Berlin. . Peer Steinbrück lässt in der Haushaltsdebatte kein gutes Haar an der Regierung. Merkel muss sich vorwerfen lassen, die Finanz-Krise auszusitzen. Die Kanzlerin nutzt die Gelegenheit, um die „großen Leistungen“ der Regierung zu loben. Überlagert wird das von der gescheiterten Griechenland-Rettung.

Es ist ein Warnschuss für die Kanzlerin. Die SPD stellt wegen der Milliardenrisiken der Griechenlandhilfe den gesamten Bundeshaushalt 2013 in Frage, fordert eine Verschiebung des für Freitag geplanten Etatbeschlusses. Wenn die Sanierung der griechischen Staatsfinanzen mehr Zeit erfordere, dann koste das auch Deutschland Geld, das im Etat für nächstes Jahr überhaupt nicht eingeplant sei, mahnte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück am Mittwoch im Bundestag. „Die Stunde der Wahrheit ist da“, rief er der Kanzlerin zu, „machen Sie sich selbst ehrlich.“

Der Haushalt wird natürlich trotzdem am Freitag beschlossen, Angela Merkel gibt sich auch ungerührt vom Aufruhr der Opposition. Doch der Schlagabtausch im Schatten der griechischen Krise gestern ist ein Einschnitt: Es könnte ungemütlich werden für Merkel, auch bei der Euro-Rettung sucht der SPD-Kanzlerkandidat jetzt den Angriff.

Unter dem Druck kritischer Debatten in seiner Partei droht Steinbrück offen mit der Aufkündigung der SPD-Unterstützung bei weiteren Euro-Rettungsentscheidungen – wenn Merkel frühere Zusagen nicht einhalte.

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Dabei wollte die Kanzlerin in der Generaldebatte des Bundestags eigentlich mit guten Haushaltszahlen glänzen . Von der „erfolgreichsten Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“ etwa schwärmt sie selbstbewusst – während ihr Steinbrück später „dröhnende Selbstbeweihräucherung“ vorwirft. Doch die Nachrichten von der vorerst gescheiterten Griechenland-Rettung überlagern alles andere. Erst verschiebt sich die Debatte, weil die Fraktionen über die Euro-Krise beraten. Was kommt auf Deutschland zu? Was kostet es Berlin, wenn Griechenland bis 2014 immerhin 13 Milliarden, bis 2016 sogar 30 Milliarden Euro fehlen?

Merkels „Schleiertanz“

Längst ist die Rede von einem dritten, milliardenschweren Hilfspaket oder einem Schuldenschnitt für Athen. In der internen Sitzung der Unionsfraktion macht Merkel allerdings deutlich, dass die Athener Finanzlücke bis 2014 eher mit kleinen Maßnahmen geschlossen werden soll. Das würde ein neues Hilfspaket erst später nötig machen – die Opposition argwöhnt, die Karten kämen so erst nach der Bundestagswahl auf den Tisch.

Merkel schlägt intern vor, die Zinssätze für Hilfskredite an Griechenland zu senken, ohne dass dies den Bundesetat belasten soll. Und die Bürgschaften an Athen aus dem Rettungsfonds EFSF könnten um zehn Milliarden Euro aufgestockt werden, damit Griechenland Schuldpapiere zu niedrigen Preisen zurückkaufen und den Schuldenstand reduzieren kann.

Im Bundestag ist davon nicht die Rede, Merkel spricht aber von guten Chancen, dass die Euro-Finanzminister sich am Montag einigen. Es gehe in Griechenland nicht nur ums Sparen, sondern um einen tiefgreifenden Umbau des Staates.

Steinbrück verlangt innenpolitische Konsequenzen: Merkel müsse klar sagen, dass der deutsche Steuerzahler Opfer bringen müsse, fordert er und vergleicht die Herausforderung mit der Wiedervereinigung. Merkel aber führe einen „Schleiertanz“ auf, belasse es bei „Aussitzen und Abwarten“.

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Nächste Woche muss der Bundestag den Griechenland-Hilfen zustimmen. Dass Merkel die Koalition geschlossen hinter sich hat, ist unwahrscheinlich – dass SPD und Grüne sie im Stich lassen, noch unwahrscheinlicher. Entscheidend sei, dass ein tragfähiges Konzept vorliege, heißt es in der SPD.

Was ein Schuldenschnitt kosten würde

Warum braucht Griechenland schon wieder neues Geld?

Durch die wirtschaftliche Talfahrt aufgrund harter Sparpakete sind alle Prognosen längst überholt. Im dritten Quartal sank die Wirtschafts­leistung (BIP) Griechenlands gegenüber 2011 um 7,2 Prozent. Weil die Regierung weniger Steuern einnimmt als geplant, muss sie neue Kredite aufnehmen, statt Schulden abzubauen. Trotz aller Rentenkürzungen wächst der Schuldenberg – im Oktober lag der Haushaltssaldo fast 1,2 Milliarden über dem Plan. Die Lage des Staates und seiner Bürger wird dramatisch schwieriger.

Was würde passieren, wäre Deutschland in einer ähnlichen Lage?

Wären wir so verschuldet wie Griechenland (zurzeit 170 Prozent des BIP), läge die Schuldenlast bei 4250 Milliarden Euro. Bei einem Zinssatz von vier Prozent müsste Deutschland dafür 170 Milliarden Euro pro Jahr zahlen. Der gesamte Bundeshaushalt umfasst aber nur 300 Milliarden Euro. Die Zinslast wäre so hoch wie alle Ausgaben für Bundeswehr, Rente und Bildung. Solche Belastungen kann kein Staat schultern.

Der Schuldenschnitt als Medizin?

Der Vorteil wäre: Erlässt man den Griechen die Hälfte ihrer Schulden, könnte der Staat investieren und so etwas tun gegen die Wirtschaftskrise und die hohe Arbeitslosigkeit. Ein Nachteil: Deutschland müsste dafür etwa 17,5 Milliarden Euro zahlen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) ist dafür, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ist dagegen.

Gibt es historische Vorbilder?

Ab Ende der 1990er-Jahre wurde 39 Entwicklungsländern ein Großteil ihrer Staatsschulden erlassen. Deutschland beteiligte sich an dieser Initiative. Seitdem geht es vielen dieser Länder besser. Sie können die knappen öffentlichen Mittel in den Aufbau einer funktionierenden Verwaltung und Bildung investieren.

Wäre damit das Problem gelöst?

Sicher nicht, denn die griechischen Staatsschulden steigen weiter. Für 2013 erwartet die EU einen Anstieg der Schuldenquote auf 188,4 Prozent – Tendenz kräftig steigend.