliarden US-Dollar losschlagen. Unter dem Strich belasten beide Investitionen den Essener Konzern bislang mit zwölf Milliarden Euro.
Der Vorstandschef gibt sich kämpferisch
„Bleischwer“ laste das Stahlwerk in Brasilien bis heute auf Thyssen-Krupp, erklärt Hiesinger in Bochum. Er bedauert, dass den Aktionären aufgrund des Fehlbetrags von 1,5 Milliarden Euro im Geschäftsjahr 2012/13 zum zweiten Mal in Folge keine Dividende gezahlt werden könne. „Das muss und das wird sich ändern. Dafür stehen wir als Vorstand gemeinsam ein“, gibt sich der Vorstandschef kämpferisch.
Hiesinger, der nunmehr seit drei Jahren an der Spitze von Thyssen-Krupp steht, hebt erste „messbare Erfolge mitten im größten Konzernumbau seit der Fusion 1999“ hervor. So sei es gelungen, erstmals seit sechs Jahren die Verschuldung um 800 Millionen Euro auf rund fünf Milliarden Euro zu verringern. Die konjunkturanfällige Stahlproduktion mache nur noch 30 Prozent des Umsatzes aus. Der Umbau zum Technologiekonzern schreite voran. Bis auf das Sorgenkind Steel Americas lieferten die fünf anderen Geschäftsbereiche positive Ergebnisse.
Thyssen-Krupp zieht Konsequenzen aus dem Schienenkartell
Konsequenzen zieht Thyssen-Krupp aus dem Schienenkartell, das dem Konzern Schadenersatzzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe einbrockte, Preisabsprachen bei Autoblechen und teuren Dienstreisen. Der Aufsichtsrat bestellte am frühen Freitagmorgen Donatus Kaufmann zum vierten Vorstandsmitglied. Der 51-jährige Metro-Manager soll zum 1. Februar das neu geschaffene Ressort Recht und Compliance leiten. Die Berufung Kaufmanns, betont Aufsichtsratschef Ulrich Lehner, symbolisiere das klare Bekenntnis des Konzerns, dass Kartell- und Korruptionsverstöße bei Thyssen-Krupp nicht geduldet würden.
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Kaufmann war auch bei seinem bisherigen Arbeitgeber, dem Handelsriesen Metro, für saubere Unternehmensführung und Kontrollsysteme zuständig. Zuvor war Kaufmann beim Pharmakonzern Boehringer Ingelheim tätig.
Abstimmung über weitere Kapitalerhöhung
Die mit Spannung erwartete Aussprache bei der Hauptversammlung in Bochum begann am Vormittag betont sachlich. Thomas Hechtfischer, Geschäftsführer der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), machte deutlich, dass Thyssen-Krupp-Aktionäre angesichts der andauernden Konzernkrise „besonders schutzbedürftig“ seien. Hechtfischer kritisierte, dass sich Thyssen-Krupp im Dezember nur zu einer Kapitalerhöhung von 880 Millionen Euro entschlossen habe. „Wir hätten uns eine höhere Kapitalerhöhung gewünscht“, so der DSW-Geschäftsführer. Im Laufe der Hauptversammlung soll über die Ermächtigung für eine weitere Kapitalerhöhung abgestimmt werden.