Berlin. . Im Kampf gegen ein steigendes Risiko von Altersarmut in Deutschland bläst Bundesarbeitsministerin von der Leyen kräftiger Gegenwind ins Gesicht: Nicht nur SPD und Grüne kritisieren die Pläne von der Leyens für eine “Zuschussrente“. Junge Union-Chef Mißfelder warnt vor Generationenungerechtigkeit.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) stößt mit ihren Plänen für eine Zuschussrente für Empfänger niedriger Altersbezüge weiter auf Widerstand auch in der eigenen Partei. Auch mit der Zuschussrente sei für junge Leute nicht mehr viel von der Rente zu erwarten, sagte der CDU-Sozialpolitiker Jens Spahn der "Berliner Zeitung" (Montagausgabe). "Wir sollten so ehrlich sein und über den Systemwechsel zu einer steuerfinanzierten Grundrente für alle diskutieren."

Mit der Zuschussrente sollen geringe Altersbezüge von Neurentnern auf maximal 850 Euro aufgestockt werden, wenn der Rentner mindestens 40 Versicherungsjahre vorweisen kann.

Für die Junge Union warnte am Montag JU-Chef Philipp Mißfelder vor einer Verschärfung der Generationenungerechtigkeit durch die geplante Zuschussrente gegen Altersarmut. Es bestehe die Gefahr, dass für die jüngere Generation "noch größere Belastungen entstehen", sagte Mißfelder im ZDF-"Morgenmagazin". Es müsse deshalb darüber geredet werden, "was das alles kosten soll und wer das am Ende auch bezahlen soll". Mißfelder macht sich dafür stark, über eine steuerfinanzierte Grundrente nachzudenken. Dann würden auch diejenigen einen Beitrag leisten, die nicht in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen.

Die vom Bundesarbeitsministerium verbreiteten Zahlen über eine künftig stark anwachsende Altersarmut unterstreichen nach Einschätzung von SPD und Grünen die Untauglichkeit der von Arbeitsministerin von der Leyen (CDU) geplanten Zuschussrente für Niedrigverdiener. "Wegen der hohen Zugangshürden wird kaum jemand die Zuschussrente bekommen. Außerdem schafft sie neue Ungerechtigkeiten, weil viele Leute, die lange Vollzeit gearbeitet haben, am Ende auch nicht mehr Rente bekommen", sagte SPD-Fraktionsvize Elke Ferner der "Saarbrücker Zeitung".

Garantierente statt Zuschussrente

Eine in der SPD diskutierte Alternative sei die Beibehaltung des jetzigen Rentenniveaus, was aber auch eine schnellere Anhebung der Rentenbeiträge als ursprünglich geplant zur Folge hätte, räumte Ferner ein.

Die Grünen setzen der Zuschussrente eine steuerfinanzierte "Garantierente" entgegen. Wie ihr Rentenexperte Wolfgang Strengmann-Kuhn sagte, soll diese Rente ab einer Beitragszeit von 30 Jahren fällig werden und über dem Grundsicherungsniveau liegen. "Von der Leyen will nichts anderes als eine neue Sozialhilfe für Rentner, denn ihre Zuschussrente folgt dem Bedürftigkeitsprinzip", kritisierte Strengmann-Kuhn.

Warnung vor 2massiver Altersarmut"

DGB-Vorstand Annelie Buntenbach warnt vor "massenhafter Altersarmut" bei der breiten Mittelschicht und fordert, die geplante Senkung des Rentenbeitrags auszusetzen. Trotz des Problems Altersarmut sprach sie sich gegen die Zuschussrente aus. "Die Senkung des Rentenniveaus wird geradewegs in die massenhafte Altersarmut führen", sagte Buntenbach der "Passauer Neuen Presse" (Montagausgabe). "Wenn die Bundesregierung den Sturzflug des Rentenniveaus nicht aufhält, droht Altersarmut längst nicht nur Geringverdienern, sondern der breiten Mittelschicht", fügte sie hinzu. Da helfe auch keine Zuschussrente. Bei der Zuschussrente seien die Hürden so hoch, "dass sie kaum jemand in Anspruch nehmen kann".

Die geplante Senkung des Rentenbeitrags nannte Buntenbach "absolut unvernünftig". "Denn es ist klar: Wer heute die Beiträge senkt, kürzt die Rente von morgen", sagte sie.

Rente - alt, aber arm?

„Alt aber arm?“ Um die drohende Altersarmut ging es diesmal beim
„Alt aber arm?“ Um die drohende Altersarmut ging es diesmal beim "Reitz-Thema des Monats" in der Volkshochschule Essen. © WAZ
Auf dem Podium saßen Prof. Reinhold Schnabel (Finanzwissenschaftler), Jürgen Liminski (Demographie-Experte), Miriam Gruß (FDP-Bundestagsabgeordnete), Prof. Gerhard Bäcker (Soziologe) und Gerda Kieninger (Landeschefin der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen).
Auf dem Podium saßen Prof. Reinhold Schnabel (Finanzwissenschaftler), Jürgen Liminski (Demographie-Experte), Miriam Gruß (FDP-Bundestagsabgeordnete), Prof. Gerhard Bäcker (Soziologe) und Gerda Kieninger (Landeschefin der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen). © WAZ
Ulrich Reitz, Chefredakteur der WAZ, moderierte die Veranstaltung.
Ulrich Reitz, Chefredakteur der WAZ, moderierte die Veranstaltung. © WAZ
Die FDP-Bundestagsabgeordnete Miriam Gruß betonte:
Die FDP-Bundestagsabgeordnete Miriam Gruß betonte: "Es darf kein Gegeneinander der Generationen geben, es muss ein Miteinander geben. Meine Großeltern und Eltern wollen auch, dass es mir im Alter gut geht." © WAZ
Soziologe Gerhard Bäcker (Uni Duisburg/Essen) erklärte, die Grundsicherung sei zu niedrig, um Altersarmut zu verhindern.
Soziologe Gerhard Bäcker (Uni Duisburg/Essen) erklärte, die Grundsicherung sei zu niedrig, um Altersarmut zu verhindern. "Langzeitarbeitslose, Niedriglöhner und Menschen mit unterbrochenen Erwerbsbiografien werden Probleme haben." © WAZ
Gerda Kieninger, Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen, sieht auch Frauen als Risikogruppe:
Gerda Kieninger, Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen, sieht auch Frauen als Risikogruppe: "Frauen haben oft keine durchgängige Erwerbstätigkeit. Selbst wenn, verdienen sie weniger als Männer." © WAZ
Für Grummeln im Publikum sorgte Reinhold Schnabel, Finanzwissenschaftler der Uni Duisburg/Essen:
Für Grummeln im Publikum sorgte Reinhold Schnabel, Finanzwissenschaftler der Uni Duisburg/Essen: "Ich glaube nicht, dass wir auf ein massives Problem der Altersarmut zulaufen. Das bestreite ich", sagte er. Familien seien viel eher gefährdet als Rentner. © WAZ
Demographie-Experte Jürgen Liminski (links) prophezeite mehr Altersarmut, kritisierte aber auch die Familienpolitik, die Streichung der Eigenheimförderung, die Kindergeld-Kürzung und die Mehrwerterhöhung. (neben Liminski: FDP-Politikerin Miriam Gruß und Soziologe Gerhard Bäcker)
Demographie-Experte Jürgen Liminski (links) prophezeite mehr Altersarmut, kritisierte aber auch die Familienpolitik, die Streichung der Eigenheimförderung, die Kindergeld-Kürzung und die Mehrwerterhöhung. (neben Liminski: FDP-Politikerin Miriam Gruß und Soziologe Gerhard Bäcker) © WAZ
ehr als 100 Gäste waren kurz vor dem EM-Viertelfinale zwischen Deutschland und Portugal in die Essener Volkshochschule gekommen.
ehr als 100 Gäste waren kurz vor dem EM-Viertelfinale zwischen Deutschland und Portugal in die Essener Volkshochschule gekommen. © WAZ
Sie erlebten eine kontroverse Diskussion.
Sie erlebten eine kontroverse Diskussion. © WAZ
Die in der Volkshochschule in der Mehrzahl anwesenden heutigen Rentnerinnen und Rentner wollten mit dem vermittelten Eindruck, ihnen gehe es doch sehr gut,  nicht zufrieden geben.
Die in der Volkshochschule in der Mehrzahl anwesenden heutigen Rentnerinnen und Rentner wollten mit dem vermittelten Eindruck, ihnen gehe es doch sehr gut, nicht zufrieden geben. © WAZ
Die 1,1 Prozent Rentenerhöhung empfanden die wenigsten als großzügig.
Die 1,1 Prozent Rentenerhöhung empfanden die wenigsten als großzügig. © WAZ
Um die Rentenkasse auf eine solidere Basis zu stellen, diskutierte die Runde auch, ob Selbstständige verpflichtet werden sollten, in die staatliche Rentenversicherung einzuzahlen.
Um die Rentenkasse auf eine solidere Basis zu stellen, diskutierte die Runde auch, ob Selbstständige verpflichtet werden sollten, in die staatliche Rentenversicherung einzuzahlen. © WAZ
Einige Fragen der Anwesenden werden noch von den Experten beantwortet und in einer der nächsten WAZ-Ausgaben auszugsweise veröffentlicht.
Einige Fragen der Anwesenden werden noch von den Experten beantwortet und in einer der nächsten WAZ-Ausgaben auszugsweise veröffentlicht. © WAZ
Weitere Impressionen aus dem Publikum ...
Weitere Impressionen aus dem Publikum ... © WAZ
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Nach Berechnungen des Bundesarbeitsministeriums droht allen Arbeitnehmern mit weniger als 2500 Euro brutto im Monat ab 2030 eine Rente unter dem Grundsicherungsbedarf von 688 Euro. Diese Menschen, die 35 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt und keine weitere private Vorsorge betrieben hätten, müssten "mit dem Tag des Renteneintritts den Gang zum Sozialamt antreten", schrieb von der Leyen in einem Brief an ihre Kritiker in der Union. Die FDP-Spitze bekräftigte am Wochenende ihre Ablehnung einer Zuschussrente. Von der Leyens Konzept würde Milliarden kosten, sagte Parteichef Philipp Rösler. (dapd/rtr)