Brüssel. Die Euro-Finanzminister haben sich nach wochenlangem Ringen auf einen Plan geeinigt, das marode Land vor dem Ruin und in der Währungsunion zu halten. Ein weiterer Schuldenschnitt wurde strikt abgelehnt. Stattdessen wurden die Schuldenkriterien aufgeweicht und weitere Notkredite in Höhe von 44 Milliarden Euro zugesagt.

Griechenland darf endlich aufatmen - und auf die Euroländer kommen neue Belastungen zu: Nach einer weiteren Nachtsitzung haben sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und seine Euro-Kollegen im Grundsatz auf die Freigabe von knapp 44 Milliarden Euro an aufgelaufenen Notkrediten geeinigt. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) bleibt mit im Boot. Die wichtigsten Ergebnisse der Einigung der Euro-Finanzminister:

Zwei Jahre mehr

Verzögerungen bei der Umsetzung des zweiten Hilfsprogramms und die schwere Rezension haben die Rettungspläne für Griechenland hinfällig gemacht. Athen erhält deswegen einen Aufschub von zwei Jahren bis 2016 zum Erreichen der Sparauflagen der internationalen Geldgeber. Dadurch braucht das Land zusätzlich rund 32 Milliarden Euro.

Schuldenstand

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Hier haben Eurozone und IWF einen Kompromiss geschlossen. Durch die Verzögerungen war das Ziel unerreichbar geworden, den Schuldenberg des Landes von erwarteten fast 190 Prozent der griechischen Wirtschaftskraft im Jahr 2014 auf etwa 120 Prozent im Jahr 2020 abzutragen. Dies war besonders dem IWF wichtig, da diese Marke als ein tragbares Maß für das Krisenland gilt. Nun haben sich die Geldgeber darauf verständigt, dass ein Schuldenstand von 124 Prozent im Jahr 2020 erreicht werden soll.

Schuldenrückkauf

Um Athens Schuldenberg entsprechend zu verringern, ist ein Programm zum Rückkauf griechischer Staatsanleihen von privaten Investoren geplant. Die Schuldscheine werden derzeit unter Marktwert gehandelt, durch den Rückkauf soll der Schuldenberg verringert werden. Das geht vereinfacht gesagt so: Eine Staatsanleihe über 100 Euro kann beispielsweise für ein Viertel gekauft werden. So könnte Athen durch den den Einsatz von 25 Euro Schulden im Wert von 100 Euro auslösen. Schlecht wäre es, wenn jetzt in Vorfreude auf das Rettungsgeld die Preise für die Anleihen wieder anziehen.

Maßnahmebündel

Weitere Garantien oder einen Schuldenschnitt haben die Geldgeber - Deutschland vorneweg - strikt abgelehnt. Deswegen haben sie die zusätzlich benötigten Mittel durch eine Reihe von weiteren Maßnahmen zusammengekratzt. Dazu gehören eine Senkung von Zinsen für bereits vergebene Kredite aus dem ersten Hilfsprogramm sowie eine Verlängerung von Kreditlaufzeiten und eine Stundung von Zinszahlungen. Ferner ist vorgesehen, dass sich Griechenland weiterhin mit der Ausgabe kurzfristiger Anleihen am Markt mit frischem Geld versorgt. Die Euro-Länder wollen zudem Gewinne aus griechischen Staatsanleihen an Griechenland weitergeben.

Verrechungskonto und Kontrolle

Die Gewinne aus den griechischen Anleihen sollen auf ein Verrechnungskonto ausgezahlt werden, von dem Griechenland seine Schuldrückzahlungen bedient und keine anderen Ausgaben tätigt. Durch stärkere Kontrollen soll zudem sichergestellt werden, dass die Regierung in Athen nicht bei der Umsetzung der Spar- und Reformauflagen oder dem Verkauf von Staatsbesitz wieder in Rückstand gerät.

Freigabe von Kredittranchen

Grundsätzlich gaben die Geldgeber aufgelaufene und von Athen dringend benötigte Hilfszahlungen in Höhe von 43,7 Milliarden Euro frei. Davon sollen 34,4 Milliarden Euro im Dezember überwiesen werden. Voraussetzung sind die Zustimmung der nationalen Parlamente in einigen Euro-Ländern wie in Deutschland. Der IWF will zudem erst den Erfolg des Programms zum Schuldenrückkauf abwarten. Die restlichen 9,3 Milliarden Euro wollen die Geldgeber in drei weiteren Tranchen im ersten Quartal 2013 auszahlen, wenn Athen dafür Bedingungen wie die Umsetzung einer Steuerreform erfüllt.

Ausblick

Trotz eines Schuldenschnittes für private Anleiheninvestoren in diesem Jahr ist Griechenland das mit Abstand am höchsten verschuldete Land in der Euro-Zone. Wegen der strengen Sparmaßnahmen im sozialen Bereich und Lohnkürzungen ist die Wirtschaftskraft innerhalb von fünf Jahren um ein Viertel gesunken. Viele Menschen haben keine Arbeit. Bei den Verhandlungen ging es daher vor allem darum, wie die Schuldenquote von den erwarteten 190 bis 200 Prozent in den kommenden zwei Jahren auf 120 Prozent bis zum Jahr 2020 gesenkt werden kann.

Die Kernfrage bleibt, ob dies tatsächlich gelingt und die Wirtschaft wieder an Schwung gewinnen kann. Gelingt dies nicht, bleibt die Frage, ob Länder wie Deutschland auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten müssen. Dies könnte am Ende den Steuerzahler belasten. EU-Vertreter gehen davon aus, dass Deutschland seine ablehnende Haltung nach der Bundestagswahl im kommenden Jahr aufgibt - und dann erneut verhandelt wird.