Essen. . Der Verkauf des Stahlwerks in den USA von Thyssen-Kruppe scheint in trockenen Tüchern zu sein. Der Verkauf würde dem angeschlagenen Konzern Luft verschaffen für die Bewältigung seiner Krise. Aber auch eine Kapitalerhöhung an der Börse ist im Gespräch.

Es deutete sich schon vergangene Woche an, als Thyssen-Krupp die Vorlage der Bilanzzahlen um zwei Wochen verschoben hat und zur Begründung auf „exklusive Verhandlungen“ mit einem Bieter für das Stahlwerk im US-Bundesstaat Alabama verwies: Der angeschlagene Technologie- und Stahlkonzern schüttet im Jahr 2013 wenigstens zum Teil die größte Baustelle im Konzern zu.

Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete unter Verweis auf Finanzkreise, die Unterzeichnung des Kaufvertrages stünde kurz bevor und könnte noch im Laufe des Freitagabends stattfinden. Für rund 1,5 Milliarden Dollar soll demnach das US-Stahlwerk an ein Konsortium aus den Stahlkonzernen Arcelor-Mittal und Nippon Steel gehen.

Es wurde erwartet, dass der Essener Konzern darüber nach Börsenschluss in den Vereinigten Staaten eine entsprechende Mitteilung herausgibt. Für kommenden Dienstag hatte Thyssen-Krupp zur Bilanzpressekonferenz eingeladen.

Steht Thyssen-Krupp vor Kapitalerhöhung?

Der Konzern wollte sich dazu zunächst nicht äußern, eine Arcelor-Mittal-Sprecherin verwies auf frühere Erklärungen, der Konzern sei an dem Werk interessiert. Bei Nippon Steel war niemand für eine Stellungnahme zu erreichen.

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Thyssen-Krupp könnte sich zudem noch mit einem weiteren Schritt die nötige Beinfreiheit für die Weiterentwicklung des Konzerns verschaffen. Seit Monaten wird darüber spekuliert, dass die Ausgabe neuer Aktien bevorsteht und sich das mit über fünf Milliarden Euro hoch verschuldete Unternehmen über diese Kapitalerhöhung Luft verschafft.

Vorstandschef Heinrich Hiesinger hatte einen solchen Schritt genauso wenig ausgeschlossen wie der verstorbene Vorsitzende der Krupp-Stiftung, Berthold Beitz: Wenn es dem Unternehmenswohl diene, sei auch eine Kapitalerhöhung denkbar. Ursula Gather, Beitz’ Nachfolgerin an der Spitze des Kuratoriums der Krupp-Stiftung, die gut 25 Prozent an dem Unternehmen besitzt, hatte jüngst nicht ausgeschlossen, dass sich auch die Krupp-Stiftung an einer Erhöhung des Kapitals beteiligen könnte. „Wir sind schuldenfrei“, sagte Gather und verwies auf den Umstand, dass möglicherweise konkurrierende Interessen im Aktionärskreis ein Handeln der Stiftung nötig machen könnten. Es sei denkbar, dass sich die Stiftung dann auch verschulde.

Stahlwerke in USA und Brasilien haben zwölf Milliarden Euro verbrannt

Wie Reuters weiter berichtet, sei in der Verkaufsvereinbarung festgehalten, dass Thyssen-Krupp nachträglich Abstriche am Verkaufspreis machen müsse, wenn sich der Stahlpreis oder das Werk weniger gut entwickelten als gedacht. „Thyssen kann am Ende zufrieden sein, wenn sie nichts zurückzahlen müssen“, sagte ein Insider. Ein wesentlicher Punkt des Verkaufs dürften die langfristigen Abnahmegarantien für Brammen aus dem brasilianischen Desaster-Werk sein.

Insgesamt haben die beiden Stahlwerke in den USA und Brasilien über zwölf Milliarden Euro verbrannt und damit drei Milliarden mehr, als der Konzern derzeit an der Börse wert ist. Fehlerhafte Anlagen, eine zunächst nicht funktionierende Kokerei, die bei Chinesen bestellt worden war statt bei der Konzerntochter Uhde, Schwierigkeiten beim Bau der Fabrik in den Mangroven-Sümpfen hatten milliardenschwere Abschreibungen und Anlaufverluste zur Folge. Drei Vorstände mussten exakt vor einem Jahr ihre Hüte nehmen – im Zuge der Übernahme der Gesamtverantwortung, wie es hieß. Auch Aufsichtsratschef Gerhard Cromme stolperte über das Desaster.

Das Brasilien-Werk bleibt vermutlich noch weiter im Konzern. Durch den Alabama-Deal aber wäre Hiesinger den Zeitdruck los und kann in Ruhe nach einem weiteren Käufer suchen.