Essen. Schrumpfen die Altersbezüge immer weiter oder steigen sie wieder? Kehrt die Altersarmut zurück? Wird die Rente überhaupt reichen? Ein paar Fakten, die von Politikern gerne verschwiegen oder verdreht werden.

Wenige Themen erhitzen der Deutschen Gemüter so sehr wie die Rente. Wird sie reichen? Kehrt die Altersarmut zurück nach Deutschland, die Konrad Adenauer 1957 mit der Geburt unseres Rentensystems praktisch über Nacht abgeschafft hat?

Lange ging das gut, bis Rot-Grün sich 2001 zu bitteren Reformen genötigt sah. Seitdem verlieren die Rentner an Kaufkraft. 2006 beschloss die Große Koalition noch die Rente mit 67. Eine Legislatur in der Opposition später bekommt die SPD kalte Füße, rudert zurück. Und in dieses Gemenge platzt nun die Botschaft von üppigen Rentenerhöhungen in den nächsten Jahren. Wie passt das alles zusammen?

Die Antworten schlummern in den Untiefen der Rentenformel. Weil sich auch Politiker selten dorthinab verirren, kommt keine TV-Debatte zur Rente ohne Halbwahrheiten aus. Der Zuschauer hat keine Chance zu folgen. Warum und wie sehr sinkt die Rente? Kann sie auch wieder steigen? Ein paar womöglich überraschende Fakten:

Das Rentenniveau sinkt wahrscheinlich nicht auf 43 Prozent

Die Warnung vor Altersarmut wird gern verknüpft mit der Aussage, das Rentenniveau sinke bis 2030 auf 43 Prozent – als sei das gesetzlich vorgeschrieben. Ist es aber nicht: Die 43 Prozent sind eine Untergrenze, die bis 2030 nicht unterschritten werden darf. Tatsächlich haben sich die Prognosen von 2004 längst überholt.

Aktuell geht die Rentenversicherung davon aus, dass bis 2020 das Rentenniveau auf 48 statt ursprünglich erwartet 46 Prozent sinkt und bis 2030 auf 45 statt 43 Prozent.

Der Demografiefaktor hat die Rente zuletzt erhöht, nicht gesenkt

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Unser Rentensystem hat einen Geburtsfehler: Wenn zu wenige Kinder geboren werden und weniger Beschäftigte mehr Rentner durch ihre Beiträge finanzieren müssen, gerät das Umlagesystem in Schieflage. Das lässt sich ändern, wenn die Renten weniger steigen als die Löhne. Rot-Grün hat deshalb 2005 den „Nachhaltigkeitsfaktor“ eingeführt. Verschlechtert sich das Verhältnis von Beschäftigten und Rentnern zu Lasten der Beitragszahler, fällt die Rentenanpassung geringer aus. Zuletzt war es aber umgekehrt: Weil in den vergangenen Jahren mehr Menschen Arbeit fanden und sich das Verhältnis verbesserte, wirkte der so gefürchtete Faktor rentensteigernd – in diesem Jahr um 2,1 Prozent.

Die größte Ungerechtigkeit spielt im Wahlkampf keine Rolle

Für die Senkung des Rentenniveaus auf aktuell knapp 50 Prozent hat fast ausschließlich der „Riester-Faktor“ gesorgt. Er hat die Renten bis 2012 jedes Jahr um 0,6 Prozentpunkte gesenkt. Mit ihm sollten die Beitragszahler entlastet werden, um Geld zum Riestern übrig zu haben. Dass den Rentnern dieses Geld abgezogen wird, obwohl sie selbst nie die Chance hatten zu riestern, hinterlässt eine Gerechtigkeitslücke. Hinzu kam, dass in den Nullrunden 2004 bis 2006 und 2010 verhinderte Rentenkürzungen nachgeholt werden. Dieser „Nachholfaktor“ wirkt 2013 zum letzten Mal, dann ist auch er Geschichte und für die wahlkämpfenden Parteien uninteressant. Diese Hauptursachen für die „Schrumpfrente“ wurden weder von der SPD noch der Union jemals angetastet.

Die Renten steigen wieder, die Altersarmut aber auch

Die Alterung der Gesellschaft bedeutet auch, dass die Wirtschaft um immer weniger Fachkräfte buhlen muss – zum Beispiel mit besseren Löhnen. Davon profitieren auch die Rentner, die Prognosen für 2014 bis 2016 gehen von Anhebungen über der Inflationsrate aus. Also alles gut? Nein, denn immer mehr Geringverdiener sind trotzdem von Altersarmut bedroht. Die Ursache liegt aber nicht im Rentensystem, sondern im Niedriglohnsektor. Wer dagegen etwas tun will, muss auch dort ansetzen.

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Was die SPD-Pläne kosten

Die SPD will 2020 schauen, ob das Rentenniveau noch bei 50 Prozent liegt. Warum so lange warten? Es liegt bereits darunter, im Wahljahr wird die Zahl für 2012 offiziell. Allein das SPD-Konzept gegen Altersarmut kostet bis 2030 rund 16 Milliarden Euro. Das Rentenniveau einzufrieren, würde ein Vielfaches kosten, deshalb spielt die SPD auf Zeit, die sie nicht hat.

Die Rente mit 67 auszusetzen, wäre dagegen ein günstiges Wahlgeschenk, es würde zunächst sechsstellige Millionenbeträge kosten, erst nach 2020 ginge es in die Milliarden. Nur ändert das nichts an den Gründen für die Rente mit 67: Rentner beziehen heute mit durchschnittlich 18 Jahren doppelt so lange Rente wie vor 50 Jahren. Für die Menschen ist das ein wohl verdienter Segen, doch ein Umlagesystem muss darauf reagieren. Mit längerer Arbeit, kleineren Renten oder höheren Beiträgen. Politiker haben nur die Wahl zwischen Pest, Cholera und Typhus. Es sei denn, sie leugnen die Mathematik.