Berlin. . Das neue Rentenkonzept der SPD wird von der politischen Konkurrenz zerrissen. Nicht nur die Koalition, sondern auch Grüne gehen auf Distanz: Die SPD gehe nicht weit genug. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen und CDU-Sozialpolitiker Karl Josef Laumann rechnen mit 90 Milliarden Euro Mehrausgaben.
Das neue Rentenkonzept der SPD sorgt für Streit mit der schwarz-gelben Regierung. So kritisieren Koalitionspolitiker, das Paket gegen Altersarmut werde um viele Milliarden teurer als von den Sozialdemokraten behauptet. Auch Grüne und Linke gehen auf Distanz.
FDP-Rentenexperte Heinrich Kolb erklärte am Sonntag, das Konzept werde im Jahr 2030 zu Mehrausgaben von 35 Milliarden Euro führen. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) rechnet dann sogar mit 90 Milliarden Euro Zusatzkosten – ein gutes Drittel der Rentenkassenausgaben in diesem Jahr. „Der Vorschlag belastet massiv die Beitragszahler“, sagt von der Leyen. Die SPD-Spitze weist die Vorwürfe als „lächerlich“ zurück und spricht von „Horrorzahlen“.
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Ein kleiner Parteitag der SPD hatte am Samstag das Kompromiss-Konzept einstimmig beschlossen. Es beendet vorerst einen der schwierigsten innerparteilichen Konflikte. Parteichef Sigmar Gabriel sagte, die SPD habe nun vor der Bundestagswahl Geschlossenheit in allen zentralen Fragen erreicht. Parteivize Hannelore Kraft, die die Einigung mit herbeigeführt hatte, sprach von einem „guten Kompromiss.
Solidarrente von 850 Euro
Schwerpunkt ist eine Solidarrente von monatlich 850 Euro für Arbeitnehmer, die 30 Beitragsjahre nachweisen können. Außerdem sollen Bezieher von Erwerbsminderungsrenten keine Abschläge mehr hinnehmen müssen. Die Rente mit 67 bleibt ausgesetzt, bis sich die Arbeitsmarktlage für Ältere verbessert hat. Wichtiger Punkt ist die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro.
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Gabriel bezifferte die Kosten im Jahr 2030 auf 17 Milliarden Euro jährlich plus einen einstelligen Milliardenbetrag für die Solidarrente. Finanziert werden soll dies aus Steuermitteln oder durch eine stetige Anhebung der Beiträge bis auf die Obergrenze von 22 Prozent.
Den Hauptstreitpunkt hat die SPD allerdings vertagt: Über das künftige Rentenniveau will die Partei endgültig erst 2020 entscheiden – bis dahin soll es bei 50 Prozent des durchschnittlichen Nettolohns gehalten werden, laut aktueller Gesetzeslage könnte es bis 2020 auf 46 Prozent sinken.
Wie will die SPD das Rentenniveau halten?
Wie die SPD das Rentenniveau halten will, ist unklar: Korrekturen bis hin zu einer Änderung der Rentenanpassungsformel sind nicht ausgeschlossen. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sagte andererseits: „An der Rentenformel wird nicht gerüttelt.“
Linke-Parteichef Bernd Riexinger nannte die Pläne eine „Mogelpackung.“ Wenn die bisherige Rentenformel das Niveau senke, müsse man diese Formel ändern, um das Niveau zu sichern, sagte er unserer Redaktion. Auch die Grünen übten Kritik: Die Frage, wie ein angemessenes Rentenniveau bei stabilen Beitragssätzen zu gewährleisten sei, müsse die SPD heute und nicht erst 2020 beantworten.
Die klare Distanzierung der Grünen war womöglich auch eine Reaktion auf eine schroffe Ankündigung von Steinbrück: Er erteilte den Erwartungen der Grünen, in einer Koalition als Partner auf Augenhöhe behandelt zu werden, eine Absage. So erklärte er in der Bild am Sonntag: „Eine Partei, die doppelt so viele Stimmen oder noch mehr als der kleinere Partner erzielt, wird es nicht an Selbstbewusstsein fehlen lassen.“
Laumanns Rundumschlag
Als „sozialpolitisches Wunschkonzert“ hat der Vorsitzende der CDU-Sozialausschüsse (CDA), Karl-Josef Laumann, das SPD-Rentenkonzept kritisiert. Ebenso wie Arbeitsminiterin Ursula von der Leyen rechnet er 2013 Mehrleistungen in Höhe von bis zu 90 Milliarden Euro.
Nach internen Berechnungen des Bundes würde allein die „Solidarrente“ von 850 Euro monatlich im Jahr 2030 bis zu 30 Milliarden Euro kosten. Die „Teilrente“ ab dem 60.Lebensjahr kostet danach sofort zehn Milliarden Euro und würde im Jahr 2030 jährlich bis zu fünf Milliarden Euro Mehrausgaben bedeuten. Die Beibehaltung des bisherigen Rentenniveaus würde im Jahr 2020 knapp zehn Milliarden Euro im Jahr mehr kosten – im Jahr 2030 sogar 25 Milliarden.
Der CDU-Sozialpolitiker sieht auch Korrekturbedarf bei der Rentenversicherung. Mit Blick auf Verlässlichkeit und Sicherheit sei ein „realistischen Rentenkonzept“ nötig – „und keine ausufernden Kostenexplosion“. Laumann griff auch SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück scharf an. Der „selbsternannte Sozialpolitiker“ verstehe nichts von Rente und habe ein unsolides Konzept ohne seriöse Kostenrechnung vorgelegt.