Essen. Das Vertrauen der Verbraucher in die Urteile von Stiftung Warentest oder Öko-Test ist hoch. Ein gutes Testergebnis kurbelt den Verkauf daher kräftig an. Das ruft dreiste Trickser auf den Plan. Sie drucken falsche oder alte Siegel auf Produkte und Prospekte - und haben wenig zu befürchten.
Auf Käufer haben sie die Wirkung eines Magneten. Testsiegel mit den Bestnoten „sehr gut“ und „gut“ bieten Orientierung im Dschungel der Warenwelt. Fast 90 Prozent der Verbraucher vertrauen den Urteilen der „Stiftung Warentest“. Auch Konkurrent „Öko-Test“ wird von 80 Prozent als verlässlicher Produkt-Richter bewertet. Den Herstellern und Händlern bringt das bares Geld. Studien belegen: Gute Testurteile können den Marktwert einer Ware um bis zu 30 Prozent steigern.
So drucken die Werber die Testsiegel fleißig auf Prospekte und Produkte. Zumal sie das kaum etwas kostet: Für das Logo mit einem Testergebnis zahlen sie 500 Euro an die Stiftung Warentest und dürfen es beliebig oft verwenden. „Wir halten den Betrag bewusst gering, damit auch kleinere Firmen sich das leisten können“, sagt Winfried Ellerbrock von Stiftung Warentest. Um so größer ist der Ärger der Tester, wenn der gute Ruf der Siegel immer wieder durch dreiste Trickser gefährdet wird. Bis zu 100 Missbrauchs-Fälle mit Stiftung-Warentest-Logos verfolgt der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) jedes Jahr. Bei Öko-Test werden jährlich bis zu 40 Fälle erfasst.
„Methoden immer ausgefeilter“
Die Mitarbeiter von Öko-Test erwischen eher kleinere Firmen beim Mogeln. Doch auch große Unternehmen und Discounter schrecken vor Siegel-Schwindel nicht zurück. Der Elektronikfachmarkt „Saturn“ pries ein Handy, einen Camcorder und einen Fernseher mit einem Testurteil an, das eigentlich einer Mikrowelle galt. In einem Prospekt der Supermarktkette „Real“ bedruckte man gleich eine komplette Shampoo-Serie mit dem Prädikat „gut“, obwohl nur ein einziges Shampoo getestet wurde. „Die Methoden werden immer ausgefeilter“, sagt Helke Heidemann-Peuser, Leiterin des Rechtsreferats beim VZBV. So setzte „Aldi Nord“ das Testsiegel für eine Hotline in einer Werbebroschüre so dicht neben das Bild eines Notebooks, dass der Glanz der Bestnote auch auf dieses Produkt abfärben konnte.
„Den Missbrauch von Testsiegeln gibt es in allen Branchen. Besonders auffällig sind allerdings die Matratzenhersteller“, sagt Ellerbrock. Auch die Palette der Tricks ist vielfältig. Beliebt ist die Werbung mit veralteten Tests, bei denen das Produkt noch besser abgeschnitten hat. „Die Kriterien können sich in der Zwischenzeit jedoch verändert oder verschärft haben, sodass dasselbe Produkt in einem aktuellen Test schlechter benotet wird“, sagt Heidemann-Peuser. Gerne wird auch die Bewertung für ein Produkt auf eine komplette Serie oder gar ein völlig anderes Produkt übertragen. Hier und da werben die Siegel-Sünder auch einfach mit einer Einzelnote, die aus dem Gesamturteil hervorsticht.
Auf Hinweise der Verbraucher angewiesen
Manche Werber entwerfen sogar ihr eigenes Logo. Um sich von diesen schwarzen Schafen abzuheben, hat die Stiftung Warentest im vergangenen Jahr ein neues Testsiegel entwickelt: Der Verbraucher erkennt das Original jetzt am großen „T“ auf rotem Grund.
Für die Tester selbst ist es unmöglich, die korrekte Verwendung der Siegel zu überprüfen. Sie sind auf Hinweise von Verbrauchern und manchmal auch von Konkurrenten der Firmen angewiesen. Bei Missbrauch von Siegeln der Stiftung Warentest schreitet der VZBV ein. „Die meisten Unternehmen sind bereit, eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben“, sagt Juristin Heidemann-Peuser. „In höchstens einem Viertel der Fälle müssen wir Klage wegen unlauteren Wettbewerbs erheben.“ Verstößt eine Firma wiederholt gegen ein Unterlassungsurteil, kann ein Ordnungsgeld verhängt werden.
Siegel-Sünder haben nur wenig zu befürchten
In der Regel haben die Siegel-Schwindler jedoch wenig zu befürchten. „Das Verfahren ist mit erheblichem Zeitaufwand verbunden“, sagt Heidemann-Peuser. „Zudem müssen wir nachweisen, dass das Unternehmen vorsätzlich gehandelt hat.“ So wie im Fall des Discounters „Lidl“, der beharrlich mit einem alten Testsiegel für eine Matratze warb. Der VZBV leitete ein Gewinnabschöpfungs-Verfahren ein. Ein Musterprozess, bei dem sich Lidl schließlich verpflichtete, 25.000 Euro zu zahlen. Das Geld floss in die Kasse des Bundesjustizministeriums.
Öko-Test-Chefredakteur Jürgen Stellpflug hofft auf die abschreckende Wirkung des Lidl-Urteils. Wirtschaftsexperten haben jedoch ihre Zweifel, dass der Siegel-Missbrauch gestoppt werden kann. „Diese Summen bestreiten Unternehmen wie Lidl aus der Portokasse. Firmen haben bis dato rechtlich nur sehr wenig zu befürchten“, sagt Manfred Krafft, Professor für Marketing an der Universität Münster.
Da bleibt dem Käufer nichts anderes übrig, als genau hinzuschauen. Quelle, Datum und Gegenstand des Test müssen ebenso angegeben werden wie die Ergebnisse der Konkurrenz-Produkte. Winfried Ellerbrock empfiehlt, den Test im Zweifelsfall auf der Homepage der Stiftung Warentest nachzulesen oder den Leserservice anzurufen. Denn eines wollen die Tester auf keinen Fall verlieren: das Vertrauen der Verbraucher.